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Optimale Bedingungen für die richtigen Bakterien

Technikumsanlage simuliert Beckenbiologie des Klärwerks
Optimale Bedingungen für die richtigen Bakterien

Auf der Ifat 2016 in München stellte Currenta aktuelle Entwicklungen aus dem Umweltbereich vor. Dazu gehörte auch eine Miniaturkläranlage im Maßstab 1:45 000 für Technikumsversuche. Mit bis zu 2 m hohen Plexiglasbecken und -zylindern wurde die Beckenbiologie des Gemeinschaftsklärwerks Leverkusen maßstabsgetreu nachgebaut. In der Technikumsanlage wurden bereits gemeinsam mit der Universität Duisburg-Essen Versuchsreihen gefahren und praxistaugliche Maßnahmen entwickelt, um das Klärwerk des Chempark Leverkusen vor dem Wachstum unerwünschter Bakterien und der Bildung von Bläh- und Schwimmschlamm zu schützen.

Currenta verantwortet im Chempark die komplette Entsorgung aller klärpflichtigen Abwässer. Die Kläranlagen sind für die Abwasserbehandlung eines breiten Produktspektrums insbesondere aus der chemischen Produktion ausgelegt. Die Abwässer werden dabei chemisch, physikalisch und biologisch behandelt, bevor sie wieder ins Gewässer eingeleitet werden. Insbesondere die Bakterien sind dabei nützliche Helfer. Sie bauen die Reststoffe ab, die nicht herausgefiltert werden können. Um die Bakterienkulturen zu schonen und die Anlage so sicher und effizient wie möglich zu betreiben, ist eine vorausschauende Fahrweise der Abwasserentsorgungsanlage nötig. Hierfür werden zahlreiche Messgeräte und verschiedene Analysemethoden eingesetzt, um möglichst zeitnah über die Betriebszustände der in der Regel weitläufigen Anlagen informiert zu sein, und bei Bedarf Optimierungen an den Verfahrensparametern durchführen zu können.

