Chemie im Alltag begegnet jedem von uns in einer Vielzahl von Stoffen, die bislang nicht gründlich auf Gefahren für Mensch und Umwelt geprüft wurden. Die Zunahme von allergischen Erkrankungen lässt ein Unbehagen bei Verbrauchern über die Ursachen entstehen. Mit der neuen Chemikalienverordnung Reach soll das jetzt anders werden. Welche Auswirkungen die Verordnung für Hersteller, Importeure und Anwender hat, zeigen einige Praxisbeispiele.
Dr. Cornelia Boberski
Die Chemikalienverordnung Reach ist in allen EU-Staaten seit 1. Juni 2007 Gesetz. Ohne Übergangsfrist gelten bereits die vorgeschriebenen Informationspflichten (beschrieben unter Titel IV „Informationen in der Lieferkette“ der Reach-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006). Die Hersteller und Importeure sind für die Sicherheit ihrer Produkte verantwortlich und nicht die Behörde. Sie können die Vermarktung ihrer Produkte nur über eine Registrierung oder Zulassung bei der Europäischen Chemikalien Agentur (EChA) in Helsinki sicherstellen. Der Hersteller muss seine Produkte so gestalten, dass sie sicher verwendbar über den gesamten Produktlebensweg sind. Alle Firmen, die Chemikalien weiter einsetzen, müssen sich um die Verwendung kümmern und sicherstellen, dass von dort kein Risiko für Mensch und Umwelt ausgeht. In Zukunft wird der Einkauf keine Substanz bestellen, sondern einen Stoff für seine spezifische Anwendung.
Bis Mitte 2008 soll die EChA die Arbeit aufnehmen. Ab jetzt greifen die Fristen für die betroffenen Unternehmen. Es ist genau festgelegt, wer was bis wann registrieren muss, welche Stoffe ausgenommen sind und welche Übergangs- und Ausnahmeregelungen – abhängig von den jährlich hergestellten Mengen – existieren. Was Reach allerdings wirklich bedeutet, zeigen einige Praxisbeispiele.
Fallbeispiele
Beispielhaft werden im Folgenden einige Situationen beschrieben, die die Betroffenheit von Firmen unterschiedlicher Branchen aufzeigen.
Für die Anwender von Chemikalien, den so genannten „nachgeschalteten Anwendern“ gibt es eine gravierende Herausforderung: Wird ein Stoff anders eingesetzt als vom Hersteller vorgesehen, dann muss dies genehmigt werden. Wenn eine Firma einen Klebstoff für Plastikteile dafür benutzt um Papier zu verbinden, dann ist dies ohne Prüfung unter Reach illegal. Diese Firma muss einen Hersteller finden, der diese Verwendung in seinem Sicherheitsdatenblatt beschrieben hat.
Die gefährlichen Produkte an sich werden also nicht verboten, sondern es wird eine Verwendung mit den notwendigen Risiken reduzierenden Maßnahmen (z. B. Absaugung) vorgeschrieben, die ein mögliches Risiko für Mensch und Umwelt mindert oder gar ganz ausschließt. Zum Beispiel wird ein Chrommetallpulver, das in einem geschlossenen Produktionssystem eingesetzt wird, keine Gefahren bei der Verarbeitung bergen. Dagegen werden für Stoffe, die häufig im Alltag in Kinderhände kommen können, ganz andere Anforderungen erhoben. Als Beispiel seien hier Weichmacher genannt, die für die Verwendung in Kinderspielzeug verboten sind.
Sicherlich werden viele Firmen, die bisher billige Überseeware beziehen, noch einige Überraschungen erleben, welche Verpflichtungen als Importeure auf sie zukommen. Auch die Importeure von Erzeugnissen werden ab jetzt darauf achten müssen, ob in den Erzeugnissen gefährliche Stoffe von mehr als 0,1 % enthalten sind.
