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Bunte Keramikpalette

Technische Werkstoffe für Chemie und Anlagenbau
Bunte Keramikpalette

Einen wesentlichen Faktor zur Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit der produzierenden Industrie stellen Hochleistungswerkstoffe wie technische Keramiken dar. Im industriellen Einsatz haben sich in den letzten Jahren stetig mehr Anwendungen etabliert. Mittlerweile erstreckt sich die Produktpalette von der verschleißfesten Schneidkeramik über Substratplatten für die Elektronikindustrie, poröse Strukturen für Membran- und Filtertechnik, hochfeste Ventile für die Anlagentechnik, Lager und vieles mehr.

Dr.-Ing. Michael Zins

Keramische Werkstoffe werden in vier Werkstoffgruppen unterschieden. Die silikatkeramischen Werkstoffe enthalten als wesentliche chemische Komponente SiO2. Sie werden überwiegend im Bereich Gebrauchs-, Bau- und Feuerfestkeramik eingesetzt. Aber auch die klassische Elektrokeramik, Laborkeramik und Chemiekeramik bestehen zum größten Teil aus diesen Werkstoffen. Wesentliche Beispiele sind hier Steinzeug, Porzellan, Steatit und Schamotte. Die entsprechenden Produkte erreichen einen Umsatzanteil, bezogen auf den gesamten Markt keramischer Produkte, von mehr als 80%.
Oxidkeramiken bilden größte Gruppe
Die größte Werkstoffgruppe bei den technischen Keramiken bilden die oxidkeramischen Werkstoffe mit ihrem wichtigsten Vertreter Aluminiumoxid. Durch die Vielschichtigkeit von Reinheit, Feinheit und Dichte resultiert ein breites Anwendungsgebiet, das sich vom Verschleißschutz über Pumpenteile bis zur Zerspanungstechnik mit Schneidplatten erstreckt (Abb. 1). Dabei profitieren diese Anwender von den relativ niedrigen Rohstoffkosten, die bereits bei etwa 2 DM/kg beginnen.
Ein weiteres Beispiel sind Oxidkeramiken auf Basis von Zirkondioxid (ZrO2). Diese Keramiken kommen in verschiedensten Modifikationen für mechanisch hoch beanspruchte Komponenten ebenso zum Einsatz wie zur thermischen Isolation im Hochtemperaturbereich. Darüber hinaus existieren bei dieser Produktgruppe eine Vielzahl von Mischkeramiken wie Aluminiumtitanat als stöchiometrische Mischphase von Aluminiumoxid und Titanoxid. Durch seine offene Porosität, die niedrige Wärmeleitfähigkeit und den geringen Ausdehnungskoeffizienten resultiert eine Thermoschockbeständigkeit, die es erlaubt, Bauteile mit flüssigen Al-Schmelzen zu umspritzen.
Nichtoxidkeramiken im Kommen
Einen stark wachsenden Anteil zeigen die nichtoxidkeramischen Werkstoffe. Dabei sind speziell die Nitride (Siliciumnitrid, Bornitrid und Titannitrid) und die Carbide (Siliciumcarbid, Borcarbid und Titancarbid) zu nennen. In neutraler und reduzierender Atmosphäre sind die Nichtoxide bis nahe an den Schmelzpunkt im Einsatz. Dabei zeigen sie eine gute Resistenz gegenüber Säuren und Laugen. In oxidierender Atmosphäre kann die Einsatztemperatur häufig bis 1600 °C betragen, da sich Schutzschichten aus Siliciumoxid an der Oberfläche bilden und die Zerstörung tieferer Schichten damit stark verzögern. Typische Einsatzbereiche sind Hochtemperaturanwendungen wie Wärmetauscher und Brenner oder extrem verschleißfeste Düsen, z. B. für die Rauchgasreinigung.
Verbundkeramiken im Trend
Die vierte Gruppe bilden die Verbundkeramiken. Hierunter versteht man mehrphasige, makroskopisch homogene Kombinationen von verschiedenen Werkstoffen. Beispiele hierfür sind siliciuminfiltriertes Siliciumcarbid oder mit Siliciumcarbidfasern verstärktes Aluminiumoxid. Neuesten Trends zu Folge entstehen derzeit Mischkeramiken auf ZrO2- und Al2O3-Basis mit extrem hoher Festigkeit oder Thermoschockbeständigkeit.
Herstellung moderner Werkstoffe
