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Differentialdosierwaagen

Einsatz in pneumatischen Einblassystemen
Differentialdosierwaagen

In sehr vielen Industriezweigen erfüllen kontinuierliche Wäge- und Dosiersysteme problemlos die gestellten Aufgaben. Doch es gibt eine Vielzahl von Produktionsprozessen, beispielsweise die Beschickung von Rauchgasreinigungsanlagen, bei denen ein kontinuierlicher, dosierter Eintrag von Zuschlagstoffen über ein pneumatisches Einblassystem erforderlich ist.

Dipl.-Ing. (FH) Manfred Wahl

Beim kontinuierlichen Dosieren mit Differentialdosierwaagen wird eine vorgegebene Produktmenge aus einer, in einer Waage befindlichen Vorlagemenge entnommen und dem nachfolgenden Prozeß kontinuierlich zugeführt. Unter verfahrenstechnischen Gesichtspunkten stellen Differentialdosierwaagen keine isolierten Einheiten dar, sondern sie übernehmen Aufgaben aus verschiedenen Bereichen wie Lagern, Austragen, Dosieren und Fördern von Schüttgütern.
Ein Unternehmen aus Landsberg am Lech hat für die Müllverbrennungsanlage Solingen Anlagenteile für den Transport, die Lagerung und Dosierung von Additiven geliefert, die zur Schadstoffabscheidung in der Flugstromadsorptionsanlage notwendig sind. Des weiteren fertigte das Unternehmen im Rahmen dieses Auftrages auch Anlagenteile zur pneumatischen Dichtstromförderung des Altadsorbens. Insgesamt befinden sich drei Differentialdosierwaagen zur Dosierung der Additive im Einsatz.
Beschreibung der Anlage
Zur Versorgung der Rauchgasreinigungsanlage mit Kalkhydrat und Herdofenkoks stehen als Vorratsbehälter Lagersilos mit einem Inhalt von 70 bzw. 20 m³ zur Verfügung. Von den Silos gelangen die Zuschlagstoffe über die Differentialdosierwaage in eine Dünnstromförderung, die die Adsorbentien dem Rauchgaskanal zuführen.
Die Soll-Dosierleistung in bezug auf die Zuschlagstoffe wird in Abhängigkeit vom Rauchgasvolumenstrom und vom Schadstoffgehalt ermittelt. So läßt sich der Verbrauch an Frischadsorbentien optimal auf die Prozeßgegebenheiten anpassen. Die zu dosierenden Kalkhydratmengen betragen 6,5 bis 470 kg/h bzw. 50 bis 520 kg/h. Die Dosierleistung bei Herdofenkoks liegt zwischen 2 und 32 kg/h. Diesen Leistungswerten entsprechen Stellbereiche von 1:72, 1:10 und 1:16.
Durch die Kopplung des Dosierleistungs-Sollwerts an den Rauchgasvolumenstrom bzw. den Schadstoffgehalt ergeben sich im Sekundentakt wechselnde, voneinander unabhängige Sollwerte, die mit hoher Genauigkeit nachgefahren werden müssen.
Die beiden Kalkhydrat-Dosierbehälter der Differentialdosierwaagen haben ein Fassungsvermögen von 290 l. Sie werden wechselseitig über eine pneumatisch betätigte Umschaltklappe und eine Räumradschleuse aus dem Vorratssilo befüllt. Als Austragshilfe kommen Belüftungsbahnen zum Einsatz. Der Dosierbehälter für Herdofenkoks hat ein Volumen von 140 l und wird direkt über eine Zellenradschleuse befüllt. Das Herdofenkoks-Silo faßt 20 m³. Als Austragshilfe sind auch hier Belüftungsbahnen im Silokonus angebracht.
