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Altkunststoffe schnell erkennen

Gleitfunken-Spektren mit neuronalen Netzen klassifizieren
Altkunststoffe schnell erkennen

Die schnelle und zuverlässige Interpretation von Spektren, beispielsweise von Kunststoffen, bereitet häufig Schwierigkeiten. Um die Spektroskopie dennoch im industriellen Rahmen zur Kunststoffklassifizierung nutzen zu können, erfolgten die Auswertungen der Spektren mit Hilfe von neuronalen Netzen.

Wesentliche Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Kunststoffwiederverwertung sind Sortenreinheit und Schadstofffreiheit. Die Essener Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet (AGR) hat zur schnellen, zuverlässigen und kostengünstigen Erkennung von Kunststoffen die Gleitfunken-Spektroskopie entwikkelt. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, elektrisch nichtleitende Formteile aus Kunststoff und anderen nichtleitenden Materialien direkt, d. h. ohne jegliche Probenvorbereitung, zu erkennen und zu klassifizieren.

Prinzip der Gleitfunken-Spektroskopie
Die Meßmethode basiert auf einer kurzzeitigen thermischen Verdampfung eines kleinen Teils der Kunststoffoberfläche mit Hilfe von stromstarken Gleitfunken mit definierter Entladecharakteristik. Hierbei werden die Bestandteile des Kunststoffmaterials in der Funkenstrecke schlagartig verdampft, atomisiert und zur Aussendung einer charakteristischen Lichtstrahlung angeregt. Durch die Anwendung von neuronalen Netzen für die Signalverarbeitung werden die relevanten optischen Daten extrahiert und in ein mathematisches Modell zur Identitätsprüfung übertragen.
Mit der Gleitfunken-Spektroskopie lassen sich unabhängig von der Farbe alle mengenmäßig relevanten Kunststoffsorten wie PE, PP, PA, PVC, PMMA, PC, PTFE sowie Styrolpolymere (ABS, PS, S/B, SAN, ASA), chlorierte und bromierte Typen, schwermetallhaltige Additive (z. B. Cadmium, Blei), Füllstoffe (Kreide, Talk) oder Glasfasern in den Kunststoffen bestimmen. Der gesamte Erkennungsvorgang kann nach einer Abfunkung beginnen. Nach der Kalibrierung des Systems, bei der geräte- und probenspezifische Charakteristiken mit einem separaten Training der neuronalen Netze berücksichtigt werden, ist eine Identifizierung der Kunststoffe möglich.
Neuronale Netze
In einem künstlichen neuronalen Netz sind viele gleichartige elektronische Verarbeitungseinheiten, Neuronen, netzartig miteinander verbunden. Dieses Netz besitzt Eingabe- und Ausgabeneuronen, die als Schnittstellen für den Informationsaustausch mit der Umgebung dienen. Alle anderen Neuronen, die nicht von außen zugänglich sind, werden als verborgene Neuronen bezeichnet. Ein vorwärtsverkettetes (feedforward) Netz ist so aufgebaut, daß nur Neuronen aufeinanderfolgender Schichten miteinander verbunden sind (Abb. 2).
Neuronale Netze werden nicht programmiert, sondern trainiert. Sie sind lernfähig und können aus vorhandenen Daten Zusammenhänge, die auch in komplexen Systemen verborgen sein können, allein auf Basis punktueller Eingangs- und Ausgangsinformationen abbilden. Rein mathematisch betrachtet, ist das Hauptmerkmal der künstlichen neuronalen Netze ihre Eigenschaft, Vektorfunktionen approximieren zu können. Somit ist es mit ihnen möglich, beliebige Eingangsgrößen aus einem Vektorraum A über eine erlernte oder selbstorganisierte Abbildungsvorschrift in einen anderen Vektorraum B abzubilden. Neuronale Netze sind in der Lage, mit Hilfe bekannter Trainingsdaten Systemzusammenhänge zu verallgemeinern. Das bedeutet, daß auch Daten, die nicht im sogenannten Trainingssatz vorkommen, richtig abgebildet werden können. Dies geschieht in einer Lernphase, in der man das neuronale Netz mit mehreren Gleitfunken-Spektren (Meßdaten) trainiert. Gleichzeitig muß dem Netz das Expertenwissen (Zuordnung der Kunststoffsorte) präsentiert werden.
