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Temperaturfeldanalyse in Strömungen

Mit Flüssigkristallen Fluidbewegungen visualisieren
Temperaturfeldanalyse in Strömungen

Flüssigkristalle haben sich in den letzten Jahren als Anzeigemedium bewährt. Neuerdings haben sie zunehmend als Temperaturfeldindikator für Oberflächen und Flüssigkeitsströmungen mit Temperaturverteilung Bedeutung gewonnen. Mit Hilfe der Temperaturfeldanalyse lassen sich Isothermen sichtbar machen und analysieren.

Günter Wozniak, Thomas Richter, Klaus Wozniak

Die Messung von ausgedehnten Temperaturfeldern stellt noch immer ein anspruchsvolles und aufwendiges Meßproblem dar. Bei einer naiven Vorgehensweise würde man das zu vermessende Temperaturfeld, beispielsweise die Oberfläche eines unter thermischer Belastung stehenden Bauteils, mit einem Array von Sensoren bestücken und durch Messung jeder einzelnen Sensortemperatur die Temperaturverteilung rekonstruieren. Der extreme Aufwand einer solchen Methode liegt auf der Hand. Ähnlich gelagert ist das Problem bei der Temperaturfeldmessung in Fluidströmungen mit Temperaturverteilung. Bei diesen Meßaufgaben bieten Flüssigkristalle oftmals eine relativ einfache Alternative, die Temperaturverteilung auf einer Festkörperoberfläche oder in einer Fluidströmung zu visualisieren.
Flüssige Kristalle rund 100 Jahre alt
Technische Anwendungen für Flüssigkristalle, die in einem Arbeitstemperaturbereich von -30 bis 250 °C erhältlich sind, gibt es erst seit den siebziger Jahren. Das anhaltende Interesse an diesem Forschungsgebiet wurde 1991 durch die Verleihung des Physiknobelpreises an den Franzosen Pierre-Gilles de Gennes bestätigt, der ein Modell zur Beschreibung von Flüssigkristallen entwickelt hatte [1].
Das Besondere an Flüssigkristallen ist ihre Stellung zwischen fester und flüssiger Form der Materie. Die Plätze der Moleküle sind in einigen Richtungen durch ein bestimmtes Regelmaß festgelegt, in anderen sind sie beweglich. Flüssigkristalle haben daher bemerkenswerte optische Eigenschaften. Bei einigen Flüssigkristalltypen hängt die Farberscheinung von der elektrischen Feldstärke oder der Temperatur ab (Abb. 1). Werden Flüssigkristalle beispielsweise mit weißem Licht bestrahlt, so ändert sich die von ihnen reflektierte Wellenlänge in Abhängigkeit der Temperatur (Abb. 2).
Flüssigkristalle sprechen schon bei geringer elektrischer Leistung innerhalb weniger Millisekunden an. Dadurch kann beispielsweise die Oberflächentemperatur von Turbinenschaufeln in Triebwerken anhand der temperaturabhängigen Farben mit einer Auflösung von bis zu 0,1 °C gemessen werden.
Strömungstemperatur und -geschwindigkeit gleichzeitig messen
Um Geschwindigkeitsfelder in einer Strömung zu messen, wird das Prinzip der Teilchenverfolgung genutzt. Dazu werden Feststoffe als äußerst kleine Markierungsteilchen (sogenannte Tracer) im Strömungsfluid fein dispergiert. Mit einer Kamera können die Bewegungen anschließend verfolgt werden. Das Verfahren ist unter dem Namen Partice-Image-Velocimetry bekannt [2, 3, 4]. Will man nun neben den Fluidgeschwindigkeiten gleichzeitig das Temperaturfeld der Strömung erfassen, werden die Tracerteilchen durch Flüssigkristalle (Durchmesser ca. 10 mm) ersetzt. Die Tracerbewegungen liefern nun die Strömungsgeschwindigkeiten und die Tracerfarben die Temperaturverteilung.
Marangoni-Konvektion bestimmen
Das im folgenden beschriebene Beispiel illustriert die Methode. Der Versuch behandelt eine durch Temperaturunterschiede generierte wärmeübertragende Strömung in einer Flüssigkeitskammer (Testfluid Silikonöl). Diese sogenannte Marangoni-Konvektion (Abbildung 3) wird durch Oberflächenspannungsdifferenzen an einer Blase induziert. Die Spannungsdifferenzen werden ihrerseits durch einen vertikal nach oben gerichteten Temperaturanstieg erzeugt, da die Oberflächenspannung mit steigender Temperatur abnimmt.
Der relativ simple Aufbau des Experiments ist schematisch in Abbildung 4 dargestellt. Als Weißlichtquelle dient eine Xenon-Bogenlampe. Der Lichtstrahl durchläuft zunächst einen Infrarotfilter und passiert dann eine Kombination aus den optischen Komponenten konvergente Linse, Zylinderlinse und Schlitzblende, die aus dem ursprünglich kreisförmigen Strahl ein fast zweidimensionales Lichtband formt. Dieses durchläuft die Meßkammer und beleuchtet die in der Mittelebene befindlichen Tracerteilchen. Mit einer zur Beleuchtungsebene senkrecht stehenden Kamera kann nun der Strömungsvorgang bzw. die Farb- und damit die Temperaturverteilung aufgenommen werden. Abbildung 5 zeigt das Ergebnis des Marangoni-Experiments. Die Konvektionswirbel wurden mit einer Fotokamera aufgenommen, die Isothermen bzw. Geschwindigkeiten aus der Tracerverteilung bestimmt.
Dreidimensionale Aufnahme möglich
Die gleichzeitige Messung von Strömungsgeschwindigkeiten und Temperaturverteilungen mit Hilfe von Flüssigkristallen eignet sich besonders für Modellversuche. Bei Untersuchungen nach ähnlichkeitstheoretischen Gesichtspunkten werden üblicherweise verkleinerte Anlagen benutzt, wobei die durchströmten Querschnitte relativ gering sind. Hier bietet sich der Einsatz von Flüssigkristallen an, da herkömmliche Sensoren oder Fühler zu einer erheblichen Beeinflussung der Strömung und somit zu einer Verfälschung der Meßergebnisse führen können. Unter Einsatz mehrerer digitaler Kameras ist es sogar möglich, dreidimensionale Temperatur- und Geschwindigkeitsfelder aufzunehmen. Der Meßaufwand wird dann allerdings beträchtlich. Aber nicht nur für quantitative Meßaufgaben bieten sich Flüssigkristalle an. Oftmals ist es schon äußerst hilfreich, einen qualitativen Überblick hinsichtlich der Temperaturverteilung (und/oder Fluidgeschwindigkeitsverteilung) zu gewinnen oder nur grobe Tendenzen festzustellen.
Weitere Informationen cav-260
Schrifttum
[1] De Gennes, P.-G.; Prost, J.: The Physics of Liquid Crystals, 2nd ed. New York: Oxford University Press, 1993
[2] Merzkirch, W.: Flow Visualization. Second Edition. Academic Press, 1987
[3] Wozniak, K.; Wozniak, G.; Rösgen, T.: Partice-image-velocimetry applied to thermocapillary convection. Exp. Fluids 19, S. 12-16, 1990
[4] Rösgen, T.; Wozniak, K.; Wozniak, G.: Image Processing for Laser Speckle Velocimetry Using the Two-dimensional Fast Fourier Transform. Applied Optics, 29, S. 5298-5302, 1990
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