Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 1,4 Mrd. Getränkedosen verkauft. Im Vergleich zu 2011 entspricht das einem Plus von 25 %. Sind die Verbraucher in punkto Nachhaltigkeit und Ökologie also ignorant? Sicherlich nicht, denn die Getränkedose bietet in Hinblick auf Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit Vorteile, die Welf Jung im Gespräch mit dei erläutert. Er ist Vice President Sustainability Europe beim Getränke-dosenhersteller Rexam.
dei: Herr Jung, was bedeutet es für Rexam, nachhaltig zu handeln?
Welf Jung: Wir beschränken Nachhaltigkeit nicht nur auf Umweltaspekte und Umweltmanagement. Wir verstehen darunter einen ganzheitlichen Ansatz. Unser Ziel ist es, ein nachhaltig erfolgreiches Unternehmen zu sein, das sich kontinuierlich selbst hinterfragt und dadurch verbessert. Das schaffen wir, indem wir uns auf allen Unternehmensgebieten klare, realistische und messbare Ziele setzen und unseren Mitarbeitern ein sicheres und faires Arbeitsumfeld schaffen, in dem sie ihr Potenzial entfalten können aber auch nachhaltig gefördert werden.
dei: Kommen wir zu Getränkedosen. Was hat sich hier in Sachen Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren verändert?
Jung: Aktuell wird bei der Herstellung einer Aluminiumdose 30 % weniger Material eingesetzt als noch vor 30 Jahren. Die Dosenwände sind dünner als ein menschliches Haar und mit etwa 16 g je 0,5-Liter-Dose und weniger als 13 g je 0,33-Liter-Dose liegt die Aluminiumdose im Vergleich zu anderen Verpackungsformaten in punkto Gewicht ganz vorne. Daneben sinkt der Energieverbrauch in den Werken, sodass Rexam seinen CO2-Ausstoß 2012 um weitere 6 % senken konnte.
dei: Die Debatte um die Getränkedose wird hierzulande sehr emotional geführt. Wie kann man diese Diskussion versachlichen?
Jung: Durch Fakten und Transparenz lässt sich die Diskussion auf eine rationalere Ebene heben. Studien zu Ökobilanzen von Verpackungen sind hierfür ein geeignetes Instrument. Allerdings ist es für eine Vergleichbarkeit solcher Studienergebnisse unablässig, dass sich alle beteiligten Parteien, also die Verpackungsbranche, verschiedene NGOs, der Handel sowie Verbände der getränkeabfüllenden Industrie auf einheitliche Standards einigen und transparent handeln. Ich denke, dies wäre ein erster wichtiger Schritt. Zum anderen sollte man akzeptieren, dass sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den vergangenen 15 Jahren gewandelt haben – und damit auch die Anforderungen an Getränkeverpackungen.
dei: Was bedeutet das konkret?
Jung: Es gibt heute beispielsweise viel mehr Singlehaushalte und eine deutlich größere Produktvielfalt. Die Verbraucher sind probierfreudiger geworden und verlangen nach einer Sortimentsbreite, die nicht nur die unterschiedlichsten Geschmäcker bedient, sondern auch für unterschiedliche Konsumsituationen und verschiedene Getränke die optimale Verpackung bereit hält. Das kann für den Familienvater auf dem Land der Kasten Wasser oder Bier sein, für die Studentin in der Großstadt der leichte PET-Wasser-Sixpack vom Discounter oder eben die Getränkedose für unterwegs oder wenn Einzelportionen gefragt sind. Es gibt kein Schwarz oder Weiß. Die Getränkebranche ist bunt und alle Verpackungsvarianten haben ihre Berechtigung.
dei: Wieso geht man im umweltorientierten Skandinavien mit dem Thema Getränkedosen viel entspannter um?
Jung: Zum einen gibt es dort weniger Marktteilnehmer, sodass man sich schneller auf ein praktikables System einigen konnte. Zum anderen wurde in Deutschland der Fokus zu wenig auf das Thema Recycling gelegt. Stattdessen machte die Politik die Getränkedose öffentlich zum Umweltsünder.
dei: Können Sie sich vorstellen, dass es in Zukunft einmal gesamteuropäische Lösungen bei der Bepfandung von Einweggetränkeverpackungen geben wird?