Dosieren mit drehzahlgeregeltenMikrodosierschleusen
Als Dosierorgan kommen drehzahlgeregelte Mikrodosierschleusen zum Einsatz, da fluidisiertes Kalkhydrat zum Schießen neigt (Abb.1). Diese besitzen Dosierrotoren mit sehr kleinen Taschen, die in mehreren Reihen versetzt zueinander angeordnet sind, um Massenstrom-Pulsation zu verhindern. Räumeinrichtungen im Auslaufbereich gewährleisten eine vollständige Entleerung der Taschen. Um eine optimale Befüllung der Rotorkammern sicherzustellen, sind den Schleusen Vertikalrührwerke vorgeschaltet.
Die weitgehend pulsationsfrei dosierten Additive werden über einen Blasschuh der pneumatischen Dünnstromförderung übergeben und anschließend in den Rauchgaskanal gefördert.
Eine redundant aufgebaute Gebläsestation stellt die notwendige adsorptionsgetrocknete Förderluft zur Verfügung.
Mechanische Ausführungder Differentialdosierwaagen
Im Verhältnis zur minimalen Dosierleistung – 6,5 kg/h bei Kalkhydrat – haben die Anlagenkomponenten wie Rührwerk, Mikrodosierschleuse und die Dosierbehälter ein großes Eigengewicht. Deshalb wurde die Differentialdosierwaage als Hybridwaage mit mechanischem Taraausgleich ausgeführt (Abb. 2). Mit dieser Maßnahme wird eine höhere Auflösung des Gewichtsignals und somit eine höhere Dosiergenauigkeit erreicht (Abb. 3). In Verbindung mit Biegestabwägezellen als Gewichtssensor ist ein praktisch wegloses Meßsystem realisiert worden.
Steuerungssystem
Üblicherweise wird bei Regelkreisalgorithmen die aktuelle Regelabweichung zwischen Soll- und Istwert berechnet und damit der Stellwert nachgeführt. Man unterscheidet hier zwischen Massenstrom- und Massenverlaufsregelung.
Bei der Massenstromregelung wird über ein Differentiationsfilter aus dem Gewichtsverlauf der Waage der aktuelle Durchfluß ermittelt und das Dosierorgan anhand der Differenz aus Soll- und Istdurchfluß nachgestellt. Dagegen verwendet man bei der Massenverlaufsregelung als Führungsgröße (Sollwert) das aus dem Solldurchsatz berechnete, abnehmende Behältergewicht. Dieses wird mit dem tatsächlichen Verlauf des Behältergewichts verglichen und so der Stellwert nachgeführt. Sind die Durchsätze im Vergleich zum Wiegebereich gering, führt diese Regelungsstruktur zu langen Einschwingzeiten bzw. großen Fehlern.
Bei der Müllverbrennungsanlage Solingen kommt ein abgewandeltes Prinzip der Massenverlaufsregelung zum Einsatz (Abb. 4). Dabei wird der Stellwert für den Antrieb (Drehzahl des Antriebs) einer Kennlinie entnommen. Diese Kennlinie wird permanent durch gravimetrische Messung korrigiert und nachgeführt. Auf diese Weise bestimmt nur die Zeitkonstante des Dosierantriebs (ms-Bereich) die Einschwingzeit des Dosiersystems, d.h. der Istwert entspricht nach wenigen Sekunden dem neuen Sollwert. Dieses schnelle Reagieren auf Sollwertänderungen ist vor dem Hintergrund der bereits beschriebenen Abhängigkeiten zwischen Dosierleistungssollwert, Adsorptionsverhalten, Rauchgasvolumenstrom und Schadstoffgehalt notwendig.
Bei dem beschriebenen Steuerungsprinzip folgt die Austragsleistung auch während des Nachfüllzeitraumes sofort der Sollwertvorgabe. Treten Waagenstörungen auf, kommt es zu Störmeldungen, und es wird gegebenenfalls automatisch in den volumetrischen Betrieb umgeschaltet. Die Funktionsfähigkeit der Waage wird durch ständige Plausibilitätsprüfungen überwacht.
Drehzahlgeregelte Servo-Antriebe für die Mikrodosierschleusen erhöhen die Dosiergenauigkeit. Die Drehzahlregelung stellt sicher, daß die tatsächliche Drehzahl der Schleusen dem aus der Kennlinie entnommenen Sollwert entspricht, ohne daß über die Kennlinie Störgrößen des Dosierorgans berücksichtigt werden müssen.
