Startseite » Chemie » Energie (Chemie) »

Transparenz ist der Schlüssel zum Erfolg

Offene Unternehmensgrenzen beim Thema Energieeffizienz
Transparenz ist der Schlüssel zum Erfolg

Im Chemiepark Leuna leuchten jede Nacht tausende Lichter an den bis zu 80 m hohen Kolonnen. Die hier angesiedelte Raffinerie verarbeitet jährlich 11 Mio. t Öl, wobei ein Teil der Produkte von den auf dem 1300 ha großen Areal des Parks angesiedelten Unternehmen weiterverarbeitet wird. Eine gewaltiger Stoff- und Energiefluss, bei dem es reichlich Potenzial für das große Thema Effizienz gibt. Im Chemiepark Leuna wurde daher eines der ersten Energieeffizienznetzwerke gegründet.

Seit der Privatisierung Mitte der 1990er Jahre ist fast der gesamte Komplex im Chemiewerk Leuna für rund 6 Mrd. Euro neu entstanden. Auch wenn hier ein hochmodernes Unternehmensnetzwerk aufgebaut wurde, Energie wird noch immer in gewaltigen Mengen benötigt. „Wir verbrauchen heute so viel Strom wie 60 % aller Haushalte des Bundeslandes Sachsen-Anhalt zusammen“, rechnet Christof Günther, Geschäftsführer der Standortgesellschaft Infraleuna, vor. Das Unternehmen ist seit gut 20 Jahren für die Vorhaltung der gesamten Infrastruktur, Verkehrsabwicklung – und für die Energieversorgung zuständig. „Wir sind daher das Zentrum eines riesigen Netzwerks, bei dem es vor allem auf Effizienz ankommt, natürlich immer unter Aspekten wie Versorgungssicherheit und Kosten“, charakterisiert Christof Günther seinen Job.

