Startseite » Food » Food Design »

Nano in Lebensmitteln

Offener Dialog über Chancen und Risiken ist gefordert
Nano in Lebensmitteln

Die Nanotechnologie steht kurz davor, unsere Nahrungsmittel, deren Verpackung und Gebrauch zu revolutionieren. Derweil bläst der Lebensmittelindustrie ein harscher Wind ins Gesicht. Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat aufgrund der Zwischenbilanz des Nano-Dialogs für den Lebensmittelsektor ein Nano-Moratorium gefordert.

Lars Feldmann

Es ist gar nicht so einfach, einem Laien zu erklären, was Nanotechnologie ist. Denn Nanotechnologie ist keine einzelne Technologie, sondern umfasst verschiedenste Techniken und Materialien, die auf der Größenordnung der Bausteine biologischer und synthetischer Materialien agieren. Aufgrund ihrer Winzigkeit verändern Nano-Teilchen ihre Materialeigenschaften gegenüber größeren Partikeln derselben Stoffklasse. Der Grundmechanismus der Eigenschaftsänderung von Nano-Partikeln ist die Vergrößerung der Oberfläche. Dadurch erhöht sich die Reaktivität einer Substanz im nanoskaligen Bereich. Unlösliche Enzyme können in Nanogröße plötzlich wasserlöslich sein, ungiftige Stoffe zeigen als Nano-Partikel toxikologische Effekte, mechanische Eigenschaften, Farben, Leitfähigkeit etc. von Teilchen ändern sich.
Nano-Verkapselung
Ein neuer Einsatzbereich von Nanotechnologie in der Lebensmittelproduktion ist die Nano-Verkapselung. Wirkstoffe wie Vitamine, Fettsäuren, Isoflavone, Carotinoide, Phytosterine und weitere aktive Subs-tanzen lassen sich in nanogroße Kapseln einschließen. Dasselbe ist möglich mit Konservierungsstoffen wie Benzoesäure und Sorbinsäure. Diese Nano-Kapseln (Nanoröhren wie die Carbon-Nano-tubes oder Kapseln als Aggregate amphiphiler Moleküle, sogenannte Mizellen) in der Größenordnung von vielleicht 30 bis 50 nm sind äußerst robust. Die Mizellen der deutschen Firma NovaSOL beispielsweise sind thermisch, mechanisch und gegenüber pH-Wertänderungen stabil. Sie trotzen auch der Magensäure, sodass Wirkstoffe unbeschädigt an jeden beliebigen Bestimmungsort im Körper transportiert werden können. Die kleine Größe der Mizellen erlaubt die Überwindung biologischer Schranken, beispielsweise der Magenwand, und erhöht somit die Bioverfügbarkeit der Subs-tanzen.
Amphiphile Mizellen (äußere Seite wasserlöslich, Innenseite fettlöslich) ermöglichen es, bislang wasserunlösliche Lebensmittelzusätze wasserlöslich zu machen. Das eröffnet den Lebensmitteltechnikern und auch den Köchen eine undenkbare Zahl neuer Produktrezeptierungen:
  • Wasser-Öl-Gemisch für Saucen?
  • Eine Vinaigrette ohne vorheriges Verrühren?
  • Geruchlose Omega-3-Fettsäuren in Backmischungen?
Aus technologischer Sicht sind hier dank Nano-Verkapselung keine Probleme zu erwarten.
Einsatz in Verpackungen
Die Berührungspunkte der Verpackungsindustrie mit Nanotechnologie sind vielfältig. So schätzen die Berater von Helmut Kaiser Consultancy, dass im nächsten Jahrzehnt bereits etwa 25 % aller Lebensmittelverpackungen Nano-Materialien beinhalten. Schutz vor UV-Strahlen bietet beispielsweise Nano-Titandioxid in einer Kunststoffmatrix (Light Stabilizer von DuPont), Nano-Silziumdioxid wirkt als Sauerstoff-Barriere in Verpackungsfolien (Verpackungsfolie Durethan KU 2–2601 von Bayer).
