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Aufbruchstimmung an der Küste

Verein zur Förderung der norddeutschen Chemieindustrie gegründet
Aufbruchstimmung an der Küste

Die Chemieindustrie ist in Norddeutschland eine relativ junge Industrie mit vergleichsweise modernen Anlagen. Um den Standort Norddeutschland voranzubringen, haben die ansässigen Unternehmen einen Verein zur Förderung der Chemiestandorte der Region gegründet. cav sprach mit Hans Peter Kramer, Vorsitzender des ChemCoast e. V. und Geschäftsführer der Ineos Chlor Atlantik GmbH, Wilhelmshaven, über Ziele und Erfolge.

cav: Herr Kramer, was ist ChemCoast und wer verbirgt sich dahinter?

Kramer: ChemCoast ist aus einer Initiative der Werkleiter norddeutscher Petrochemiewerke in Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven entstanden. Bereits im Herbst 1999 haben diese unter Federführung des Verbandes der Chemischen Industrie Landesverband Nord (VCI Nord) erörtert, wie sie die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Standorte an der Küste auch innerhalb der eigenen Konzerne verbessern könnten. Eine daraufhin gemeinsam mit den Wirtschaftsministerien in Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Auftrag gegebene Studie führte zu folgenden Ergebnissen:
  • Zu einer wachsenden Petrochemieregion gehört eine Rohstoffvernetzung über Pipelines – in Norddeutschland gab es nur eine kurze Pipeline von Heide nach Brunsbüttel
  • In der Öffentlichkeit war Norddeutschland als Chemieregion weitgehend unbekannt
  • Jeder Standort kümmerte sich allein um Wirtschaftsförderung und Neuansiedlungen – ein zielorientiertes gemeinsames Marketingkonzept gab es nicht
  • Ein Austausch zwischen den Werken untereinander, aber auch überregional mit Behörden und Politik fand so gut wie nicht statt
Mit aktiver Unterstützung der Politik und vor allem der Wirtschaftsministerien haben wir seither alle gemeinsam an Lösungen gearbeitet, wie die aufgezeigten Standortnachteile bereinigt und abgebaut werden können. Mit der Gründung des ChemCoast e. V. am 8. März 2005 ist die Initiative institutionalisiert worden.
cav: Was sind die Ziele von ChemCoast?
Kramer: ChemCoast will die Wirtschaftskraft der norddeutschen Chemieregion stärken und ein zukunftsfähiges Wachstum fördern. Derzeit entwickelt Chem- Coast eine Marketingstrategie, um Norddeutschland als Chemieregion international bekannter zu machen und stärker in den Fokus möglicher Investoren und Neuansiedlungswilliger zu bringen. Chem- Coast will erreichen, dass nicht nur die bestehenden Werke und Arbeitsplätze gesichert werden, sondern vor allem auch neue Produktionen in den Norden kommen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, aber wir arbeiten heftig daran, diesem Stück für Stück näher zu kommen.
cav: Und gibt es schon erste Erfolge?
Kramer: Es gibt sie: Dow hat bereits im Herbst 2003 eine Ethylenpipeline in Betrieb genommen, die Stade mit Teutschenthal in Sachsen-Anhalt verbindet. Damit ist Norddeutschland zum ersten Mal an ein bestehendes Rohstoffnetz in Osteuropa angebunden. Außerdem baut Sasol im Zusammenhang mit einer Werkserweiterung eine Ethylenpipeline von Brunsbüttel nach Stade, die voraussichtlich Ende 2006 fertig gestellt wird. Und schließlich hat am 24. Mai diesen Jahres der Chef meines eigenen Konzerns, Jim Ratcliffe, in Anwesenheit des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und des Wirtschaftsministers Walter Hirche den Start einer Pre-Engineering-Studie bekannt gegeben, die den Grundstock für eine der größten Investitionen des letzten Jahrzehnts in Westeuropa legen soll. Falls die Studie zu einem positiven Ergebnis kommt, plant allein Ineos eine Gesamtinvestition bis zu einer Milliarde Euro am Standort Wilhelmshaven. Das wird für die gesamte norddeutsche Chemie einen ungeheueren Schub nach vorne bedeuten.
cav: Welche Vorteile haben denn die Küstenstandorte gegenüber den Standorten beispielsweise am Rhein?
Kramer: Wir sind in Norddeutschland eine junge Industrie mit vergleichsweise modernen Anlagen. Wir verfügen über weit mehr als 2500 Hektar freie und für Chemieansiedlungen voll erschlossene Flächen. Norddeutschland ist wegen der Salzvorkommen ein idealer Standort für die Chlorchemie. Es gibt riesige Kavernen, die zur Zwischenlagerung von Rohstoffen genutzt werden können. Aber der wichtigste und einmalige Standortvorteil ist unsere Lage an den norddeutschen Tiefwasserhäfen. Wir haben dadurch nicht nur den direkten Zugang zu dem internationalen Seetransportwegenetz nach Westen, sondern viel wichtiger auch den kürzesten Seeweg über den Nord-Ostseekanal und die Ostsee zu den neuen europäischen Ländern und nach Russland. Im Osten Europas entstehen überall neue und aufstrebende Märkte, die von hier aus leicht zu versorgen sind. Wenn die A 20 und A 22 endgültig fertig gestellt sind, sind wir auch für den LKW-Güter-Verkehr nach Osten gut gerüstet. Lassen Sie mich noch ein Wort zu unseren Häfen sagen: Mit Hamburg zusammen kommen schon heute die Umschlagmengen für Chemieprodukte an die Mengen des typischen Chemiehafens Antwerpen heran. Der Hafen in Stade ist z. B. in den letzten beiden Jahren zu einem der größten Ethylenumschlaghäfen Europas ausgebaut worden. Und das ist alles noch steigerungsfähig, ganz besonders vor dem Hintergrund des Ausbaus des JadeWeserPorts zum größten Tiefwasserhafen Deutschlands.
