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PC-basiert genau dosiert

Kleinkomponentendosierung in der Folienproduktion
PC-basiert genau dosiert

Auch an die Verpackung ihrer Produkte stellt die Pharmaindustrie höchste Qualitätsansprüche, und sie verlangt für diese Qualität immer häufiger einen lückenlosen Nachweis. Im Bereich der Kleinkomponentendosierung erfüllt die Pharma Division eines europäischen Folienherstellers diese Anforderungen neuerdings mit einem PC-basierten Steuerungssystem, das neben einer Software-SPS auch weite Teile der Programm- und Datenverwaltung integriert.

Thorsten Buchta

Arzneimittel sind sensible Produkte, die durch geeignete Verpackungen oft über längere Zeiträume hinweg sicher vor Umwelteinflüssen geschützt werden müssen. Zu den typischen Anforderungen an die hierfür eingesetzten Mono- oder Verbundfolien – für Durchdrückpackungen, Ampullenblister oder Suppositorienverpackungen – zählen Wasserdampfsperre und Gasundurchlässigkeit, sowie Aromaschutz bzw. Geschmacks- und Geruchsneutralität. Darüber hinaus sind gute Optik, Haptik und natürlich Weiterverarbeitbarkeit gefragt. Das präzise Eigenschaftsprofil wird meist durch Zugabe spezieller Additive individuell eingestellt.
Einer der großen europäischen Hersteller von PVC-Folien für die pharmazeutische Industrie ist die nach ISO 9001 zertifizierte EVC Rigid Film GmbH mit ihrem Werk in Bötzingen am Kaiserstuhl. Rund 80% der Fertigung sind Blisterfolien für Tablettenverpackungen. Spezielle Reckfolien runden das Angebot ab. Die Pharma Division der EVC (European Vinyls Corporation) beschäftigt derzeit rund 280 Mitarbeiter und produziert in Bötzingen auf fünf modernen Kalandern und einer Beschichtungsanlage. Als europaweit erstes Unternehmen stellt EVC Rigid Film sowohl Mono- als auch Mehrschichtfolien an einem Standort her.
Mischen im Großen und Kleinen
Aus zentralen Großsilos werden fünf Mischstraßen mit den Hauptkomponenten für die unterschiedlichen PVC-Grundmischungen versorgt. So entstehen 200 oder 400 kg schwere Chargen für die Folienproduktion. Diesen wird zu einem in der Rezeptur definierten Zeitpunkt eine Mischung verschiedener Kleinkomponenten zugegeben, wie Farbpigmente, Titandioxid, Verarbeitungshilfen oder Schlupfmittel, die auf wenige Gramm genau verwogen und dosiert werden müssen. Denn die Zusammensetzung einer Charge ist entscheidend für die konstante Qualität der Mischung und damit für Farbtreue, Festigkeit, Formbeständigkeit, Oberflächengüte und weitere Eigenschaften des Endprodukts.
Diese Kleinkomponenten werden separat dosiert, um die an der Gesamtcharge anteilsmäßig geringen Mengen mit den erforderlichen engen Toleranzen verwiegen zu können. Dafür gibt es bei EVC schon seit mehreren Jahren neben Systemen für die Großmengen eine eigenständige Kleinkomponenten-Dosieranlage. Diese besteht aus einem umlaufenden System von Mischbehältern, die mit Folienbeuteln bestückt zwölf in Reihe angeordnete Dosier/Wägestationen durchlaufen und dabei aus kleineren Silos exakt befüllt werden.
Seit Mitte 2002 ist die Ersatzteilversorgung der in die Jahre gekommenen Wägetechnik an der Kleinkomponenten-Dosieranlage nicht mehr gewährleistet. Zudem forderten die Endabnehmer aus der Pharmaindustrie die Etikettierung und Nachverfolgung jedes einzelnen Mischungsbeutels, was EVC gleich mit einer weiteren Automatisierung und Vereinfachung der Abläufe verbinden wollte: Die Rezepturen sollten aus einer zentralen Datenbank ausgelesen und an die Kleinkomponenten-Dosiersteuerung übertragen werden, während diese ihrerseits die dosierten Mengen automatisch wieder an das System zurückmeldet.
Mit der Planung und Umsetzung beauftragte EVC die Contec GmbH Automation-Technologie aus Meckenbeuren. Das überwiegend aus Ingenieuren für Elektro- und Verfahrenstechnik bestehende Dienstleistungsunternehmen hat sich in den letzten fünf Jahren Kernkompetenzen vor allem in den Bereichen pneumatische Fördertechnik, Verwiegen und Dosieren, Prüfstandstechnik und bei CNC-Applikationen erarbeitet. Aus dieser Erfahrung heraus sind bereits mehrere eigene Produkte entstanden, darunter ein Batchpaket (Dosierbaustein) für Ein- bzw. Mehrkomponentendosiersteuerungen. Dieser Dosierbaustein ist für Flüssigstoffe und Schüttgüter und bei der Differentialdosiertechnik für exaktes kontinuierliches Dosieren geeignet. Außerdem entwickelten die Meckenbeurer Ingenieure eine Softwareerweiterung für präzises Mehrachsenpositionieren mit Steuerungen aus der Simatic-S7-Familie von Siemens.
Durchgängig modernisiert
