Startseite » Food » Food Design »

Stärkefreie Haferfaser

Getreideballaststoff mit multifunktionalem Nutzen
Stärkefreie Haferfaser

Stärkefreie Haferfaser
Abb. 1 Aus der Haferplanze wird der Vitacel-Getreideballaststoff hergestellt
Die Vitacel®-Haferfaser zeichnet sich durch einen hohen Ballaststoffgehalt, neutralen Geschmack und eine helle, leicht gelbe Farbe aus. Aufgrund dieser Eigenschaften eignet sich das Produkt sehr gut zur Ballaststoff-Anreicherung in Lebensmitteln. Die Vorteile von Vitacel werden vor allem im Vergleich zur herkömmlichen Haferkleie deutlich.

Dr. Bernhard Noll, Hartmut Bollinger

Die Ernährungsgewohnheiten der Menschen haben sich im Laufe seiner gesellschaftlichen Entwicklung ständig geändert. Erst haben Kriege die Grundlage für eine gesunde Ernährung zerstört, dann stand – als Reaktion darauf – das Sattwerden und Genießen im Vordergrund. Folge: Der berühmte Wohlstandsbauch kam zu Ehren. Wer dick war, galt als vermögend. In den 50er Jahren lebte dieses gesellschaftliche Bild, das schon im Mittelalter bekannt war, wieder auf. In den 60ern schalteten sich die Ärzte in die Ernährungsdiskussion ein und wiesen nach, daß Dicksein im Grunde ungesund ist. Fortan stand Ernährung im Zusammenhang mit Gesundheit und Krankheit, Übergewicht wurde als Risikofaktor Nummer eins für eine Vielzahl von Krankheiten erkannt.
Dennoch hielt die Genußwelle zwei Jahrzehnte an, Ende 1980 erreichte sie ihren Höhepunkt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) meldete sich zu Wort und veröffentlichte einen Ernährungsbericht [1]. Zwei wesentliche Aussagen dieses Berichts waren: Die Deutschen essen zu fett und nehmen im Rahmen ihrer täglichen Ernährung zu wenig Ballaststoffe auf.
Ballaststoffmangel führt zu Zivilisationskrankheiten
Von 1965 bis 1985 ist der Gesamtfettverbrauch um 26% gestiegen, die Ballaststoffzufuhr betrug nicht einmal 50% der empfohlenen Tagesmenge. Letztere liegt bei 30 g. Wesentliche Folgen dieser ungesunden Ernährungsweise waren eine erhebliche Zunahme von Herz-Kreislauf-Beschwerden, Obstipation und Diabetes sowie ein signifikanter Anstieg der Kosten für die Behandlung ernährungsbedingter Krankheiten.
Von 1984 bis 1994 ist – laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) – der Anteil der gesundheitsbewußten Verbraucher von 50 auf 65% gestiegen [2]. Die Studie „European Food and Drink Strategy“ des Marktforschungsinstituts Frost und Sullivan bestätigt nicht nur diese Ergebnisse, sondern stellt auch fest, daß die Verbraucher besser denn je über Ernährungsaspekte informiert sind. Schlagworte wie Novel and Functional Food sowie Nutraceuticals sind längst keine Fremdworte mehr für die Verbraucher. Zudem haben bei der Lebensmittelauswahl Faktoren wie Umwelt- und Gesundheitsfragen, die Zusammensetzung aber auch Imageaspekte an Bedeutung gewonnen. Gesundheitsfördernde Ernährung ist zum Lebensstil geworden. Natürliche Zutaten mit hoher ernährungspysiologischer Wertigkeit in Kombination mit dem nicht verzichtbaren geschmacklichen Genuß sind heute die Basis für den Erfolg von Lebensmitteln auf dem Markt.
Klassifizierung von Ballaststoffen
Nach deutscher und kontinental-europäischer Auffassung werden Ballaststoffe als Stoffe pflanzlicher Herkunft, die durch das körpereigene Enzymsystem im Dünndarm nicht in resorbierbare Komponenten abgebaut werden können, definiert. Gemäß britischer Definition gelten nur stärkefreie Zellwandbestandteile als dietary fibre, nicht verdauliche Oligosaccheride, Partialhydrolysate sowie resistente Stärke fallen somit nicht unter den Begriff Ballaststoffe.
