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GMP-gerechte Anlagen für die Feinvakuumdestillation

Für temperaturempfindliche Wirkstoffe geeignet
GMP-gerechte Anlagen für die Feinvakuumdestillation

Dünnschichtverdampfung und Kurzwegdestillation könnten in der pharmazeutischen Industrie vielversprechende Anwendungsfelder finden. Beide Trennverfahren nutzen den bekannten Effekt, dass der Siedepunkt eines reinen Stoffes sinkt, wenn der Druck vermindert wird. Sie eignen sich somit auch für die Aufreinigung von temperaturempfindlichen Komponenten oder Komponenten mit hohem Siedepunkt.

Sowohl bei der Kurzwegdestillation wie auch bei der Dünnschichtverdampfung erfolgt die Trennung an einem flüssigen, gewischten Film, der unter dem Einfluss der Schwerkraft an einer senkrechten, zylindrischen Verdampferfläche nach unten fließt. Diese Verdampferwand wird mit Thermalöl oder Dampf beheizt. Ein Wischersystem, das aus mehreren Wischerelementen besteht, sorgt für eine gleichmäßige Verteilung des Materials. Die Elemente sind typischerweise zylindrische Rollen oder Blöcke aus PTFE, dazu sind zahlreiche alternative Werkstoffe und Geometrien verfügbar. Die Trennung basiert auf den unterschiedlichen Siedepunkten der beiden Komponenten. Zuerst verdampft die Komponente mit dem niedrigsten Siedepunkt im Dünnschichtverdampfer bzw. Kurzwegdestillator. Die Dämpfe verflüssigen sich dann im Kondensator wieder. Bei einem Dünnschichtverdampfer erfolgt die Kondensation des Destillats in einem separaten Kondensator, ein Kurzwegdestillator verfügt dagegen über einen internen Kondensator. Bei Letzterem bleibt der Druckverlust aufgrund des kurzen Abstands zwischen Verdampfungs- und Kondensationsort begrenzt. Kurzwegdestillatoren können daher bei extrem niedrigen Drücken von bis zu 10−3 mbar betrieben werden.