Grundlegende Neuerung im Automatisierungsverbund der Kleinkomponenten-Dosieranlage bei EVC ist ein vor Ort installierter Steuerungs-PC mit einer Software-SPS Simatic WinAC Basis von Siemens. Als reine Soft-SPS ermöglicht diese eine wirtschaftliche Umsetzung nicht deterministischer Prozesse in Verbindung mit datenintensiven und umfangreichen PC-Aufgaben. Die damit erreichbaren Befehlslaufzeiten liegen bei 0,8 µs für Binärbefehle und 1,2 µs bei Gleitpunktberechnungen, was für die Kleinkomponentendosierung bei EVC mehr als ausreichend ist.
Die Soft-SPS steht hierbei über Profibus DP in Verbindung mit zwei ebenfalls neuen kompakten Verwiegesteuerungen aus der Familie Simatic S7–300 für je drei zweikanalige Wägeindikatoren Siwarex U. Die ehemalige Steuerung wird weiterhin genutzt. Sie wurde in ihrer Funktion auf die Koordinierung der dezentralen Motoren, Sensoren und Aktoren spezialisiert und ist nahtlos in das Gesamtkonzept eingebunden. Zum Bedienen des manuellen Betriebs und zum Beobachten des Behälter/Beutelumlaufs dienen Multi Panel Simatic MP370 bzw. ein Push Button Panel Simatic PP17 für den Notbetrieb. Abgerundet wird die neue Lösung durch einen Etikettendrucker, womit EVC die Forderung der Pharmaindustrie nach durchgängiger Dokumentation erfüllt.
„Der neue Steuerungs-PC mit Soft-SPS,“ so Ludwig Gütle, verantwortlich für Engineering-Aufgaben bei EVC, „integriert jetzt die Aufgaben des alten Dosierrechners und die Funktionen der bisherigen SPS-Software. Er sichert außerdem die einfache Anbindung an den übergeordneten Koordinator-PC, der wiederum mit unserem zentralen PPS-Host für Auftragsverwaltung und Materialbestandshaltung sowie mit dem Report-PC in Verbindung steht.“ Damit sind übergeordnete Aufgaben – wie die Langzeitarchivierung der Produktionsdaten über bis zu 10 Jahre – von lokalen Aufgaben entkoppelt.
Abläufe, Ergebnisse und Transparenz optimiert
Neben der Soft-SPS WinAC Basis sorgen auf dem Steuerungs-PC an der Kleinkomponenten-Dosieranlage mehrere spezialisierte Softwaremodule für reibungslose Abläufe und konstant gute Dosierergebnisse. Frontend für den Bediener ist das Modul MAWCtrl (Mischanweisungssteuerung), über das bis zu zehn Mischanweisungen (Rezepturen) aus der Oracle-Datenbank des Koordinator-PC abgerufen, editiert und verwaltet werden können. Das in der Sprache C++ programmierte Modul fungiert als OPC-Client und bereitet die Rezepturdaten so auf, dass der OPC-Server (OLE for Process Control) der Soft-SPS sie verarbeiten und den Durchlauf der Mischbehälter durch die Dosier-/Wägestationen über Taktförderer, Rollenbänder und Gurtförderer präzise koordinieren kann.
Darüber hinaus gibt die Soft-SPS WinAC über Profibus DP den beiden Verwiegesteuerungen die Soll-Daten für alle zwölf Wägestationen vor, nimmt die tatsächlich dosierten Ist-Mengen entgegen und bilanziert diese im Hintergrund, um sie schließlich über den Koordinator-PC zurück an den PPS-Host bzw. an den Report-PC zu senden. Der Bearbeitungsstand wird am Monitor des Steuerungs-PCs visualisiert. Am Multi Panel MP370 kann der Behältertransport beobachtet und über das Push Button Panel PP17 in den manuellen Betrieb umgeschaltet werden.
Software-SPS mit Vorteilen
„Der Einsatz der PC-basierten und reinen Software-Lösung WinAC Basis bot sich hier an, weil PC-Funktionalität vor Ort gefragt und der Steuerungsaufwand überschaubar war,“ erläutert Contec-Geschäftsführer Dipl.-Ing. Günter Tiefensee. „Die Durchgängigkeit und Code-Kompatibilität innerhalb der Simatic-S7-Welt war von vornherein gegeben, so dass sich vorhandene Programmteile der bisherigen Hardwarebasis einfach und problemlos übernehmen ließen.“ Alle erforderlichen Softwarebausteine konnten in eigener Regie entwickelt und aufeinander abgestimmt werden. WinAC ist auf praktisch allen marktüblichen PCs unter Windows NT oder 2000, und in der neuesten Version auch unter XP ablauffähig, stellt also keine erhöhten Anforderungen an die Rechnerhardware.
Der Zeitrahmen für die Implementierung war eng begrenzt, da die Produktion nicht beliebig lang unterbrochen oder auf Handbetrieb umgestellt werden konnte. „Dabei kam allen Beteiligten zugute, dass die neuen Abläufe ohne zusätzliche Hardware vollständig im Büro entwickelt und intensiv ausgetestet werden konnten,“ unterstreicht Dipl.-Ing. Jörg Preusch, ehemals Mitarbeiter von Contec, jetzt Ingenieurbüro Preusch, Tettnang, und auf die C++-Programmierung der Applikation spezialisiert. Knapp sechs Wochen dauerte das Engineering. Die Integration in die vorhandene Anlage und die Inbetriebnahme, einschließlich der Einbindung eines neuen Koordinator-PCs, gingen in weniger als zwei Wochen über die Bühne.
„Bediener und Werksleitung bei EVC haben unsere PC-basierte Lösung für die Kleinkomponentendosierung durchweg positiv aufgenommen,“ sagt Günter Tiefensee und wird von Ludwig Gütle bestätigt: „Die Abläufe sind komfortabler, transparenter und damit letztlich auch effizienter geworden.“
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