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Rot ist nicht gleich Rot

Azo-Textilfarbstoff in färbenden Lebensmittel nachgewiesen
Rot ist nicht gleich Rot

Rot ist nicht gleich Rot
Rote Bete ist ein färbendes Lebensmittel, mit dem sich intensive Rottöne erzeugen lassen. Verbraucher schätzen diese Art des natürlichen Färbens. Schlimm, wenn dieses Vertrauen durch unsachgemäße Beimengungen wie den Azo-Textilfarbstoff Reactive Red 195 erschüttert wird (Bild: Industrieblick, Fotolia)
Versehen oder kriminelle Machenschaft? Forscher der Universität Hohenheim konnten Dank eines neuen Analysenansatzes den Azo-Textilfarbstoff Reactive Red 195 in einem Hibiskus- und Rote-Bete-Extrakt nachweisen. Letzter dient zum Färben von Lebensmitteln und machte sich durch seine ungewöhnliche Farbintensität verdächtig.

Nach den Worten von Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhold Carle von der Universität Hohenheim, Lehrstuhl Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel, dient der Hibiskus- und Rote-Bete-Extrakt dazu, andere Lebensmittel appetitlich rot zu färben. Das untersuchte Produkt sei vermutlich 2015 auf den Markt gekommen und sollte laut Spezifikation lediglich natürliche Farbstoffe beinhalten.

Verdächtige Farbintensität
Die Angelegenheit ins Rollen brachten Lebensmittelhersteller, die aufgrund der außergewöhnlichen Farbintensität Verdacht schöpften und sich an die Lebensmittelexperten der Universität Hohenheim wandten.
Die Ergebnisse der nun folgenden aufwendigen Untersuchungen werden die Wissenschaftler in der diesjährigen Dezember-Ausgabe von „Food Control“ veröffentlichen. Online ist das bereits geschehen. Die Beitrag finden Sie hier.
Deklaration ohne E-Nummer
Unbehandelt nehmen beispielsweise Wurst und zubereitete Fleischwaren nach kurzer Zeit einen grauen Farbton an. „Damit das nicht passiert und sie appetitlicher aussehen, färben Lebensmittelhersteller ihre Produkte zum Teil mit natürlichen Farbstoffen“ erklärt Prof. Dr. Carle. „Sind diese in sogenannten färbenden Lebensmitteln enthalten, müssen sie nicht als Zusatzstoffe mit E-Nummern auf der Verpackung deklariert werden.“
Nachteil: Viele färbende Lebensmittel und natürliche Lebensmittelfarbstoffe weisen eine geringe Licht- und Hitzestabilität auf. Bei unterschiedlichen pH-Werten verändern sie teilweise auch ihren Farbton.
Lebensmittelhersteller freuten sich
Vor diesem Hintergrund wünschen sich viele Lebensmittelhersteller natürliche Farben, die stabiler sind. Und genau diese Erwartung schien das 2015 auf den Markt gebrachte Produkt, das intensiv und dauerhaft rot färbt zu erfüllen.
Verdächtige Proben zugespielt
Drei Lebensmittelhersteller aus Frankreich, der Türkei und Deutschland zweifelten angesichts der versprochenen Stabilität am neuen Produkt. Sie wollten wissen, ob es tatsächlich ausschließlich aus Rote-Bete- und Hibiskus-Extrakten besteht und spielten Prof. Dr. Carle und seinem Team drei Proben des Färbemittels zu, das ihnen von Händlern angeboten worden war.
Nach mehreren Anläufen ist es den Wissenschaftler gelungen, den Verdacht der Lebensmittelhersteller zu erhärten: Laut ihrer Einschätzung basiert die rote Farbe auf dem Textilfarbstoff Reactive Red 195.
Neues Analysenverfahren hilft weiter
Bei ihrem Urteil stützen sich die Wissenschaftler auf ein neues, aufwendiges Analyseverfahren (Flüssigkeitschromatographie mit gekoppelter Massenspektrometrie). Letzteres wurde von Dipl.-LM-Ing. Judith Müller-Maatsch entwickelt, die am Lehrstuhl von Prof. Dr. Carle promoviert.
Mit dem neuen Verfahren konnten in dem verdächtigen Farbstoff lediglich Spuren von Betalainen, den charakteristischen Rote-Bete-Pigmenten nachgewiesen werden. Die deklarierten Hibiskus-Pigmente (Anthocyane) fehlten gänzlich. Allerdings spürten die Wissenschaftler ein zunächst unbekanntes Farbpigment auf, das für die Farbbrillanz und Stabilität verantwortlich ist.
Eindeutige Untersuchungsergebnisse
Diese unbekannte Komponente zeigt übereinstimmende Eigenschaften mit einem Azo-Farbstoff, den man bisher ausschließlich zum zum Färben von Textilien verwendete.
„Die Analysedaten ließen uns vermuten, dass Reactive Red 195 beigemischt sein könnte. Deshalb analysierten wir den Original-Textilfarbstoff in einer vergleichenden Untersuchung“, so Prof. Dr. Carle. „Und das Ergebnis war eindeutig. Wir können zweifelsfrei davon ausgehen, dass alle drei Muster den identischen Textilfarbstoff enthalten.“
Nach Verarbeitung kaum nachweisbar
Bei Reactive Red 195 handelt es sich um einen Reaktiv-Farbstoff, der mit den organischen Bestandteilen im jeweiligen Produkt reagiert und sich mit ihnen weitgehend untrennbar verbindet – ein Umstand, der dazu führt, dass der Farbstoff im fertigen Lebensmitteln kaum noch nachweisbar ist.
Reactive Red 195 ist nicht für den Einsatz in Lebensmitteln zugelassen. „Was er im menschlichen Körper bewirkt wissen wir nicht. Bekannt ist, dass das Produkt zu den Azofarbstoffen gehört. Einige Vertreter dieser Farbstofffamilie stehen im Verdacht, bei Kindern zu Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen zu führen“, sagt Prof. Dr. Carle.
Versehen oder kriminelle Täuschung
„Ein Versehen erscheint uns unwahrscheinlich“, erklärt Prof. Dr. Carle. „Die Vorgehensweise legt nahe, dass hier ein Experte am Werk war, der das Lebensmittelrecht kennt und weiß, wie man durch täuschende Produktdeklaration die Gesetze umgehen kann.“
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