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Detoxifizierung mit UV-aktivierter Oxidation

Photochemischer Abbau von Wirkstoffen aus Abwässern der chemischen Industrie
Detoxifizierung mit UV-aktivierter Oxidation

Bei den meisten Herstellungsprozessen von Arzneimitteln oder Pharmazeutica fallen Abwässer oder Spülwässer an. Eine Verunreinigung mit den Wirkstoffen kann dabei nicht ausgeschlossen werden. Häufig sind diese gering konzentriert, aber in einigen Fällen toxikologisch von Bedeutung. Da jede Ausschleusung in die Umwelt ein Risikopotential darstellt, muss dies vermieden werden.

Dr. Martin Trageser

Die Methoden zur wirksamen Zerstörung oder Inaktivierung von Wirkstoffen sind unterschiedlich. In einigen Fällen ist eine Veränderung des pH-Wertes ausreichend, um die Aktivität dieser Stoffe zu reduzieren. In anderen Fällen ist es aufwendiger und bedarf einer direkten molekularen Veränderung des Wirkstoffes z. B. durch oxidative Prozesse, um die Aktivität irreversibel zu zerstören. Erschwert wird in diesen Fällen die Behandlung der Wässer oftmals durch eine deutlich höhere Konzentration anderer Organika, die einen hohen TOC (CSB) verursachen. Die meist im µg-Bereich vorliegenden Wirkstoffe – die teilweise auch einen AOX verursachen – müssen dabei inaktiviert oder abgebaut werden, ohne dabei die gesamte organische Fracht anzugreifen. Nach Zerstörung der Wirksubstanzen ist meist aufgrund des guten BSB5/CSB-Verhältnisses eine biologische Behandlung in der Kläranlage möglich. Hierfür hat sich wiederholt das Verfahren der UV-aktivierten Oxidation bewährt.
UV-aktivierte Oxidation
Das Verfahren der UV-aktivierten Oxidation basiert auf natürlichen Prozessen. Grundsätzlich werden dabei organische Stoffe unter Einwirkung von ultravioletten Strahlen energetisch so angeregt, dass bei Anwesenheit eines geeigneten Oxidationsmittels ein oxidativer Abbau im Idealfall bis zur Mineralisierung der organischen Stoffe erfolgt. Diese Form des Abbaus organischer Stoffe wird auch kalte Verbrennung genannt, da die Reaktion der einer thermischen Verbrennung entspricht, wobei als Energieträger nicht thermische Energie sondern photochemische Energie eingesetzt wird. Die Endprodukte gleichen denen einer vollständigen thermischen Umsetzung wie auch denen eines aeroben biologischen Abbaus.
Für die industrielle Realisierung muss ein schneller und effektiver Abbau der toxikologisch relevanten Stoffe erfolgen. Am praktikabelsten erweist sich dabei die Verwendung von künstlichen UV-Quellen, die eine hohe Leistungsdichte (50 bis 200 Watt/cm) aufweisen, wie auch die Verwendung eines flüssigen Oxidationsmittels – H2O2 (Wasserstoffperoxid). Dadurch werden während des photochemischen Prozesses hochreaktive OH-Radikale erzeugt. Diese Hydroxylradikale sind der eigentliche Reaktionspartner für die organischen Moleküle und weisen eines der höchsten Oxidationspotentiale auf, die im Wasserbereich einsetzbar sind.
UV-Anlagentechnik UviTox
Das UviTox-System ist grundsätzlich ein optimiertes Rohrreaktor-System mit speziellen Modifikationen für die photochemische Behandlung von Abwässern (Abb. 1). Der zentral gelagerte UV-Strahler (1 bis 30 kW) wird von einem offenen Quarzrohr umgeben und damit vor dem direkten Kontakt mit dem Wasser geschützt. Um das Quarzrohr herum fließt das belastete Wasser in einem dünnen Ringspalt nicht in laminarer sondern rotierender, turbulenter Strömung. Diese wird durch den patentierten tangentialen Einspritzkopf Jet-head am Zugang des Reaktors erreicht.
Durchmesser von Quarzrohr und UV-Reaktor sind so aufeinander abgestimmt, dass das Verhältnis zwischen Oberflächenstrahlung (Strahlungsaustritt vom Quarzrohr in das Wasser) und Durchstrahlung (Auftreffen auf die Reaktorwand) möglichst ideal ist. Dabei ist ein sicheres Zusammentreffen der Reaktionspartner – Photon, H2O2-Molekül, org. Molekül – gewährleistet. Die spezielle geometrische Anordnung ermöglicht Energieeinsparungen von über 30% und ein sicheres Unterschreiten der Grenzwerte.
Zur einfachen Entfernung der teilweise auftretenden Belagbildung wurde das gesamte UV-System mit einer aufklappbaren Frontplatte versehen. Damit ist eine Reinigung des Quarzrohres wie auch des UV-Reaktor-Innenraumes ohne Ausbau des Quarzrohres mit einfachen Handgriffen möglich. Der Zustand des Quarzrohres wird durch ein UV-Sensor-Messsystem überprüft, so dass der reibungslose Betrieb sichergestellt ist. Mit der durch die Frontplatte eingesetzten Doppelkammertechnik ist gleichzeitig eine Kühlung des zu behandelnden Wassers möglich, was einen Abbau bei konstanten Temperaturen ermöglicht.
