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Edle Tröpfchen

Düsen und Injektionslanzen im Einsatz bei Rauchgasentstickungsanlagen
Edle Tröpfchen

Um den strengen Anforderungen der Luftreinhaltung gerecht zu werden, wurden für die Rauchgasentstickung das SNCR- und SCR-Verfahren entwickelt. Als wichtiger Bestandteil der beiden Prozesse sind Injektionslanzen zur definierten Einbringung des Reduktionsmittels notwendig. Je nach Anwendung unterscheiden sich diese in der konstruktiven und verfahrenstechnischen Ausführung.

Uwe Weiß

Das SNCR-Verfahren basiert auf der Einbringung eines Reduktionsmittels in den heißen Abgasstrom, über das ein selektiver NO-Abbau herbeigeführt wird. Die wichtigste reaktive Komponente ist Ammoniak. In der Praxis liegt hier das Temperaturfenster zwischen +850 und +1100 °C. Die maximal erreichbare NOx-Minderungsrate wird dadurch begrenzt, dass sich nur bedingt Stellen im Prozess finden lassen, an denen Reduktionsmittel bei einer optimalen Temperatur von +950 °C zugegeben werden kann. Außerdem ist die Gasverweilzeit im für die Reaktion optimalen Temperaturfenster sehr kurz. Je mehr Reduktionsmittel zugegeben wird, desto unvollständiger erfolgt seine Umsetzung. Nicht umgesetztes Reaktionsmittel wird in Form von NH3 aus dem Hochtemperaturbereich des Prozesses ausgetragen. In der Regel sind hierbei große Abgasquerschnitte homogen mit dem Reduktionsmittel abzudecken. Niedrige Investitionskosten, direkte Eindüsung im Kessel und eine schnelle Nachrüstung sprechen für diese Technologie.
Beim SCR-Verfahren wird ebenfalls das Reduktionsmittel in den Rauchgasstrom eingedüst, was bewirkt, dass sich die Stickoxide mithilfe eines Katalysators in Stickstoff (N2) und Wasser (H2O) umwandeln. Die für die Reduktion notwendige Flüssigkeitsmenge wird dem Rauchgas vor Eintritt in den Reaktor zugemischt, worauf die Rauchgase gleichmäßig über den Querschnitt verteilt mehrere Katalysatorlagen durchströmen. Das Eindüsen erfolgt mittlerweile in Temperaturbereichen von +200 bis ca. +500 °C. Bei schlechter Vorverteilung des Reduktionsmittels werden ein oder mehrere statische Mischer vor dem Eintritt in das Katalysatorgehäuse gesetzt.
Ein Vorteil des SCR-Verfahrens gegenüber dem SNCR-Verfahren ist, dass höhere Entstickungsgrade mit minimalem NH3- Schlupf möglich sind. Bei hohen Entstickungsraten ist die katalytische SCR-Technologie dem SNCR-Verfahren überlegen.
Im Regelfall wird 25%iges Ammoniakwasser oder 40%ige Harnstofflösung eingesetzt. Heutzutage wird immer häufiger eine im Umgang wesentlich einfachere wässrige Harnstofflösung anstelle von Ammoniak verwendet. Der farblose, geruchsfreie, ungiftige und biologisch unbedenkliche Harnstoff ist problemlos bei Transport und Lagerung. Der Harnstoff neigt jedoch beim Zerstäuben innerhalb der Düse zum Auskristallisieren, weshalb ein störungsfreier Betrieb nicht von jeder Zerstäuberdüse erreicht wird.
Zerstäubungstechnik
