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Pflanzliche Öle für die chemische Industrie

Integrierte Bioproduktion
Pflanzliche Öle für die chemische Industrie

Angesichts der Endlichkeit fossiler Ressourcen gewinnen nachwachsende Rohstoffe wie Pflanzen, Stroh, Holz oder Mikroalgen immer mehr an Bedeutung. Ressourcenverknappung, Treibhauseffekt und das Streben nach nachhaltiger Entwicklung haben das Interesse an Rohstoffen pflanzlicher Herkunft in Forschung und Industrie wieder neu geweckt, wie ein Projekt mit insgesamt 14 Partnern unter der Federführung des Fraunhofer IGB zeigt.

Autoren Sandra Torkler1, Fabian Haitz2, Susanne Zibek3, Katja Patzsch1, Thomas Hirth2,3 1Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP, 2Universität Stuttgart, 3Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB

Zur effizienten und effektiven stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe müssen neue und skalierbare Verfahren entwickelt und vom Labor in industriell relevante Größenordnungen übertragen werden. Im Rahmen des Förderkonzepts „Nachwachsende Rohstoffe“ wurde 2009 das Verbundprojekt „Integrierte chemisch-biotechnologische Herstellung von Synthesebausteinen auf Basis nachwachsender Rohstoffe in einer Bioraffinerie“ unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Hirth und Dr.-Ing. Susanne Zibek mit einer Gesamtprojektdauer von fünf Jahren gestartet. Im Fokus stand die durchgängige Entwicklung von Prozessen und Verfahren zur Nutzung pflanzlicher Öle vom Labor- bis zum Produktionsmaßstab in einer Bioraffinerie. Die betrachteten Produkte wie Polymere, grenzflächenaktive Substanzen, Flockungsmittel und Bioschmierstoffe sind über eine gemeinsame Rohstoffbasis und -aufbereitung miteinander verbunden. Für diese sollten unter Betrachtung der gesamten Prozesskette durch chemische, biologische und verfahrenstechnische FuE-Arbeiten in den Bereichen Rohstoffaufbereitung, Katalysatorentwicklung, Konversion und Produktaufarbeitung Prozess-innovationen erarbeitet werden, die eine Steigerung des Anteils nachwachsender Rohstoffe an der Wertschöpfung in der chemischen Industrie und eine Integration in die chemische Verbundproduktion erlauben. Diese Ansätze wurden durch einen Forschungsverbund aus Industrie, Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstituten in Zusammenarbeit mit einem integrierten Chemieverbundstandort unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB umgesetzt. Als Rohstoffquelle waren für dieses Projekt insbesondere heimische, pflanzliche Öle von Interesse, die nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelindustrie stehen, wie z. B. Öle aus Drachenkopf (Bild 1), Holunderkern, Krambe und Senf. Da pflanzliche Öle in der Zusammensetzung der enthaltenen Fettsäuren variieren, ergeben sich bei den gewonnenen Basisprodukten wie Fettsäuren, Fettalkoholen und Estern verschiedene physikalische Eigenschaften, die zu unterschiedlichen Anwendungsfeldern führen.
Fermentative Herstellung
Das Fraunhofer IGB (FKZ 22027407) beschäftigte sich innerhalb des Verbundprojekts unter anderem intensiv mit der fermentativen Herstellung von langkettigen Dicarbonsäuren sowie der chemo-enzymatischen Epoxidierung, bei der Produkte mit unterschiedlicher Polarität und Reaktivität erzeugt werden. Die so hergestellten Triglyzerid- oder Fettsäure-Epoxide können unter anderem als PVC-Stabilisatoren, Weichmacher, Crosslinker in Pulverbeschichtungen, in Pflanzenölepoxid-basierten Harzen oder als Zusätze in Schmierölen eingesetzt werden. Wesentliche Vorteile der chemo-enzymatischen Methode sind im Vergleich zur chemischen Epoxidierung die milderen Prozessbedingungen, eine höhere Selektivität der Umsetzung und das Vermeiden von unerwünschten Ringöffnungsreaktionen. Durch die Optimierung unterschiedlicher Prozessparameter konnten verschiedenste pflanzliche Öle (u. a. Krambe-, Senföl-, Drachenkopf-, Sonnenblumen- und Leinsamenöl) sowie ungesättigte Fettsäuren und deren Ester (z. B. Ölsäure) mit einer immobilisierten Lipase zu 100 % zu den korrespondierenden Epoxiden umgesetzt werden. In Bild 2 ist beispielhaft die Epoxidierung von Senföl anhand einer dünnschichtchromatografischen Analyse (DC) gezeigt. Triglyzeride mit erhöhtem Epoxidgehalt sind dadurch gekennzeichnet, dass sie auf der DC weniger weit laufen und damit im unteren Bereich zu finden sind. Auf Basis dieser Ergebnisse konnte erfolgreich eine Maßstabvergrößerung bis 10 l durchgeführt werden, die wichtige Daten für einen weiteren Scale-up liefert.