In Hinblick auf ihre physiologischen Wirkungen, chemischen und physikalischen Merkmale ist es zweckmäßig, Ballaststoffe in mehere Substanzklassen einzuteilen (Tab. 1). Die moderne Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaft sieht in den Ballaststoffen bioaktive Bestandteile, die gleichwertig mit den Vitaminen und Mineralstoffen essentielle Nahrungsbestandteile sind.
Ernährungsphysiologische Funktionen der Ballaststoffe
Damit die Verdauung funktionieren kann, muß der Darm zunächst gut gefüllt sein. Dazu tragen die löslichen und unlöslichen Ballaststoffe auf unterschiedliche Weise bei. Die unlöslichen, dickdarmwirksamen Ballaststoffe erhöhen die Darmfüllung, verkürzen die Transitzeit und damit die Kontaktzeit von unerwünschten Substanzen im Speisebrei bzw. im Darminhalt mit der Darmschleimhaut. Durch ihr hohes Quellvermögen binden die Ballaststoffe ein Vielfaches des Eigengewichtes an Wasser. Ausreichende Flüssigkeitsaufnahme ist daher beim Verzehr ballaststoffreicher Nahrung wichtig, um die Konsistenz des Darminhaltes zu regulieren. Gleichwohl kommt es durch die Bindung von Wasser zu einer Viskositätserhöhung des Speisebreis. Diese wird sowohl durch lösliche als auch unlösliche Ballaststoffe im Magen und Darm bewirkt. Durch die Viskositätserhöhung verringert sich die Kontakthäufigkeit der im Darminhalt befindlichen Substanzen mit der resorbierenden Darmschleimhaut. Des weiteren verzögert sich die Resorptionsgeschwindigkeit. Dadurch wird der Anstieg des Blutglucosegehaltes abgeflacht und es kommt zu einer verringerten Ausschüttung von Insulin, was vor allem für Diabetiker von Bedeutung ist.
Sowohl lösliche als auch unlösliche Ballaststoffe tragen zur Reduzierung der Energiedichte bei – ein wichtiger Umstand in bezug auf Ernährungsempfehlungen zur Gewichtsreduktion.
Kennzeichnung von Ballaststoffen
Ein Zusammenhang besteht zwischen der Aufstellung bzw. Anwendung von Standards und Ernährungsempfehlungen sowie der Kennzeichnung von Lebensmitteln.
Laut einer Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollte der Mensch pro Tag 23 g unlösliche und 7 g lösliche Ballaststoffe zu sich nehmen. Diese Mindestmenge von insgesamt 30 g Ballaststoffen ist etwa in 330 g Roggenvollkornbrot, ca. 1 kg Möhren oder in ca. 1 kg Äpfeln enthalten.
Für die Kennzeichnung von Ballaststoffen gibt es drei Möglichkeiten:
• Kennzeichnung der Ballaststoffe in g/ 100 g zusammen mit Brenntwert, Eiweiß, Kohlenhydraten, davon Zucker, Fett, davon gesättigte Fettsäuren und Natrium,
• Kennzeichnung „verminderter Brennwert“, für Brot gelten unter 200 kcal/100 g oder 840 kJ/100 g,
• Kennzeichnung „verminderter Nährstoffgehalt“, für Brot und andere Backwaren muß der Gehalt an Kohlenhydraten durch Ballaststoffe und Wasser um 30 % geringer als bei konventionellen Produkten sein.
Vitacel-Haferfaser
Die Vitacel®-Haferfaser ist ein Ballaststoff, der den Wünschen der Lebensmittelindustrie nach multifunktionalem Nutzen und guter Einsatzfähigkeit voll entspricht. Durch einen hohen Ballaststoffgehalt, absolut neutralem Geschmack und heller, leicht gelber Farbe können Anreicherungen von Lebensmitteln vorgenommen werden, die in keinster Weise sensorische Veränderungen zur Folge haben.
