Startseite » Pharma » Serialisierung (Pharma) »

Herkules, Sisyphos und Tantalus lassen grüßen

Praxistag „Serialisierung und Rückverfolgbarkeit“
Herkules, Sisyphos und Tantalus lassen grüßen

Rund 100 Besucher kamen zum Praxistag „Serialisierung und Rückverfolgbarkeit – der Weg zu fälschungssicheren Produkten in Pharma und Food“ am 22. Juni ins Mannheimer Dorint-Tagungshotel. Auf www.prozesstechnik-online.de verfolgten weitere 104 Interessierte die Live-Berichterstattung. Damit traf die geinsame Veranstaltung von Pharmaproduktion und dei die ernährungsindustrie voll ins Schwarze.

Manche der Fachbesucher des Praxistages haben sich angesichts der bevorstehenden Serialisierungsaufgabe und den damit für die Pharmaunternehmen und Lohnfertiger verbundenen Qualen an die griechischen Sagengestalten Herkules, Sisyphos und Tantalus erinnert gefühlt. Das sah man einigen Teilnehmern deutlich an. Von Vortrag zu Vortrag wurde den Teilnehmern des Praxistages vor Augen geführt, dass am Ende des Tages mehr als nur ein Stall auszumisten ist. Die Serialisierung ist eine Herkules-Aufgabe. Das wurde allen klar. Und: Die Zeit drängt. Bis Februar 2019 müssen alle verschreibungspflichtigen Medikamente mit einem Serialisierungscode und einem fälschungssicheren Verschlusssiegel ausgestattet sein. Was einfach klingt, sorgt besonders bei kleinen und mittleren Pharmaherstellern für Zeitdruck und Ängste vor dem immensen Investitionsbedarf.