UviKlar-System
Für besonders hoch belastete, trübe, undurchlässige Wässer wurde eine verfahrenstechnische Variante, das UviKlar-System (Abb. 2), entwickelt. Dabei erfolgt die UV-Bestrahlung indirekt und berührungslos, d. h. der schützende Quarzmantel hat keinen direkten Kontakt mit dem belasteten Wasser und kann deshalb auch keine Belagbildung aufweisen. Bei dieser Technologie wird das Wasser horizontal über ein Flachbettsystem geführt, dessen Neigung entsprechend der Durchlässigkeit eingestellt werden kann. Schichtdicken kleiner 2 mm sind dadurch erreichbar, was auch eine Behandlung nahezu optisch dichter Wässer wie Kühlschmieremulsionen ermöglicht.
Inaktivierung von Antibiotika
Bei einem der größten europäischen Chemieunternehmen fällt im Rahmen der Herstellung von Antibiotika (b-Lactam-Typ) leicht belastetes Spülwasser an. Die Konzentration der Antibiotika im Spülwasser ist unterschiedlich und kann zwischen 10 und 200 mg/l liegen. Weiterhin ist das Spülwasser mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln wie auch Alkoholen belastet, die jedoch gut biologisch abgebaut werden können. Erstes Ziel der Behandlung der Spülwässer war es, eine vollständige Inaktivierung der Antibiotika bei geringem Chemikalieneinsatz und möglichst geringen Kosten zu erzielen.
Der Einsatz von thermischer Energie (70 °C) und/oder Oxidationsmittel (H2O2, O3) führte auch bei sehr langer Behandlungszeit zu keiner befriedigenden Inaktivierung. Der Hemmhoff-Test zeigte immer noch Aktivitäten von > 30% der Ausgangsaktivität.
Durch die Kombination der UV-Bestrahlung und der H2O2-Zugabe konnten die Antibiotika dagegen vollständig inaktiviert werden. Die Verweilzeit betrug weniger als zwei Minuten im UV-Reaktor, der Energieeintrag liegt bei ca. 25 kWh/m3 Abwasser.
Für die Behandlung von 2,5 m3/Tag wird seit 1996 eine 20 kW UV-Anlage Typ UviTox (Abb. 3) über einen Zeitraum von drei bis vier Stunden pro Tag eingesetzt.
Abbau von pharmazeutischen Wirkstoffen
Bei der Herstellung von Kapseln fällt bei einem großen Spezial-Chemiebetrieb Abwasser mit geringen Mengen an Wirkstoff an. Der Gehalt beträgt bis zu 40 mg/l. Die eingesetzten Begleitstoffe wie Lactose und Cellulose verursachen einen TOC-Wert von ca. 5000 mg/l. Ziel der UV/H2O2-Behandlung war auch hier die irreversible Inaktivierung des Wirkstoffes durch Veränderung der chemischen Struktur.
Mit der geeigneten UV/H2O2-Technik im optimierten UviTox-Reaktor konnte dies ohne großen Aufwand durchgeführt werden. Die Aktivität wurde zu > 99% abgesenkt, wobei der TOC-Wert nahezu konstant blieb. Bei einer Wassermenge von ca. 10 m3/Tag wurde eine 20 kW UviTox-Anlage installiert, die innerhalb von 5 bis 8 h eine vollständige Inaktivierung erzielt. Die eingesetzte spezifische Energie betrug 10 kWh/m3, der H2O2-Bedarf 0,1% (Endkonzentration). Die spezifischen Betriebskosten liegen bei ca. 4,80 DM/m3 Abwasser.
Abbau von AOX-haltigen Wirkstoffen in Anwesenheit hoher TOC-Werte
Eine besonders interessante, aber auch komplexe Fragestellung ergibt sich immer wieder bei einzelnen Produktionsbereichen in der chemisch-pharmazeutischen Industrie, bei denen im Abwasser geringe Verunreinigungen an AOX bei hoher organischer Matrix auftreten. Ein wirtschaftlich sinnvolles Verfahren hat dabei zum Ziel, den AOX abzubauen, d. h. eine Dehalogenierung zu erreichen, ohne den TOC zu verändern. Im vorliegenden Fall wird die Behandlung noch dadurch erschwert, dass das Abwasser einen pH-Wert von 1 aufweist.
Durch eine modifizierte Verfahrenstechnik mit Voroxidation und Hauptoxidation im UviKlar-System (Abb. 4) konnte im angesprochenen Fall der AOX-Wert von >500 mg/l auf 1 mg/l abgesenkt werden. Der Energieeintrag ist mit 30 kWh/m3 noch moderat, die H2O2-Menge mit ca. 5 kg/m3 noch wirtschaftlich vertretbar. Bei dieser komplexen Problemstellung betragen die Betriebskosten ca. 30 DM/m3 und sind damit immer noch deutlich niedriger als bei der alternativen Technologie der Verbrennung.
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