Der Gesamtballaststoffgehalt der Vitacel-Haferfaser beträgt mindestens 90%. In Abhängigkeit von der Verarbeitungsweise schwankt der Anteil an löslichen Ballaststoffen wie ß-Glucan oder löslicher Hemicellulose zwischen 3 und 10%. Unter den maximal 10% metabolisierbaren Anteilen befinden sich Proteine, Lipide und Glucane. Die Haferfaser ist praktisch stärkefrei.
Wesentlich im Vergleich zur Haferspelzspeisekleie ist die Verwendung von Haferschalen als Ausgangsrohstoff. Diese Haferschalen werden jedoch nicht wie bei der Herstellung von Haferspeisekleie (oat bran) bzw. Haferspelzspeisekleie lediglich einer Vermahlung unterworfen. Vielmehr werden sie in einem aufwendigen und schonenden thermophysikalischen Verfahren bearbeitet, um so die wertbestimmenden Ballaststofffraktionen in konzentrierter und aufgereinigter Form zu erhalten. In Tabelle 2 sind die wesentlichen Eigenschaften der Haferfaser im Vergleich zur Haferkleie dargestellt. Ein wesentlicher Vorteil der schonenden Herstellung von Vitacel ist, daß der Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen wie Eisen, Zink, Kalium und Selen weitgehend erhalten bleibt.
Die Eigenschaften der Vitacel-Haferfaser lassen sich auf die jeweiligen Produktanforderungen anpassen. Das steigert die Pro-duktqualität und beeinflußt zudem die Kosten positiv. So kann beispielsweise die Faserstruktur schon während des Bearbeitungsprozesses der Haferschalen zielgerichtet durch die Variation des Drucks des überhitzten Wasserdampfs beeinflußt werden. Über den Einsatz unterschiedlicher Mahltechniken kann man die Rieselfähigkeit der Haferfaser aber auch deren Fähigkeit zur Wasseraufnahme bzw. Ölabsorption festgelegen. Feinstvermahlene Haferfasern mit einer Korngröße von ca. 20 bis 30 µm verzögern ein rasches Sedimentieren in Getränken und zeigen sehr gute sensorische Eigenschaften. Die aufgefaserte Struktur und die geringe Faserlänge sorgen für ein sehr gutes Mundgefühl, das mit der üblichen Haferkleie nicht zu erzielen ist.
Auch der Anteil löslicher Ballaststoffe läßt sich durch spezielle Bearbeitungsschritte, beispielsweise durch das Hydrothermal-Verfahren oder Extrusion erhöhen.
Lebensmittelrechtliche Aspekte
Die bislang in Deutschland praktizierte abstrakte Betrachtungsweise – einmal Ballaststoff ist immer Ballaststoff – wird möglicherweise innerhalb der EU-Global-Richtlinie in dieser Form keinen Bestand haben können. Gegenwärtig diskutieren die Fachleute, wie in Zukunft die Verwendung von Ballaststoffen und sonstigen Zutaten mit ernährungspysiologischen und funktionellen Eigenschaften lebensmittelrechtlich geregelt werden kann. Die Global-Richtlinie der EU sieht vor, daß eine Zutat in bezug auf ihre Verwendung einzustufen ist. Dient ein Ballaststoff wie die Vitacel-Haferfaser bei entsprechender Dosierung vorwiegend zur Ballaststoffanreicherung, wird er als E-nummerfreie Zutat und somit als Lebensmittel bewertet. Erfolgt der Einsatz des Ballaststoffs unter funktionellen Gesichtspunkten, beispielsweise zur Wasserbindung oder Texturverbesserung, wird er konsequent als Zusatzstoff betrachtet.
Weitere Informationen dei 204
Schrifttum
[1] Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., Ernährungsbericht 1984
[2] Nationale Verzehrstudie, GfK Marktforschung, 1991
[3] Gebhardt, E., Ballaststoffe – wichtige Komponente in Backwaren, Die Mühle+Mischfuttertechnik, Heft 9, S. 279-283, 1997, Moritz Schäfer, Detmold
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de