Gläserne Minikläranlage
Solche Optimierungen müssen zunächst im Labor getestet werden, bevor eine Umsetzung in der Großanlage erfolgen kann. Allerdings ist der Schritt vom Labor in die Anlage sehr groß. Currenta hat nun mit einer neuen Technikumsanlage im Gemeinschaftsklärwerk Leverkusen den Schritt von der Prozessoptimierung bis zur Realisierung in der betrieblichen Praxis kleiner und damit sicherer gemacht. Die Auswirkungen auf die Beckenbiologie zeigen sich in dem Modell deutlich schneller als im Original und können leicht beobachtet und analysiert werden. Die Kunststoffwerkstatt der Tectrion GmbH hat einen Teil der Kläranlage des Chempark Leverkusen im Maßstab 1:45 000 aus Plexiglas nachgebaut. Die Versuchsanlage ist über eine Rohrleitung mit dem Gemeinschaftsklärwerk verbunden. Das Abwasser aus den Kommunen und den Betrieben des Chempark wird im Verhältnis 1:45 000 abgezweigt und in die Technikumsanlage geleitet. In diesem Teilstrom können Parameter wie Temperatur oder Zugabe von Fällungsmitteln geändert werden. Eine zweite, baugleiche Einheit wird parallel als Referenzanlage betrieben. Sie bildet den aktuellen Zustand im Gemeinschaftsklärwerk direkt ab. Aus den Ergebnissen werden Verbesserungsmaßnahmen für die Großanlage abgeleitet. Die Minikläranlage soll für alle anstehenden Prozessänderungen genutzt werden. Aktuell wurden in der Technikumsanlage gemeinsam mit der Universität Duisburg-Essen Versuchsreihen gefahren, um die Bildung von Schwimmschlamm zu verhindern. Dazu wurden Eisensalze und polymere Flockungsmittel in den kommunalen Zulauf gegeben. Neben Phosphaten konnten so auch langkettige Fettsäuren und kommunaler Primärschlamm, die die Grundlage für fädige Bakterien bilden, gut abgetrennt werden.
Schwimmschlamm und seine Folgen
Die unkontrollierte Bildung von Schwimm- und Blähschlamm kann die Prozesse einer Kläranlage massiv negativ beeinflussen. Die Bakterienmassen können eine Anlage überwuchern und so die händische Probennahme erschweren, während im gleichen Zeitraum festinstallierte Analysengeräte verstopfen. Des Weiteren kommt es durch Schwimm- und Blähschlamm zu Schlammabtrieb aus den Nachklärbecken, was zu erhöhten Ablaufwerten sowie Biomasseverlust führt. Beides verringert die Reinigungsleistung. Um die Kläranlagen im Chempark vor solchen Zuständen zu schützen, sind Currenta, die Ineos Köln GmbH und die Universität Duisburg-Essen gemeinsam den Ursachen der Schaum- und Schwimmschlammbildung auf den Grund gegangen. Im Rahmen eines wissenschaftlichen Kooperationsprojektes ermittelten die Partner sowohl die Bakterien, die für die Schaumbildung in dem Leverkusener Gemeinschaftsklärwerk (GKW) und der Kläranlage K 31 im Chempark Dormagen verantwortlich sind, als auch mögliche wachstumshemmende Faktoren für diese Spezies.
Fadenförmige Bakterien als Verursacher
Hauptursache für das Auftreten von Schaum- und Schwimmschlamm ist in den betrachteten Kläranlagen ein vermehrtes Wachstum fadenförmiger Bakterien. Durch Kristallviolettfärbung zeigten die beteiligten Wissenschaftler, wie die Fäden aus Schlammflocken herauswachsen und eine Verbrückung zwischen diesen bewirken. Dies führt zu voluminösen Schlammflockengebilden mit geringen Absetzgeschwindigkeiten. Mithilfe von Gensonden konnte im GKW das fadenförmige Bakterium Microthrix parvicella identifiziert werden, in Dormagen war Thiotrix spp. das dominante Bakterium. Weitere fadenförmige Bakterien und deren Zuordnung nach Stämmen wurde durch DNA-Sequenzierung nach dem Illumina-Verfahren ermöglicht.
Die Sequenzierung erlaubt auch quantitative Aussagen zum Wachstum von Bakterienpopulationen. So lassen sich einzelne Betriebsparameter als wachstumsfördernd oder hemmend identifizieren. Für Microthrix sind im GKW die Fracht an langkettigen, ungesättigten Fettsäuren aus dem kommunalen Abwasser, der Volumenstrom sowie das Schlammalter von entscheidender Bedeutung, wobei die Fettsäuren eine dominante Rolle spielen.
Eine konkrete Lösung zur Bekämpfung des Schwimmschlammes ist es, Fettsäuren aus dem kommunalen Abwasser durch Fällung und Flockung zu entfernen und gemeinsam mit dem kommunalen Primärschlamm abzutrennen. Dazu werden Eisensalze und polymere Flockungshilfsmittel eingesetzt. Diese Lösungen wurden in einer Laboranlage erfolgreich getestet. Die Versuche in der Technikumsanlage haben die Laborversuche bestätigt. Im nächsten Schritt stehen Großversuche an.
Monitoring-Tools auf dem Prüfstand
Um den Zuwachs an fadenförmigen Bakterien zukünftig frühzeitig zu erkennen und gegensteuern zu können, wird ein weiteres, rasch und zuverlässig arbeitendes Analysentool benötigt. In Kooperation mit der FH Mannheim wurde ein In-situ-Mikroskop erprobt, dass, ausgestattet mit einem effizienten Algorithmus, jede Sekunde ein Bild hinsichtlich Anzahl und Länge der Fäden auswerten kann. Zurzeit entwickeln die Forscher eine Software zur automatischen Verarbeitung und Überprüfung der Bildinformationen. Die in-situ-Mikroskopie wird nach erfolgreichen Vorarbeiten ebenfalls in der Pilotkläranlage des Technikums eingesetzt, die die Klärprozesse im Maßstab 1:45 000 zeitnah abbildet.

Daniela Held
Redakteurin, cav chemie anlagen verfahren
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