Die Analog-Digital-Wandlung des Wägezellensignals wird vorort in einem IP65-Gehäuse durchgeführt und dann seriell zur Auswerteelektronik übertragen. Durch diese Vorgehensweise haben auf der relativ langen Strecke zwischen Waage und Auswertegerät durch Induktion verursachte Störsignale keinen Einfluß.
Um eine relativ problemlose Integration der Differentialdosierwaagen in das Prozeßleitsystem der MVA sicherzustellen, wurde für den Signalaustausch der Soll- und Istwerte eine analoge Standardschnittstelle 4 – 20 mA gewählt; binäre Signale wie „Start-Dosierung“ oder „Nachfüllen“ werden über potentialfreie Wechslerkontakte übergeben. Der Datenaustausch des Auswertegerätes, beispielsweise mit einer übergeordneten SPS mit Kommunikationsprozessor, kann auch über ein standardisiertes serielles Datenprotokoll erfolgen.
Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten war es erforderlich, den Schaltschrank mit der Steuerungs- und Regelungselektronik der Differentialdosierwaage in einem separaten Leittechnikraum aufzustellen, der ca. 100 m von der Dosierstation entfernt ist.
Mit Hilfe eines PCs können sämtliche Betriebszustände der Waage überprüft und in die Waagenfunktion eingegriffen werden. Diese Abgleich- bzw. Parametierarbeiten lassen sich auch über Modem durchführen.
Bedienung und Anzeige
Am Schaltschrank der Wäge- und Dosiereinrichtung sind folgende Betriebsarten anwählbar:
• „Teilautomatik“ – Eingabe des Dosierleistungssollwerts erfolgt am Schaltschrank.
• „Vollautomatik“ –Leitwarte gibt automatisch über Signalaustausch den Dosierleistungssollwert vor.
Bei den Betriebsarten „Teilautomatik“ und „Vollautomatik“ regelt die Steuerungselektronik die Dosierleistung.
Die aktuellen Soll- bzw. Istwerte sowie der Waagenzustand werden am Auswertegerät angezeigt. Ein Diagnosespeicher sammelt Fehler- bzw. Störmeldungen in der Reihenfolge ihres Auftretens, so daß sich das Bedienpersonal problemlos über den Anlagenzustand informieren kann.
Einfluß von Luftdruckschwankungen beseitigt
Die Befüllung der Dosierbehälter erfolgt über eine Zellenradschleuse am Siloabgang. Im Silokonus befinden sich Fluidisierungseinrichtungen, die während des Befüllens dazu führen, daß die Waage einem bestimmten Luftdruck ausgesetzt ist. Ähnliche, luftdruckbedingte Einflüsse auf die Waage gehen von der direkten Dosierung der Produkte in die Dünnstromförderung aus. Durch den Einbau von Druckausgleichskompensatoren konnten diese Einflüsse auf die Waage kompensiert werden.
Ferner stellt ein Bypass einen Druckausgleich zwischen Förderluftleitung und Dosierbehälter her, der das Auftreten eines Differenzdrucks über die Schleuse verhindert. Somit kann keine Leckluft das gleichmäßige Füllen der Taschen beeinträchtigen.
Um Staubexplosionen zu vermeiden, mußte die gesamte Anlage im Herdofenkoks-Bereich in Staub-Ex-Zone 10/11 ausgeführt werden. Aus diesem Grund befinden sich in diesem Bereich Stickstoffanschlüsse zur Inertisierung, die kraftnebenschlußfrei verlegt wurden.
Die Differentialdosierwaage ist im Stahlbau aufgestellt. Dadurch kommt es zu einer Übertragung von Vibrationen bzw. Schwingungen auf die Waage. Diese Störungsquelle konnte durch Verstärkung und Versteifung des Stahlbaus sowie durch den Einsatz von digitalen Filtern, die die Störsignale ausblenden, beseitigt werden.
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