Dank ihrer Kleinheit lassen sich antimikrobielle Nano-Partikel (insbesondere Nano-Silber, Nano-Zinkoxid oder Nano-Chlordioxid) homogen in Kunststoffe integrieren. Somit wird das Verpackungsmaterial selbst aktiv und schützt – z.B. als Nano-Frischhaltebox – vor bakterieller Verderbnis der Ware. Nach dem gleichen Prinzip lassen sich Oberflächen im Küchenalltag antibakteriell veredeln. Samsung verkauft seit einigen Jahren einen antibakteriellen Nano-Silber-Kühlschrank.
Und die Nano-Zukunft…
Aktuell wird an der Verbindung von Nano-Chips und der RFID-Technologie gearbeitet. Sind diese Systeme bereit für den Einsatz, dann lassen sich Analysedaten eines Produktes an jedes beliebige Endgerät, beispielsweise auf ein Handy weiterleiten. So erfährt der Verbraucher in Zukunft vielleicht per Handyknopfdruck, ob der Lachs im Kühlregal wirklich ein Bio-Lachs ist, tatsächlich aus Alaska stammt und sicher seit dem Fang konstant kühl gelagert wurde.
Das berühmteste Nanofood-Szenario ist wohl die Nano-Pizza. Die Idee dahinter ist ganz einfach: Geschmacks- und Farbstoffe sind nanoverkapselt in die Tiefkühlpizza eingebracht. Je nach Stärke der Mikrowellen werden unterschiedliche Nano-Kapseln geöffnet. So erhält der Verbraucher bei 600 W Leistung der Mikrowelle eine Pizza Margherita, bei 800 W eine Pizza Funghi und bei 1200 eine Quattro Stagioni. Was bei Pizza eklig klingt, macht im Getränkebereich schon mehr Sinn. Verkapselte Geschmacks- und Farbstoffe könnten in Zukunft in einer Basisflüssigkeit integriert sein und je nach Impuls aktiviert werden. So ließe sich ein Getränkeautomat mit einer einzigen Flüssigkeit befüllen, könnte aber auf Knopfdruck verschiedene Getränke produzieren. Die Firma Kraft forscht an dieser Idee des programmierbaren Getränks.
Risiken noch nicht abschätzbar
Die wissenschaftliche Erkenntnisbasis bezüglich Risiken von Nano in Lebensmitteln ist bis heute dünn. Vermutet werden folgende Risiken:
  • Wegen ihrer höheren Bindefähigkeit können sich Nano-Partikel leichter an Zelloberflächen anlagern oder auch in Zellen und sogar in Zellkerne eindringen. Mögliche Folgen sind Zellsterben, Tumorbildung oder Zellmutationen.
  • In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen lassen vermuten, dass Nano-Partikel toxikologisch anders zu bewerten sind als die gleichen Stoffe in Mikrogröße. Das heißt, ein ungiftiger Stoff kann, nanoskalig, plötzlich giftig sein.
  • Ebenfalls wird vermutet, dass Nano-Par-tikel, die längere Zeit im Körper eingelagert werden, Langzeitfolgen wie Blutgerinnsel oder Krebs nach sich ziehen.
  • Antimikrobielle Materialien in Lebensmittelverpackungen und Küchenutensilien können in die Umwelt gelangen. Zu befürchten ist dabei, dass diese Partikel im Abwasser die Funktionsweise nützlicher Bakterien in der biologischen Abwasseraufbereitung und in der Umwelt stören.
Neben dem Erkenntnisnotstand bereitet der Fachwelt das Fehlen von Instrumentarien für nanospezifische Sicherheitsprüfungen (z.B. nanospezifische toxikologische Untersuchungen) Sorgen. Mangels spezifischer Prüfdimensionen werden Nanomaterialien deshalb heute vom Gesetzgeber europaweit wie herkömmliche Stoffe behandelt. Ist die Nutzung einer Chemikalie in Makrogröße erlaubt, so steht ihrem Einsatz auch im nanoskaligen Bereich nichts im Weg.