Die Arzneimittel- und Lebensmittelhersteller unterliegen bereits umfangreichen Anforderungen aus den Verordnungen zu Arzneimitteln und Lebensmitteln sowie Lebensmittelzusatzstoffen, daher müssen die Stoffe, die zur Herstellung von Arzneimitteln und Lebensmitteln bereits ausgeprüft wurden, nicht unter Reach registriert werden. Allerdings muss dennoch ein Unternehmen aus dieser Branche sicherstellen, dass z. B. die Prozesshilfsmittel oder die eingesetzten Desinfektionsmittel tatsächlich für die jeweilige Verwendung freigegeben sind, denn diese Anwendungen sind von Reach betroffen. An diesem Beispiel wird nochmals deutlich, dass nicht nur der Stoff als solcher betrachtet wird, sondern die Verwendung. Dies ist eine wesentliche Neuerung zum alten Chemikalienrecht.
Welche Blüten Reach hervorbringt, zeigt sich am Beispiel von Kupferdraht. Beim Import ist derzeit noch nicht klar definiert, ob dies ein Erzeugnis oder eine besondere Zubereitung ist. Wird Kupferdraht als Zubereitung eingestuft, dann muss z. B. der Hersteller außerhalb der EU die Verwendung dieses Stoffes beim Hersteller des Kupferdrahtes registrieren lassen. Damit wird das Unternehmen, das den Draht einführt, zu einem registrierungspflichtigen Importeur. Wird der Kupferdraht als Erzeugnis eingestuft, dann unterliegt er keiner Registrierungspflicht – was allerdings den innerhalb der EU ansässigen Produzenten nicht besonders gefallen wird, weil sie damit einen Wettbewerbsnachteil befürchten müssen.
Die Sicherheit im Umgang mit Stoffen wird zunehmen, wenn Gefahrenpotenziale erkannt und eliminiert werden. Tatsächlich nimmt die Schadstoffbelastung für manche Gefahrenstoffe seit den 1970er-Jahren ab. Grund dafür sind z. B. der Baustopp von Asbest oder die Reduzierung der Verwendung von stark krebserregenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, wie sie früher in Klebern eingesetzt wurden. Diese Erkenntnisse geben Grund genug, um nicht vor der Masse der zu erhebenden Daten und der komplexen Vorgehensweise zu kapitulieren. Die Bürokratie ist mit einer guten frühzeitigen Vorbereitung auf Reach in einem effektiven Projektmanagement zu bewältigen. Bei Nichteinhaltung der Vorschriften drohen empfindliche Strafen und Haftungsrisiken für die Unternehmen. Die Handlungsfähigkeit einer Firma wird gesichert, indem die Rohstoffverfügbarkeit geprüft und bereits jetzt mit wichtigen Lieferanten und Kunden in Kontakt getreten wird, um das gemeinsame Vorgehen abzugleichen. Für die Unternehmen kann Reach zu einer Chance werden, um frühzeitig innovative Produkte oder Lösungen für kritische Anwendungen zu entwickeln. Nur so kann Reach zu dem führen, was es leisten soll: Das Ersetzen von sehr bedenklichen Substanzen durch unbedenkliche Stoffe, um unser aller Sicherheit zu erhöhen.
Dienstleistungen rund um Reach cav 481
Handbuch Reach cav 482
Dienstleistungen rund um Reach
Expertenverbund Reach-Net
Umweltfirmen-Datenbank UMFIS
Handbuch Reach
Reach-Handbuch
Die neue Chemikalienverordnung hat weit reichende Folgen für den Betrieb. Zukünftig sind – auch in Zubereitungen und Erzeugnissen – nur noch registrierte Stoffe erlaubt und Stoffeigenschaften, -anwendungen und Schutzmaßnahmen exakt zu dokumentieren. Was genau getan werden muss, hängt davon ab, unter welche in Reach definierte Gruppe – Hersteller, Importeur, nachgeschalteter Anwender oder Händler – der Betrieb fällt. Laut Reach können einem Unternehmen auch mehrere Rollen zufallen, z. B. als Anwender und Hersteller. Wie man seine Rolle(n) sicher bestimmt, welche Auswirkungen Reach auf das Unternehmen hat und wie die neuen Pflichten am besten umgesetzt werden, zeigt jetzt das neue Reach-Handbuch: Leitfäden, Checklisten und Dokumente zur praktischen Umsetzung der neuen Chemikalienverordnung.
Das Reach-Handbuch ist im Forum Verlag für 148 Euro zzgl. Versandkosten erhältlich.
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