Jung: Nein! Es gibt in fast allen europäischen Ländern unterschiedliche Infrastrukturen, um die gebrauchten Einwegflaschen oder Dosen wieder einzusammeln. In der Regel funktionieren diese Systeme gut. Immerhin haben wir in Europa über alle Länder gemittelt eine Recyclingrate für Getränkedosen von 72 %. Wenn man nun eine neue einheitliche Regelung auf alle Länder übertragen würde, wäre dies zum einen unendlich teuer, und zum anderen ginge die Recyclingrate zunächst einmal deutlich zurück, da sich die Verbraucher an ein neues System gewöhnen müssten.
dei: Wie können die Recyclingraten in den europäischen Ländern weiter erhöht werden?
Jung: Durch dauerhafte, sachliche Aufklärung und gezielte Wissensvermittlung. Nur wenn die Menschen die Zusammenhänge kennen und diese verstehen, können sie eine bewusste und reflektierte Entscheidung treffen. Das gilt für das Thema gesunde Ernährung ebenso wie für die Frage, was ich mit meiner Getränkedose mache, nachdem ich sie leer getrunken habe.
dei: Was tut Rexam, um die Recyclingraten zu steigern?
Jung: Wir fördern in verschiedenen europäischen Ländern Recyclinginitiativen und Aufklärungskampagnen, wie beispielsweise „Jede Dose Zählt“ in Österreich und Großbritannien. Diese richten sich direkt an den Endverbraucher. Darüber hinaus hat Rexam die sogenannte „Community Can Challenge“ ins Leben gerufen. Bei dieser jährlichen Aktion werden sowohl die Mitarbeiter als auch die Gemeinden, in denen sich unserer Standorte befinden, aktiv in die Nachhaltigkeitspolitik von Rexam einbezogen. Ziel ist es, gebrauchte Getränkedosen gemeinsam zu sammeln und wieder dem Recyclingkreislauf zuzuführen. 2012 haben wir auf diesem Weg 300 000 Dosen eingesammelt – Ein Ergebnis, das sich durchaus sehen lassen kann. Außerdem entwickeln wir verschiedene Programme, um die Bevölkerung für das Thema Recycling zu sensibilisieren.
dei: Wie beeinflussen hohe Recyclingraten die Nachhaltigkeitsbilanz der Getränkedose?
Jung: Bei der Aluminiumdose ist die Recyclingquote einer der wichtigsten Indikatoren für deren Umweltbelastung. Der Energiebedarf für das Umschmelzen von Aluminium fällt bis zu 95 % geringer aus als für die Gewinnung von Primäraluminium. Das bedeutet, dass sich die Ökobilanz des Werkstoffes mit jeder Wiederverwendung verbessert. In Zahlen: Das Recycling von 1 kg Aluminium verhindert den Ausstoß von 20 kg CO2.
dei: Wie oft kann eine Getränkedose wiederverwendet werden?
Jung: Unendlich oft. Dabei bleiben Qualität und physikalische Eigenschaften im Vergleich zu Primäraluminium unverändert. So wird Aluminium überwiegend nicht verbraucht, sondern genutzt und anschließend immer wieder erneut nutzbar gemacht.
„Bei der Aluminiumdose ist die Recyclingquote einer der wichtigsten Indikatoren für deren Umweltbelastung.“
dei: Die Debatte über die Umweltverträglichkeit von Aluminiumverpackungen wird weitergehen. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Jung: Erstens wird sich hoffentlich die Einsicht durchsetzen, dass Kreislaufverpackungen aus Metall einen aktiven Beitrag zur Ressourcenschonung leisten. Und ich wünsche mir, dass die Getränkedose eine faire Chance bekommt, sich unabhängig entwickeln zu können, genauso wie andere Verpackungen auch.
Halle A1, Stand337
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