cav: Wie steht es um die Rohstoffvernetzung der einzelnen Standorte? Heute und in Zukunft?
Kramer: Die Dow-Pipeline als Anschluss an das osteuropäische Ethylennetz sowie die Sasol-Pipeline von Brunsbüttel nach Stade hatte ich schon erwähnt. Im Zusammenhang mit dem Investitionsprojekt von Ineos ist eine Ethylenpipeline von Wilhelmshaven nach Gelsenkirchen/Marl geplant. Damit wäre der direkte Anschluss an das westeuropäische Rohstoffnetz gegeben. Und schließlich gibt es Überlegungen aus Groningen in Holland, sich an die von uns geplante Pipeline anzubinden. Sollte das alles realisiert werden können, ist das noch fehlende Teilstück von Wilhelmshaven nach Stade – wodurch die Standorte auch untereinander verbunden wären – sicher nur noch eine Frage der Zeit; davon bin ich überzeugt.
cav: Wie wollen Sie erreichen, dass sich zusätzliche Unternehmen an ihren Standorten niederlassen. Trotz einiger Vorteile der Küstenregion gibt es ja harte Konkurrenz, beispielsweise im Osten Deutschlands?
Kramer: Die Konkurrenz ist zweifellos groß. Allein in Deutschland gibt es über 40 Chemieparks, die sich – zum Teil schon seit Jahren – um Neuansiedlungen bemühen. Im Osten Deutschlands kommen dazu noch relativ günstige Investitionszuschüsse. Aber ich bin überzeugt, dass unsere einmalige Lage an der Küste ein Riesenvorteil ist. Außerdem gibt es eine Menge anderer Standortfaktoren, die für uns sprechen. Die Kavernen sind bei uns einmalig. Wir verfügen über ein gut ausgebautes Logistiknetz über Schiene und Straße; in Seelze befindet sich z. B. ein Hauptknotenpunkt für den Güterverkehr auf der Schiene zwischen Nord und Süd sowie Ost und West. Mit der A 7 von Nord nach Süd und der A 2 von Ost nach West sind wir auch über die Straße mit fast allen Punkten Europas direkt verbunden. Und dann gibt es ja auch noch die so genannten weichen Standortfaktoren, die häufig für den Aufbau neuer Arbeitsplätze eine größere Rolle spielen als wir denken. Der Slogan „wir arbeiten dort, wo andere Ferien machen“ für einen unserer Standorte kommt nicht von ungefähr. Die Nordseeküste mit ihren Ferieninseln, die holsteinische Schweiz, die Lüneburger Heide und der Harz als Mittelgebirge im Süden Niedersachsens, dazu die Nähe zu den Großstädten Hamburg und Hannover, gute Universitäten und Fachhochschulen, das sind nur einige der Vorteile dieser Region.
cav: Welche Serviceleistungen bietet ChemCoast?
Kramer: Schon heute kann ein möglicher Interessent über die ChemCoast-Website Einzelheiten über die Standorte, freie Kapazitäten, Serviceeinrichtungen, Produktionsprogramme, Verkehrsanbindungen usw. erhalten. Diese Daten beruhen auf einer Umfrage bei den norddeutschen Unternehmen und werden weiter ergänzt und verfeinert. ChemCoast wird einziger norddeutscher Ansprechpartner sein für alle Anfragen, die sich im weitesten Sinne mit Chemieinvestitionen und – ansiedlungen beschäftigen. Dabei wird der Verein eng mit den Wirtschaftsförderungsgesellschaften zusammen arbeiten. ChemCoast wird auch gezielt auf mögliche Investoren zugehen. Der erste Schritt wird allerdings sein, eine vernünftige Marketingkonzeption zu entwickeln. Darauf aufbauend werden wir unser Serviceangebot systematisch ausweiten. Denn: Wir werden die Aufbruchstimmung in Norddeutschland nutzen!
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„Wir sind in Norddeutschland eine junge Industrie mit vergleichsweise modernen Anlagen und wir werden die Aufbruchstimmung in Norddeutschland nutzen!“

Gründungsmitglieder von ChemCoast
  • Dow Deutschland GmbH & Co OHG Werk Stade
  • CoastSite Wilhelmshaven e. V
  • egeb Entwicklungsgesellschaft Brunsbüttel mbH
  • Honeywell Specialty Chemicals Seelze GmbH
  • Industriepark Walsrode (Wolff Walsrode) in Bomlitz
  • Ineos Chlor Atlantik GmbH in Wilhelmshaven
  • IPA Investment Promotion Agency Niedersachsen
  • Sasol Germany GmbH Werk Brunsbüttel
  • Verband der Chemischen Industrie e. V. Landesverband Nord
  • WTSH Wirtschaft und Technologietranfer Schleswig-Holstein GmbH

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