Auf dem Programm des Praxistages standen insgesamt acht Sponsorenvorträge, in denen konkrete technische Lösungen vorgestellt wurden, die sich die Besucher in den Pausen auch in einer Table-Top-Ausstellung anschauen konnten. Ergänzend hierzu rundeten Vorträge von Vertretern des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, des Zolls und von Boehringer Ingelheim den äußerst erfolgreichen Praxistag ab.
Ein klassisches Eisbergprojekt
Den Praxistag „Serialisierung und Rückverfolgbarkeit“ eröffnete Günter Eckhardt, Chefredakteur der Pharmaproduktion und Moderator der Veranstaltung, pünktlich mit einer Einführung ins Thema. Thomas Brückner, Leiter Pharmazie im Bundesverband der pharmazeutischen Industrie und amtierender Vorsitzender Securpharm e.V. gab anschließend zunächst einen Überblick über die EU-Richtlinien 2011/62/EU und 2016/161 und den delegierten Rechtsakt. Dieser gilt unmittelbar ab 9. Februar 2019. Nach diesem Stichtag dürfen keine apothekenpflichtigen Medikamente mehr in Umlauf gebracht werden, die nicht über die entsprechenden Serialisierungsmerkmale verfügen. Hofften einige Teilnehmer auf eine Verschiebung dieses Termins, so nahm ihnen Brück diese Illusion. Eine Änderung des Stichtages erwartet er nicht. Formfehler sind für ihn ausgeschlossen. Etwas Hoffnung gab es trotzdem: „Was im Markt ist, darf auch im Markt bleiben – zumindest wenn es vor dem 9. Februar 2019 in Verkehr gebracht worden ist“, erläutert Brück. Der Vortrag war einerseits sehr amüsant, andererseits dennoch vollgepackt mit Fakten zu Securpharm und seiner Funktionsweise. Anfang bis Mitte 2018 will Brück die Umsetzung fertig haben. Die Zeit eilt also, um die mit der Serialisierung verbundenen Herausforderungen wie Drucken in der Linie, Tamper Evident anbringen und das Datenmanagement zu bewältigen. Für ihn ist die Serialisierung ein klassisches Eisbergprojekt. 10 % der Aufgabe sind zu sehen, 90 % nicht. Unternehmen müssen daher die Thematik verstehen, Expertenteams gründen und möglichst schnell loslegen. Vor allem das Datenmanagement wird viele Unternehmen ausgiebig beschäftigen, denn hierbei handelt es sich um ein riesiges IT-Projekt.
Nach sehr viel Theorie ging es danach in die Praxis: Rainer Reuss, Vertrieb OEM Pharma bei Domino, übernahm das Steuer und berichtete über seine Erfahrungen mit der EU-Verordnung 2016/161. Die geeignete Kennzeichnungstechnik hängt sehr stark vom Schachtelmaterial ab. Untersuchungen haben gezeigt, dass Inkjet-Drucker weniger Probleme als Standard-Laser haben. Dieser Nachteil kann beim sogenannten Pharmalaser durch eine veränderte Wellenlänge kompensiert werden.
Kurt Hoppen, Prokurist und Mitglied der Geschäftsleitung bei Bluhm Systeme, referierte danach zum Thema „Kennzeichnungstechnik im Dienste von Serialisierung und Rückverfolgbarkeit.“ Seine Erkenntnis: Serialisierung ist nicht neu! Schon der erste Kaiser von China ließ seine Waffen kennzeichnen, damit diese bis auf die Werkstätte und den Arbeiter zurückverfolgt werden konnten. Vermutlich jedoch nicht mit einem Data-Matrix-Code. Diese lassen sich heute mit zwei Techniken aufbringen: Laser- oder Tintenstrahldrucker. Tests mit einer Geschwindigkeit von 200 m/s haben selbst bei der Inkjet-Technologie ein sauberes Druckbild ergeben. Für die Aufbringung der Siegeletiketten hat Bluhm eine Tamper-Evident-Maschine entwickelt.
Mehr als nur Banknoten
Nach einer kurzen Pause startete Marius Wiesner, Director Business Development bei Giesecke & Devrient mit einem Applikationsbeispiel. Das Unternehmen, eher bekannt als Banknotenlieferant, bietet auch eine Softwarelösung für Pharmaunternehmen, die mit Lohnfertigern zusammenarbeiten. Das Problem bzw. die Herausforderung: Neben der Frage, wer die Seriennummer erzeugt und verwaltet, muss man die Frage des Datenaustauschs und der Datenformate lösen. Außerdem: Wer macht das Reporting an das nationale Verifizierungssystem? Die Lösung dieser Fragestellungen liegt in webbasierten Anwendungen wie Seritrack. Die Softwarelösung eignet sich für Level 3 oder Level 4. Sie ist durch ein ausgefeiltes Rollensystem in der Lage, unterschiedliche Lohnhersteller einfach, sicher und kosteneffizient anzubinden.