Die Zerstäubungstechnik ist eine Disziplin der mechanischen Verfahrenstechnik und beschäftigt sich mit der Zerteilung von Flüssigkeiten oder Dispersionen in feine Tropfen. Ziel dabei ist häufig eine starke Vergrößerung der freien Oberfläche, um Stoff- oder Wärmeaustauschvorgänge zu begünstigen. Ein ideales Spray besteht nur aus Tropfen mit gleich großem Durchmesser, man spricht dann von einem monodispersen Spray. Ein Tropfenkollektiv mit gleich großen Einzeltropfen lässt sich in Hinblick auf die Gesamtoberfläche einfach berechnen, wohingegen Tropfenkollektive mit einer breiteren Tropfengrößenverteilung allenfalls näherungsweise zu berechnen sind. Ein rein monodisperses Spray wird jedoch sehr selten erreicht. Realistisch sind dagegen Sprays mit einer engen Tropfengrößenverteilung. Da die Tropfengröße jedoch nur einen Teilaspekt zur Bewertung einer Düse darstellt, ist es entscheidend, weitere maßgebliche Kriterien in die Beurteilung einzubeziehen. Hierfür verwendet Schlick ein dynamisches Tropfenmessgerät (Dual-PDA=Phasen-Doppler-Anemometrie). Die Auswertung eines Sprays beinhaltet Tropfengröße, Tropfengeschwindigkeit und Volumenstromdichte. Der Streukegel der Düse wird nun durch dieses Messvolumen, programmgesteuert über eine Traversiereinrichtung, in zwei Achsen bewegt. Der einzelne Tropfen verändert nun den Laserstrahl bzgl. seiner Richtung, diese Änderung wird von der Empfangsoptik registriert und im Prozessor ausgewertet. Durch Detailinformation des Tropfenschwarmes und Laborversuche in Simulationskanälen wurden entsprechende Zerstäuberdüsen entwickelt, die eine optimale Durchmischung mit der notwendigen Prozesssicherheit erreichen.
Injektionslanzen
Aufgrund der hohen Temperaturen und der Korrosionsbeständigkeit werden beim SNCR-Verfahren die Düsenvorderteile aus hitzebeständigem Edelstahl ausgeführt. Im Dauerbetrieb an Luft bis ca. +1150 °C, bei Temperaturwechsel bis ca. +1000 °C einsetzbar. Standardmäßig wird hier ein gerades Lanzensystem mit Rohr-in-Rohr-Technik verwendet. Durch diese Maßnahme wird eine Vorverdampfung in der Zuführungseinheit und somit eine undefinierte Dosierung des Reduktionsmittels verhindert. Für die Standzeiterhöhung der Nozzle-Tips wird ein zusätzliches Schutzrohr, das mit Schleierluft im Niederdruckbereich beaufschlagt wird, empfohlen. Die Einbringung des Fluids erfolgt quer zur Strömungsrichtung des Abgases. Deshalb ist hier die Sprühstrahlformierung für eine optimale Durchmischung des Reduktionsmittels mit dem Abgasstrom zwingend erforderlich. Die erforderlichen Flüssigkeitsmengen können bis zu 1500 l/h betragen. Bei einer schlechten Durchdringung sinkt der Wirkungsgrad der gewünschten NOx-Reduktion bzw. der Verbrauch der Flüssigkeit steigt an. Große Kanalabmessungen (z. B. 5 x 2 m), hohe Geschwindigkeiten, wechselnde Abgasmengen und turbulente Strömungen erfordern Injektionslanzen, die mittlere Tropfengrößen im Bereich von 40 bis 60 Mikrometer erzeugen und dieses Tropfenkollektiv großflächig in der Reaktionskammer verteilen. Durch Verwendung der Zweistoffdüsentechnik übernimmt ein Trägergas den Tropfenzerfall (in der Regel Luft), das mit Schallgeschwindigkeit am Düsenaustritt das Reaktionsmittel zerstäubt und somit die austretende Flüssigkeitslamelle beschleunigt.
Man unterscheidet nach dem Ort des Zusammentreffens der Flüssigkeit und des Gases generell zwischen Innen- und Außenmischung. Der Austrittskegel der Zweistoffdüse mit externer Mischung kann zwischen 10 und 40° eingestellt werden. Beide Stoffe werden getrennt der Mündung zugeführt und treffen erst außerhalb der Düse aufeinander. Durch die getrennte Zuführung ist diese Düsentechnologie wesentlich verstopfungsunempfindlicher als Druckdüsen oder Zweistoffdüsen mit Innenmischung.
Die Zweistoffdüse mit Flachstrahlcharakteristik verteilt das Reduktionsmittel gleichmäßig und großflächig im Abgaskanal. Durch eine konstruktive Verstellmöglichkeit (Düsenachse 360° drehbar) können Zonen mit NOx-Spitzen durch eine höhere Beladung des Fluides beaufschlagt werden.