Stark vereinfacht kann die Herstellroute für alle Werkstoffe durch die vier Schritte Pulveraufbereitung, Urformgebung, Brand und Endbearbeitung dargestellt werden. Die Urformgebung kann dann als Gießverfahren, als plastische Formgebung (Spritzguss, Strangpressen) oder als Pressformgebung (Axialpressen oder Isostatpresse) erfolgen. Die Auswahl wird z. B. durch die Stückzahl, die geforderte Qualität oder den Werkstoff selbst bestimmt. Je nach Verfahren müssen die sogenannten Grünteile getrocknet bzw. entbindert werden. In dieser Phase besitzen die Teile etwa die Festigkeit von Kreide. Eine Bearbeitung in diesem Zustand ist mit geometrisch bestimmter Schneide mit relativ geringen Kosten möglich.
Die eigentliche Festigkeit erhalten die Bauteile im Brand. Der Verdichtungsmechanismus beim Sinterbrand bedingt eine Bauteilschwindung von bis zu 20%. Dadurch bestehen z. B. besondere Schwierigkeiten beim herstellen großer Teile. Ein typischer Werkstoff für den Sinterbrand ist das Al2O3. Beim Reaktionsbrand wird diese Schwindung quasi vermieden. Dadurch ist es möglich, SiC-Bauteile mit mehreren Metern Länge und einigen Hundert Millimetern Durchmesser herzustellen.
Endbearbeitung wegen großer Härte schwierig
Die Endbearbeitung erfolgt wegen der hohen Härte der keramischen Werkstoffe im allgemeinen durch Schleifbearbeitung mit Diamantwerkzeugen. Dabei sind im Vergleich zur Metallbearbeitung angepasste Prozessparameter und Werkzeuge zu wählen. Es ergeben sich hohe Bearbeitungszeiten, die wesentlich zu den Kosten der Bauteile beitragen. Die Prämisse „Bearbeitung nur, wo unbedingt nötig“ ist für Bauteile aus keramischen Werkstoffen noch wesentlich wichtiger als für Bauteile aus Stahl.
Fertigungsroute beeinflusstEigenschaften
Die Details der Fertigungsroute bestimmen ganz wesentlich die Eigenschaften der keramischen Bauteile. Aufgrund der Vielfalt der Werkstoffe, Fertigungsverfahren und Kombinationsmöglichkeiten ist es schwierig und sehr umfangreich, allgemeingültige Werkstofftabellen zu erstellen. Vielfach haben die Hersteller ihren Werkstoff für spezifische Anwendungsbereiche optimiert. Im Vergleich ergeben sich dadurch teilweise erhebliche Spannweiten für einen Kennwert für die vermeintlich gleichen verfahrenstechnischen Varianten verschiedener Anbieter. Man darf darum nicht unbedingt von einem Kennwert auf die Qualität des Anbieters schließen.
Erhebliches Wachstum
Durchschnittlich werden für den Zeitraum 1998 bis 2005 ca. 3,4% Wachstum pro Jahr in Westeuropa erwartet. Innerhalb der Anwendungsbereiche schwanken die Prognosen mit z. B. 30% für den Dieselrußfilter und 1% für Gießfilter im Metallbereich sehr stark. Mit einer Steigerungsrate von etwa 7% ebenfalls überdurchschnittlich entwickelt sich der Bereich der Keramiklager. Sehr viele Entwicklungen richten sich auf die Gleitlagerungen. Hohe Temperaturen und Mangelschmierung sollen durch den Einsatz neuer Lager akzeptabel werden. Damit öffnen sich für die Konstrukteure neue Möglichkeiten. Die Anwender, die sich frühzeitig mit diesen Möglichkeiten vertraut machen, werden hier von den technischen Entwicklungen besser profitieren.
E cav 248
EIGENSCHAFTEN Vor- und Nachteile durch große Härte
Die verschiedenen Keramiken haben eine Dichte von 2 bis 6 g/cm-3 bei gleichzeitig hoher Formbeständigkeit. Die Härte liegt zwischen 1000 und 4500 HV. Aufgrund der chemischen Beständigkeit ist der Einsatz im gesamten pH-Bereich möglich. Im Vergleich zu anderen Werkstoffen haben diese Eigenschaften auch bei hohen Temperaturen Bestand. So sind viele keramische Werkstoffe bis zu Temperaturen von über 2000 °C verwendbar.
Die durch die ionische bzw. kovalente Bindung verursachten positiven Eigenschaften bedingen andererseits auch Nachteile, die konstruktiv aufgefangen werden müssen. Spannungsspitzen können z. B. nicht durch Fließen abgebaut werden, da die Duktilität sehr begrenzt ist. Die Bruchdehnung liegt zwischen 0,1 und 0,5%. Die niedrige Risszähigkeit und die streuenden Festigkeitseigenschaften verlangen vom Konstrukteur eine angepasste Arbeitsweise. Wegen der Thermoschockempfindlichkeit ergeben sich auch im Hochtemperatureinsatz spezielle Prozesseinschränkungen, die bei Metallen nicht auftreten. Es gilt hier jeweils entsprechende Sicherheiten zu schaffen, um das Potential der Keramik nutzen zu können.
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