Axel Jung, Produktmanager Track and Trace bei Laetus, übernahm danach das Mikro. Er stellte die Secure Track & Trace Solutions von Laetus vor. Seine Aussage: Serialisierung richtet sich auch nach der Größe des Unternehmens – von einfachen Stand-alone-Lösungen bis hin zu weltweit vernetzten Architekturen ist alles möglich. Daher muss ein System für Track & Trace wie die Laetus-Lösung modular aufgebaut sein.
Kampf gegen Produktpiraterie
Nach der Mittagspause, die die Besucher zur Kontaktaufnahme mit den Vortragenden nutzten, klärte Philipp Groß von der Generalzollinspektion über die „Möglichkeiten der Zollbehörde bei der Bekämpfung von Marken- und Produktpiraterie“ auf. Er stellte das Grenzbeschlagnahmeverfahren des Zolls vor. Es bietet die Möglichkeit, verdächtige Waren direkt bei der Ein- oder Ausfuhr durch den Zoll aufhalten zu lassen.
„Serialisierung – Nichts außer Kosten?“ Diese Frage erörtete Frederik Thiele von der Firma Systec & Services. Sein Vortrag beschäftigte sich mit den gewinnbringenden Potenzialen, die Serialisierungsprojekte mit sich bringen können. Über allem steht zunächst die Sicherstellung der Lieferfähigkeit. Es gibt aber weitere Potenziale für einen direkten und messbaren Mehrwert. Seiner Meinung nach gehören hierzu unter anderem die Optimierung der Lagerhaltung, ein verbessertes Rückrufmanagement und ein besseres Schlecht-Produkt-Management. Vor allem die Vermeidung von Imageschäden durch eine verbesserte Produktsicherheit, selbst im Rückruffall, ist ein positiver Punkt.
Hendrik Kneusels, Branchendirektor bei Antares Vision, stellte den Zuhörern die Frage: Serialisierung und dann? Die aktuelle Richtlinie erfordert die sogenannte End-to-End-Verifikation, also zum Zeitpunkt, wenn das Medikament in den Markt gelangt und dann erst wieder, wenn es in der Apotheke an den Patienten ausgehändigt wird. Aber was geschieht dazwischen? Kneusels Meinung nach sehr viel, wie er den Besuchern anhand der Aggregation demonstrierte. Sein Fazit: Die reine Serialisierung kann leicht in ein Chaos münden, anstatt die Prozesse zu vereinfachen. Mithilfe der Aggregation können serialisierte Produkte im Unternehmen einfacher lokalisiert werden.
CMOs müssen Aggregation können
Medikamentenhersteller und Lohnverpacker müssen in den nächsten Jahren geeignete Technologien finden, implementieren und mit ihren Prozessen verknüpfen. „Zu diesem Zweck hat Bosch Packaging Technology die CPI-Software für Track & Trace entwickelt, die sich leicht in bestehende IT-Infrastrukturen integrieren lässt“, sagte der Bosch-Spezialist für Track & Trace Jörg Willburger.
Volker Ditscher, Business Manager Track & Trace bei OCS Checkweighers, referierte über die Chancen und Risiken für CMOs. Lohnhersteller müssen die weltweite Gesetzgebung berücksichtigen. Dazu sind zunächst hohe Investitionen erforderlich, die augenscheinlich keinen Ertrag bringen. Die Chance für Lohnfertiger: Mit Kompetenz gegenüber Auftraggebern auftreten. Dabei ist die Aggregration im Portfolio sehr wichtig. Sein Fazit: Wer nicht serialisierungsfähig ist, hat zukünftig keine Chance am Markt.
Den Schlusspunkt der Veranstaltung setzte Johannes Schön, Global Quality Services bei Boehringer Ingelheim. Er sprach über seine Erfahrungen mit der Serialisierung aus dem Alltag. Bei seinen Ausführungen wurde selbst dem letzten Teilnehmer klar, was Serialisierung für die Branche bedeutet. Und so mancher musste bei seinen Erläuterungen wieder an Herrn Sisyphos denken.
Das Fazit des Praxistages
Auf einen Nenner gebracht: Pharmaunternehmen und Lohndienstleister sollten möglichst schnell anfangen, sich mit dem Thema Serialisierung zu beschäftigen. Sonst wird das nichts mehr bis zum 9. Februar 2019 und der Produktionsstopp droht. Nahezu alle Redner haben auf diesen Umstand hingewiesen.
Alle Vorträge finden Sie als Video auf der Seite www.prozesstechnik-online.de/praxistag-serialisierung. Impressionen und Statements der Besucher haben wir separat in einem Video festgehalten.
„Fakt ist, dass Pharmaunternehmen ab Februar 2019 in der Pflicht stehen, serialisierte Ware auf den Markt zu bringen.“
Thomas Brückner, Vorsitzender Securpharm
Wer als Lohndienstleister nicht serialisierungsfähig ist, hat zukünftig keine Chance am Markt.
Volker Ditscher, OCS Checkweighers

Dr. Bernd Rademacher
Redakteur,Pharmaproduktion
Unsere Webinar-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de