Die Vorteile
Aktive pharmazeutische Inhaltsstoffe (APIs) sind typischerweise größere Moleküle mit komplexer Struktur und unterschiedlichen funktionellen Gruppen. Jede unbeabsichtigte Änderung der chemischen Struktur, beispielsweise durch Einwirkung einer unzulässig hohen Temperatur über eine gewisse Zeitdauer, könnte die Wirksamkeit und – in bestimmten Fällen – sogar die Sicherheit des Medikaments erheblich beeinflussen.
Die vorherrschenden Trenn- und Aufreinigungsverfahren für solche Substanzen sind derzeit Kristallisation und Chromatografie. Da der Kristallisationsprozess aber sowohl durch thermodynamische als auch durch kinetische Faktoren beeinflusst wird, handelt es sich um eine komplexe Technik, die sich nur schwer modellieren und steuern lässt. Außerdem ist die Skalierbarkeit vom Labormaßstab auf die Größenordnung der industriellen Produktion nicht ganz einfach. Wie bei der Kristallisation können auch bei der Chromatografie hohe Reinheitsgrade erreicht werden. Wesentliche Nachteile dieser Trenntechnik sind der hohe Lösemittelverbrauch, die Kosten für Verbrauchsstoffe wie Kieselsäure und die technischen Schwierigkeiten bei der Hochskalierung des Verfahrens. Dazu kommt, dass beide Trennverfahren systembedingt chargenweise ablaufen, da die Anlage nach jedem Produk-tionsvorgang mit frischem Material beschickt und gereinigt werden muss. Inhärenter Nachteil ist, dass die Qualität der einzelnen Chargen variieren kann und dass die Arbeitskosten höher sind als bei kontinuierlichen Prozessen. Dieser Aspekt lässt einen der größten Vorzüge der Dünnschichtverdampfung und Kurzwegdestillation erkennen. Diese Verfahren laufen kontinuierlich ab und haben damit den Vorteil, dass die Verweildauer auf der beheizten Verdampferoberfläche im Vergleich relativ kurz ist, was wiederum die auf die Moleküle ein-wirkende Wärmebelastung begrenzt. Zudem kann ein ungewöhnliches Verhalten der Betriebsparameter, das möglicherweise auf Qualitätsabweichungen hindeutet, vom Bedienpersonal sofort erkannt werden.
Zu- und Ableiten des Produkts erfolgt bei Vakuumprozessen typischerweise kontinuierlich mithilfe von Pumpen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, zwar den Verdampfer kontinuierlich zu speisen, die Produkte aber in (evakuierten) Chargenbehältern direkt unter dem Verdampfer aufzufangen. Bei diesem teilkontinuierlichen Betrieb werden Rückstände und Destillat am Ende jeder Charge abgelassen.
Einsatzbereiche
Für die pharmazeutische Industrie gibt es im Wesentlichen vier Haupt-Trennaufgaben, die mit Dünnschichtverdampfung und Kurzwegdestillation durchgeführt werden können:
  • Die Entfernung größerer Lösemittelmengen aus temperaturempfindlichen Stoffen – da der Betriebsdruck meist im Bereich von 10 bis 200 mbar liegt, eignet sich dafür der Dünnschichtverdampfer
  • Die Entfernung kleinerer Lösemittelmengen mit dem Ziel, die Restlösemittelkonzentration so stark wie möglich zu reduzieren – das Einsatzgebiet eines Kurzwegdestillators
  • Die Abtrennung wertvoller Komponenten aus natürlichem Pflanzenmaterial und Pflanzenextrakten, zum Beispiel die Beseitigung von Sumpfprodukten (Pflanzenmaterial, Wachse) aus dem Cannabidiol von Cannabispflanzen, per Kurzwegdestillation
  • Der letzte Reinigungsschritt für einen API, wobei das wertvolle Produkt als Destillat aufgefangen wird und die Sumpfprodukte im Rückstand verbleiben
Da die meisten APIs aufgrund ihres hohen Molekulargewichts nicht nur einen hohen Siedepunkt, sondern auch einen hohen Schmelzpunkt aufweisen, werden die Dünnschichtverdampfungs- wie auch die Kurzwegdestillationsanlagen mit einer kompletten Begleitheizung ausgerüstet werden. So lassen sich Verfestigungsprobleme vermeiden. Die praktikable Obergrenze für den Schmelzpunkt des Ausgangsmaterials liegt bei etwa 200 °C.
Dünnschichtverdampfung und Kurzwegdestillation repräsentieren jeweils nur eine einzelne theoretische Trennstufe. Dies könnte zum Problem werden, wenn hohe Reinheitsgrade erreicht werden müssen. Um die Trennwirkung zu erhöhen, wird häufig eine Kombination aus Dünnschichtverdampfer und aufgesetzter Destillationskolonne verwendet. Diese Kolonne, die typischerweise bis zu zehn theoretische Stufen aufweist, ist zumeist mit vakuumoptimierten, strukturierten Packungen versehen. Eine Erhöhung des Betriebsdrucks lässt sich dabei nicht vermeiden, sodass dieser typischerweise auf 2 mbar oder höher ansteigt. Falls für den Prozess ein niedrigerer Druck unerlässlich ist, könnte der Einsatz mehrerer nacheinander angeordneter Kurzwegdestillatoren eine Option zur Reinheitsverbesserung sein, wobei jeder Verdampfer auf einer individuellen Vakuumstufe arbeiten würde.