Bei diesem überwachten Lernprozeß werden durch spezielle Lernalgorithmen und durch wiederholtes Training die Verbindungsstärken (Gewichte) zwischen den Neuronen der verschiedenen Schichten so lange optimiert, bis die Abweichungen zwischen den gewünschten (vorgegebenen) und den vom Netz gelieferten Klassifikationsergebnissen minimal sind. Auf diese Weise wird die Wissensbasis in den Stärken der inneren Netzverbindungen gespeichert. Das neuronale Netz kann dann auch unbekannte Spektren richtig klassifizieren, wenn sie zur Menge der angelernten Zustandsklassen gehören.
Neuronale Netze kommen immer dann zum Einsatz, wenn die Abbildung durch physikalisch basierte mathematische Modelle aus folgenden Gründen nicht möglich ist:
• eine mathematische Modellvorstellung existiert nicht oder ist nicht genau genug,
• kleiner Zeit- und Kostenrahmen zur Erstellung des Modells,
• Echtzeitanforderungen an das implementierte Modell verbieten rechenintensive Modelle, obwohl diese evtuell genauer wären.
Bevor ein neuronales Netzwerk trainiert werden kann, ist eine Aufarbeitung der Trainingsdaten notwendig. Nach einer Merkmalsbildung aus gemessenen Gleitfunken-Spektren (Spektrallinien auswählen) werden die Merkmale normiert, um sie mit dem mathematischen Handwerkszeug der neuronalen Netze weiter verarbeiten zu können. Anschließend sind die Netz-Topologie, das Lernverfahren und die Lernparameter festzulegen. Es werden ein Haupt- und mehrere Untermodelle zur Kunststofferkennung (hierarchische neuronale Netze) trainiert. Mißt man beispeilsweise ein Styrolpolymer, nimmt das Hauptmodell eine grobe Einteilung in Hauptsorten vor (Styrolgruppe). Erst danach wird das entsprechende Untermodell zur Feinunterscheidung innerhalb der erkannten Hauptsorte angesprochen. Dieses Vorgehen gewährleistet höchstmögliche Prognosesicherheit bei maximalem Informationsgehalt während der Anwendung.
Bestimmung von Kunststoffsorten
Nach einem erfolgreichen Training erfolgt die Implementierung der neuronalen Netze als EDV-Module in das portable Meßgerät. Jede Kunststoffklasse erhält einen festgelegten linguistischen Ausdruck, so daß das Meßergebnis am Gerät direkt ablesbar ist. Die aufwendige und fehlerträchtige Interpretation von Zahlenkolonnen oder Spektren läßt sich auf diese Weise vermeiden.
Zur Kunststoffidentifizierung drückt der Anwender die Abfunkpistole auf die Oberfläche des Formteils und löst die Messung aus. Das integrierte TFT-Farbdisplay zeigt die erkannte Sorte und eventuell vorhandene Additive sofort an. Über die Bedienung der Folientastatur ist auch eine direkte Spektrendarstellung möglich.
Die datengetriebene Klassifizierung mit Hilfe von neuronalen Netzwerken zeigt im untersuchten Anwendungsgebiet eine gute Übereinstimmung der Netzwerkprognose mit der Expertenvorgabe. Dabei lassen sich die besten Ergenisse mit dreischichtigen Netzwerken erreichen. Das Ergebnisdiagramm zeigt die Vorgabe und die Prognose eines neuronalen Netzes zur Prädiktion der untersuchten Kunststoffsorte. Die Darstellung eines Trainings- bzw. Testerfolgs als Klassenprofil des Hauptmodells (Abb. 4) ist wie folgt zu verstehen: Die Vorgaben und die Prognose einzelner Klassen sind gestaffelt aufgetragen. Auf diese Weise läßt sich die Qualität der Prognose einzelner Klassen gut ablesen. Die Vorgabe ist für jede Klasse binär, d. h. das nach Kunststoffarten sortierte Klassenprofil hat senkrechte Flanken beim Übergang auf einen neuen Kunststoff, während die Prognose durch das Netz generell auch Zwischenwerte zuläßt. Ideal ist eine mit der Vorgabe deckungsgleiche Prognose.
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