Alle NOx-Lanzen sind mit demontierbaren Nozzle-Tips ausgeführt und können bei Verschleißerscheinungen getauscht werden. Des Weiteren kann durch Austausch die Sprühstrahlformierung verändert werden.
Wegen der niedrigeren Temperaturen kommen beim SCR-Verfahren abgewinkelte NOx-Lanzen aus temperatur- und säurefestem Edelstahl zum Einsatz. Die Zerstäubungsluft schützt hierbei das zu dosierende Reduktionsmittel. Die Einbringung erfolgt im Gleichstrom zur Strömungsrichtung des Abgases.
Zweistoffdüsen
Zweistoffdüsen mit externer Mischung sind für Dosiermengen von 1 bis 200 l/h geeignet. Die hohe Austrittsgeschwindigkeit der Spraywolke erfordert lange Verdampfungsstrecken. Durch den kleinen Zerstäubungswinkel ist ein Einsatz bis zu einer Rohrleitung DN 600 sinnvoll.
Der Austausch der Luftkappe durch die patentierte Innenmischluftkappe von Schlick reduziert die Tropfengeschwindigkeit auf ca. 45 %. Die Austauschfläche zwischen Abgas und Flüssigkeit steigt um den Faktor 2 bis 2,5 an. Bei der innenmischenden Schlick-Zweistoffdüse tritt die Flüssigkeit ebenfalls aus einer zentrischen Bohrung aus, diesmal jedoch in eine Mischkammer. Ein in der Mischkammer befindlicher Kegel bewirkt das Verteilen des zentral auf die Kegelspitze treffenden Flüssigkeitsstrahles zu einem Film, der von der gedrallten Zerstäubungsluft in einzelne Tropfen zerrissen wird. Die Flanken dieser Kegelkontur laufen in den Düsenbohrungen der Luftkappe aus. Die Bohrungen sind entsprechend der Kegelsteigung geneigt, Flüssigkeitsreste werden somit definiert ausgeblasen, die beaufschlagte Oberfläche ist größer. Der Leistungsbereich der SCR-Injektionslanzen beginnt ab 10 bis 800 l/h.
Grundlegendes Konzept der Entwicklung war die Änderung der Geometrie der Innenmischzone. Ziel war es, insbesondere unter Vermeidung von verstopfungsanfälligen Einbauten, eine intensivere Durchmischung von Zerstäubungsluft und Flüssigkeit zu erreichen. Dadurch ist es möglich, den Luftbedarf der Düse bei gleichbleibender Tropfengröße zu reduzieren und damit die Durchschlagskraft des Sprühstrahles zu reduzieren. Parallel wurde durch die Anordnung der Bohrungen der Sprühwinkel stark vergrößert. In der Regel wird diese Technologie bis zu einer Rohrleitung DN 1000 eingesetzt.
Mehrfachkopf
Größere Kanaldurchmesser (ab DN 1000) werden mit einem Lanzensystem nur im Zentrum mit dem Reduktionsmittel beaufschlagt. Die erzeugte Tropfengeschwindigkeit der innenmischenden Zweistoffdüse ist zu gering, um den Außenbereich des Abgaskanales zu erreichen. Der Multiple-Nozzle Head ist bestückt mit Zweistoffdüsen externer Mischung. Durch die Erhöhung der Tropfengeschwindigkeit wird eine homogenere Durchmischung zwischen den beiden Reaktionspartnern erzielt. Der Austrittskegel jeder Einzeldüse beträgt 30°.
Durch Veränderung der Winkelstellung und der Düsenanzahl wird die Injektionslanze auf die erforderliche Kanalabmessung ausgelegt. Der Durchsatz beginnt ab einer Flüssigkeitsbeladung von 200 l/h. In der Praxis liegt derzeit der Maximaldurchsatz bei 1000 l/h. Größere Durchsätze sind aber technisch realisierbar.
Durch fallabhängige Auslegung, unter Berücksichtigung der entscheidenden technischen und wirtschaftlichen Einflussgrößen, werden die Injektionslanzen individuell an den vorhandenen Gegebenheiten angepasst.
cav 402

Düsen von Schlick
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