Produktion im Technikum
Das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP (FKZ 22010112) stellte für das Projekt in der 2. Förderphase den Schnittpunkt zwischen anwendungsbezogener Forschung und Untersuchung der Machbarkeit in industriell relevanten Maßstäben dar. Durch die vorhandenen Technikumsanlagen sind Entwicklungen von biotechnologischen und chemischen Prozessen zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe bis in produktrelevante Dimensionen möglich. Das Fraunhofer CBP verfügt dabei über modulare Prozesskapazitäten bis 10 m3 und verschiedenste Aufbereitungs- und Aufarbeitungstechniken (Bild 3).
Innerhalb des Konsortiums wurden einige Verfahrensrouten ausgewählt und deren Skalierung und Entwicklung im Technikumsmaßstab vorangetrieben. Dadurch wurde gewährleistet, dass alle Erfahrungen aus der 1. Förderphase in die geplante Skalierung der einzelnen Prozesse mit einbezogen werden. Zu den Prozessen, welche für die Skalierung am CBP interessant und technisch umsetzbar waren, zählten unter anderem die fermentative Herstellung ausgewählter Lipasen sowie die enzymatische Veresterung von pflanzlichen Ölen unter Einsatz der produzierten Lipase als Katalysator.
Fermentation im 1-m3-Maßstab
Für die fermentative Herstellung ausgewählter Lipasen wurden in Zusammenarbeit mit einzelnen Projektpartnern verschiedene Expressionssysteme für eine Lipase konstruiert und in Screeningversuchen ein geeigneter Produktionsstamm ausgewählt. Da für das Scale-up der enzymatischen Veresterung größere Mengen der Lipase benötigt wurden, erfolgte neben der Übertragung der im Labormaßstab etablierten rekombinanten Produktionsprozesse an das Fraunhofer CBP auch eine Maßstabvergrößerung. Die Fermentationsprozesse konnten erfolgreich bis in den 1-m3-Maßstab aufskaliert werden. Die im Labor entwickelten Aufarbeitungstechniken ließen sich nicht problemlos auf den technischen Maßstab übertragen und erforderten deshalb eine Optimierung. Es ist notwendig, schon bei der Entwicklung von Produktionsprozessen im Labor auf die Umsetzbarkeit im Technikums- bzw. Pilotmaßstab zu achten. Zwar ist dadurch die Prozessoptimierung im kleinen Maßstab eingeschränkt, jedoch ist die Übertragung in industriell relevante Größenordnungen nicht nur leichter und schneller, sondern auch kostengünstiger zu realisieren. Trotz der Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung konnten die benötigten größeren Mengen an Enzym für das Scale-up der enzymatischen Veresterung bereitgestellt werden. Die produzierten Lipasen wurden weiterhin zur Untersuchung der Konservierung sowie für Immobilisierungsversuche eingesetzt.
Es erfolgte weiterhin eine Maßstabvergrößerung der enzymatischen Veresterung von Ölsäure mit Oleylalkohol bis 10 l unter Verwendung einer sprühgetrockneten Lipase, die in Vorversuchen eine gute Syntheseleistung (Esterbildung) zeigte. Die Reaktion konnte lösemittelfrei durchgeführt werden und erhöht somit hinsichtlich der Sicherheitsaspekte sowie der Wirtschaftlichkeit das Potenzial für eine mögliche industrielle Anwendung. Die dabei entstehenden Emollient-Ester sind wertvolle Vorprodukte für hautpflegende Kosmetika wie etwa Cremes und Bodylotions. Ölsäuremethylester aus der Veresterung mit Methanol können z. B. als Ausgangsstoff für die Synthese eines umweltverträglichen Schmierstoffes aus erneuerbaren Ressourcen eingesetzt werden. Im Vergleich zum chemischen Produktionsverfahren überzeugt die biotechnologische Variante durch außergewöhnlich gute Selektivität, milde Reaktionsbedingungen und hohe Produktreinheit. Daraus resultieren energiesparende Prozesse, wobei gleichzeitig die Bildung umweltbelastender Verunreinigungen reduziert wird.
prozesstechnik-online.de/cav0215###
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