Der Druck dabei ist enorm: Weil die Energiekosten in der Chemie rund ein Drittel der Gesamtkosten ausmachen, herrscht auch von dieser Seite ein globaler Verdrängungswettbewerb. Die Kosten für Strom für verbrauchsintensive Unternehmen am Chemiestandort Leuna sind aber heute, anders als noch vor drei, vier Jahren, global wettbewerbsfähig.
Nationales Programm
Als Anfang 2015 das nationale Programm zur Energieeffizienz aus der Taufe gehoben und zur Gründung von Netzwerken aufgefordert wurde, war Infraleuna sofort mit dabei: „Ich habe umgehend bei unseren Unternehmen angefragt und überall offene Türen vorgefunden“, berichtet der Infraleuna-Chef. Dadurch konnte sich das Netzwerk aus insgesamt 15 Unternehmen schnell konstituieren, als eines der ersten bundesweit. „Erfahrungsaustausch“, der Kernpunkt eines solchen Netzwerkes, hört sich zunächst simpel an. Es kostet nicht viel, man trifft sich, lernt ein wenig die Probleme und Projekte der Nachbarn kennen. Doch soll daraus ein wirklicher Nutzen entstehen, müssen die konkreten Probleme und die Lösungsansätze auf den Tisch.
Doch gerade in der Industrie gilt es, einige Vorbehalte und Hürden zu überwinden. Martin Naundorf, der bei Infraleuna für das Effizienznetzwerk verantwortlich ist, weiß wovon er redet: „Die Unternehmen müssen letztlich, wenn das Netzwerk sinnvolle Ergebnisse bringen soll, sehr vertrauensvoll und offen miteinander umgehen“, berichtet er. Inzwischen, nach den ersten Treffen, sei er überrascht, dass das offenbar problemlos funktioniert: Auf der fachlichen Ebene, die durch die jeweils von den Unternehmen benannten festen Koordinatoren des Netzwerkes verläuft, wird inzwischen alles auf den Tisch gelegt, was zum Thema dazugehört. „Manchmal sind sogar Einzelheiten dabei, die wir nicht ins Protokoll schreiben können, die aber im Gespräch offen behandelt werden.“
Die Gründe für diese Transparenz liegen zum einen in der räumlichen Nähe der Unternehmen, die auf dem Areal von der Größe einer Kleinstadt schon lange miteinander zusammen arbeiten. Zum anderen sind es auch persönliche Kontakte zwischen den Geschäftsführern und Niederlassungsleitern oder den jeweiligen Energiebeauftragten, die sich herausgebildet haben. Man ist miteinander verbunden, auch ganz physisch, weil hier nicht nur Rohre und Kabel, die Werkfeuerwehr oder die externe Sicherheit als Gemeinschaftsaufgabe angesehen werden, sondern auch viele direkte Produktbeziehungen funktionieren. Gerade haben die Total-Raffinerie und Domo ein gemeinsames neues Investment verkündet. Die Linde AG, die hier das größte Zentrum für technische Gase Europas betreibt, liefert in Leuna an ein gutes Dutzend Abnehmer Sauer-, Stick- und Wasserstoff. Andere nutzen das erzeugte Methanol, Propylen oder Naphtha, das aus dem Öl hergestellt wird.
Mögliche Interessenskonflikte sind allerdings zu beachten: Etwa, wenn der Raffineriebetreiber Total hier im lokalen Netzwerk mit anderen großen Playern spricht, die an anderen Standorten Konkurrenten sind. Oder, wenn Mittelständler mit Konzernen auf Augenhöhe diskutieren sollen. „Das ist nicht ganz einfach. Aber in Leuna haben wir die nötige solide Vertrauensbasis, darum werden wir es schaffen.“, sagt Naundorf.
Umsetzung in der Raffinerie
Manfred Wagner ist in der Total-Raffinerie der Netzwerkgesandte, und er sieht die Probleme ähnlich – aber ist ebenfalls zuversichtlich, dass sich die etwa alle halben Jahre stattfindenden Klausuren für alle Partner lohnen. Rund 7 % des angelieferten Öls werden in der Raffinerie heute nach den aktuellen Umweltstandards für den eigenen Produktionsprozess energetisch umgesetzt. Ein Großteil des in der Raffinerie Leuna benötigten Stroms und Prozessdampfs wird in dem von Steag gefahrenen Kraftwerk aus Stoffströmen der Raffinerie generiert. Auch kommen dem Raffineriegas für die Prozessöfen sowie anfallende Koksanteile in einer komplexen Wärmeintegration die tragenden Rollen zu.
Mitte der 90er Jahre, als die Anlagen schrittweise in Betrieb gingen, lag der spezifische Energieverbrauch noch deutlich höher, berichtet Wagner. Seit 2011 ist Total in Leuna zudem nach ISO 50001 zertifiziert – verbunden mit der Verpflichtung, die Energieeffizienz kontinuierlich und nachhaltig zu verbessern. „Wir haben damals alle Mitarbeiter und Kooperationspartner aufgerufen, Ideen einzubringen. Rund 60 Einzelmaßnahmen konnten schließlich in Angriff genommen werden, 46 davon sind bereits realisiert, zwölf weitere sind fest geplant“, sagt Wagner.
Meist werden solche größeren Eingriffe während der turnusmäßigen Shut-downs alle drei oder sechs Jahre in Angriff genommen, wenn die Hauptausrüstungen ohnehin inspiziert, gewartet und Bauteile erneuert werden. 179 GWh Primärenergieeinsparung stehen allein für das Jahr 2015 zu Buche, mehr, als manches Unternehmen im Chemiepark im Jahr insgesamt verbraucht. Wenn bis 2020 die Projekte abgeschlossen sind, soll ein energetisches Äquivalent von rund 20 000 t Rohöl jährlich eingespart werden.
Vorteile für kleinere Unternehmen
Die Beteiligung am Effizienznetzwerk lohnt sich sowohl für die großen Unternehmen als auch für die kleinen. „Wir haben keinen Augenblick gezögert uns zu beteiligen“, sagt Klaus-Peter Kalk, der bei Leuna-Harze GmbH für das Energiemanagement verantwortlich zeichnet. Die chemischen Prozesse im Unternehmen seien enorm energieaufwendig, 53 GWh beträgt der Jahresverbrauch zurzeit. „Wir optimieren natürlich ständig, ein solcher Kostenblock ist immer im Fokus. Aber es besteht auch die Gefahr der Betriebsblindheit“, berichtet der Energieexperte. Und selbst wenn die Lösungen anderer Unternehmen keineswegs einfach übertragbar sind oder die Ideen aus dem Hochschulbereich mitunter an den Zwängen der praktischen Realisierbarkeit scheitern, so sei der Blick über den eigenen Tellerrand doch wichtig. „Das ist fast so etwas wie Schwarmintelligenz, die man damit schaffen kann“, fasst Klaus-Peter Kalk zusammen.
Auch hier geht es nicht so sehr um die großen Projekte, die zwar aufgrund des stofflichen Verbunds und der gemeinsam über die Infraleuna organisierten Energieversorgung nicht isoliert in den Unternehmen in Angriff genommen werden – die es aber auch ohne das Netzwerk gäbe. Bei der Leuna-Harze wird beispielsweise die entstehende Wärme in einer Abwasseraufbereitungsanlage durch den Einbau von Rekuperatoren besser als vorher genutzt. Das bis zu 240 °C heiße Abwasser – durch den Druck von 54 bar ist es flüssig – wird durch eine Gegenstromanlage bis auf etwa 80 °C gekühlt, die Prozesswärme also nicht mehr wie zuvor über das Dach entsorgt, sondern in den Prozess zurückgeführt. „Wir haben aber auch bereits eine konkrete Anregung aus dem Netzwerk bekommen“, sagt Kalk und nennt hier die Erfahrungen etwa von Total bei der Umrüstung der technischen Anlagenbeleuchtung auf LED-Technik. Dass diese stromsparende Beleuchtung auch unter den hier herrschenden extremen Sicherheitsanforderungen inzwischen praxisreif ist und in der Raffinerie bereits erste Erfahrungen gesammelt werden, soll nun auch schrittweise bei Leuna-Harze umgesetzt werden. Die Außenbeleuchtung in einer Chemieanlage ist durchaus ein intensiver Verbraucher. Rund 1 % lasse sich durch die Umstellung beim Stromverbrauch einsparen. „Wenn wir beispielsweise die Steuerung von Kompressoren optimieren, geht es um größere Mengen“, sagt Kalk. Allerdings sind dann auch die Investitionen deutlich höher – sie werden in der Regel nur durchgeführt, wenn Anlagen generell erneuert oder modernisiert werden.

Manfred Schulze
Freier Journalist
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de