Im Juli 2007 hat der Ausschuss für Umweltfragen und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments erkannt, dass die existierenden Standards für die Lebensmittelsicherheit nicht ausreichend sind, da sie die mit Nano-Lebensmitteln verbundenen neuen Risiken nicht erfassen. Seither werden im Auftrag der Europäischen Behörden neue Methoden zur Risikoabschätzung von Nano-Partikeln in Lebensmittel entwickelt.
Deutschland setzt auf Dialog
In der Stakeholderplattform Nano-Dialog unter Federführung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit diskutieren Regierungs- und Behördenvertreter mit der Industrie, mit Interessenverbänden und Organisationen von Verbraucherseite und Umweltgruppierungen über den Umgang mit dieser neuen Technologie. Beim Verbraucher ist generell eine positive, aufgeschlossene Einstellung gegenüber der Nanotechnologie festzustellen. Diese kippt jedoch, sobald sie in Zusammenhang mit Lebensmitteln gebracht wird. Die Ergebnisse einer aktuellen Befragung in Deutschland durch das Bundesinstitut für Risikobewertung zeigt dieses Angstpotenzial deutlich.
Die Kaufbereitschaft für Nanoprodukte in Non-Food-Kategorien wie Hilfsmitteln zur Oberflächenversiegelung im Haushalt (Holz, Badezimmerfliesen, Glasscheiben usw.) oder für Nanotech-Bekleidung liegt sehr hoch, zwischen 75 und 86 %. Der Nutzen von Nano wird hier scheinbar höher eingeschätzt als ein potenzielles Gesundheitsrisiko. Sobald Nano in intimen Körperkontakt kommt wie im Fall von Kosmetika (äußere Applikation) oder Lebensmitteln, sinkt die Kaufbereitschaft auf geringe 20 bis 36 %. Im Detail betrachtet zeigt sich bei Lebensmitteln eine mäßige Akzeptanz für Nano als Komponente von Verpackungslösungen, jedoch eine große Ablehnung gegenüber synthetischer Nanomaterialien im Produkt selbst.
Unwissen der Verbraucher, der Wunsch nach Kennzeichnung sowie die Ablehnung von Nano in Produkten, gepaart mit einer bis heute fehlenden einheitlichen Definition von Nanotechnologie, vielen offenen Fragen bezüglich der Risiken und keinerlei gesetzliche Regelungen bilden einen gefährlichen Mix, mit dem die Unternehmen der Lebensmittelbranche umgehen müssen. Einen Schritt in die richtige Richtung hat in Deutschland der Risiko-Dialog eingeschlagen. Die frühzeitige Einbindung aller Interessengruppen in einem nationalen Dialog über die Nanotechnologie versachlicht die Diskussion und verbannt kein Unternehmen, das sich mit den Chancen von Nanotechnologie befasst, automatisch in die Ecke der „Bösen“. So steht jedem Unternehmen der Weg frei, sich heute mit den Potenzialen, aber auch den möglichen Risiken und Markthindernissen von Nanotechnologie auseinanderzusetzten. Die Erarbeitung von Information und Wissen über die eigenen potenziellen Schnittstellen zu Nano als Teil eines seriösen Risikomanagements ist heute für jedes Unternehmen der Lebensmittelbranche angebracht. Denn die Diskussion über eine Kennzeichnungspflicht oder über spezifische Zulassungstests für Nanomaterialien hat für viele Unternehmen Konsequenzen. Oft wissen Produzenten heute gar nicht, dass Komponenten ihrer Produkte, die sie von Lieferanten beziehen – je nach Definition – unter das Thema Nano fallen.
dei 600

Innovative Konzepte für die Lebensmitelbranche

Datenbank Nano-Products

Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de