Auch wenn die Feinvakuumdestillation andere Verfahren nicht vollständig ersetzen kann, so ist doch häufig die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, sie an einer vorgelagerten Stelle in der Produktion einzusetzen, beispielsweise in Prozessschritten zur Vorkonzentration und zur pharmazeutischen Zwischenreinigung. Erst die Feinreinigung erfolgt dann mit einem teureren Alternativverfahren wie Kristallisation oder Chromatografie.
GMP-gerechtes Anlagendesign
Pharmazeutische Produktionsprozesse unterliegen einer strengen Kontrolle durch internationale Regulierungsbehörden wie die FDA in den USA bzw. die EMA in der EU. Die Anlagen müssen GMP-gerecht arbeiten. In jeder Phase muss eine validierte Verfahrensweise eingehalten werden. Für die hier beschriebenen Trennanlagen bedeutet das, dass bereits bei der Konzeption der Anlagen eine Reinigungsstrategie für den Prozess erarbeitet werden muss. Beispielsweise müssen die Verdampfer, Pumpen, Ventile, Behälter und Rohrleitungen so konstruiert werden, dass der Flüssigkeitsinhalt (Liquid Hold-up) minimiert wird. Anders ausgedrückt: Die Anlage muss sich vollständig entleeren lassen und alle Verbindungen müssen weitgehend totraumfrei sein. Dünnschichtverdampfer und Kurzwegdestillatoren werden oft durch einen oder mehrere Spül- oder Flutungszyklen nach einer vorher festgelegten Zeit oder Anzahl von Produktionsdurchläufen gereinigt. Die Anlagen können jedoch auch zur Reinigung mit hochentwickelten CIP-Systemen ausgerüstet werden, zum Beispiel mehrere Sprühdüsen, die sich innerhalb der Apparate befinden und mit Reinigungsmedien betrieben werden.
Um der Ansammlung von Verschmutzungen auf den Metalloberflächen der Dünnschichtverdampfer und Kurzwegdestillatoren vorzubeugen, können diese zur Reduzierung der Oberflächenrauheit elektropoliert sein. Ein in der Praxis gebräuchlicher Wert ist eine relative Rauheit von Ra ≤0,8 µm. Aus diesem Grund wird häufig Edelstahl 1.4404 für pharmazeutische Geräte eingesetzt, da sich dieser Werkstoff gut bearbeiten lässt, gleichzeitig aber eine gute Korrosionsbeständigkeit aufweist. Die Schweißarbeiten beim Apparatebauer müssen von Mitarbeitern durchgeführt werden, die für Arbeiten an Anlagen für die pharmazeutische Industrie speziell geschult sind. Die Heiz- und Kühlmedien, eventuell das Öl für die Vakuumpumpen und die Sperrflüssigkeit für die mechanische Gleitringdichtung müssen den FDA-Vorgaben entsprechen. Für alle in der Anlage eingesetzten Konstruktionswerkstoffe wird eine Freigabe zur Verwendung in der Anlage benötigt, und die entsprechenden Werkstoffzertifikate müssen Bestandteil der Dokumentation sein. Die technischen Details bezüglich der Umsetzung der GMP-Richtlinien in die tatsächliche mechanische Konstruktion der Apparate sind den vom amerikanischen Maschinenbauerverband ASME erarbeiteten Standards für Pharma-Anlagen (Bioprocessing Equipment) zu entnehmen. GAMP ist ein Leitfaden für die Validierung von Automatisierungssystemen für die Herstellung pharmazeutischer Produkte. Ziel dieser Dokumente ist die Minimierung der Risiken durch unkontrollierte oder sogar gefährliche Qualitätsabweichungen der Produkte. Die Messgeräte in einer Vakuumverdampfungsanlage für Produkte in Pharmaqualität sind in der Regel kalibriert.
Wie bei vielen anderen Vorschriften bleibt jedoch auch hier ein Interpretationsspielraum. Manche Unternehmen wenden die GMP-Richtlinien nur für diejenigen Apparate an, die mit dem letztendlichen API in Berührung kommen, wogegen andere der Auffassung sind, dass die GMP für jeden Produktionsschritt erforderlich ist. Ein weiterer strittiger Punkt ist die Werkstoffrauheit der Wärme- und Kältedämmung oder der Außenflächen der Anlage. In Abhängigkeit der vom Kunden an die Anlage gestellten Anforderungen ist eine nach GMP-Standards konzipierte Anlage um 30 bis 50 % teurer als eine herkömmliche Anlage. Da zahlreiche Reinigungsverfahren ein Spülen oder Fluten der Anlage mit leichtentzündlichen Lösemitteln vorsehen, ist es häufig erforderlich, bei der Konstruktion und beim Bau der Anlage sowohl die GMP- als auch Explosionsschutzrichtlinien wie Atex zu berücksichtigen.
Sicheres Scaling-up
UIC liefert schlüsselfertige Dünnschichtverdampfungs- und Kurzwegdestillationsanlagen. Im modernen Process Development Center des Unternehmens in Alzenau-Hörstein besteht die Möglichkeit, die Realisierbarkeit eines Trennprozesses zunächst in der Glasapparatur im Labormaßstab zu testen. Einige Hundert Gramm des Ausgangsstoffs können schon ausreichend sein, um festzustellen, ob eine Trennung durchführbar ist oder nicht. Die Glasanlagen ermöglichen die Beobachtung wichtiger Effekte, die mit theoretischen Modellen nicht vorhergesagt werden können, wie zum Beispiel Kristallatisation im Verdampfer oder Schaumbildung. Falls die Durchführbarkeitsversuche erfolgreich sind, werden in der Regel Pilotversuche durchgeführt, um die optimalen Prozessbedingungen zu ermitteln und die Hochskalierung für eine Industrieanlage vorzunehmen.

Stephan Osinga
Leiter Anlagenplanung,UIC
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