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Durchbruch in Sicht

Feldbussysteme für die Prozeßautomatisierung
Durchbruch in Sicht

Feldbussysteme haben ihre Praxistauglichkeit in der Fertigungsautomatisierung bereits erfolgreich unter Beweis gestellt. In der Prozeßautomatisierung dagegen stehen die Anwender dieser Technologie noch skeptisch gegenüber. Spätestens seit der Interkama in Düsseldorf scheint der Bann jedoch endgültig gebrochen zu sein: Der Einzug der Feldbustechnik in die Prozeßautomatisierung hat begonnen.

Dipl.-Ing. Michael Volz

Für die Signalübertragung zwischen den Feldgeräten und der prozeßnahen Komponente (PNK) stehen prinzipiell drei Möglichkeiten zur Verfügung. Bei der konventionellen Signalübertragung (4…20 mA) findet die Digitalisierung jedes einzelnen Meßsignals in den zentralen E/A-Baugruppen der PNK statt. Der Übertragungsweg von der Meßstelle bis zur PNK ist durchgängig analog. Die Versorgung erfolgt für jedes Signal einzeln über eine Ex(i)-Baugruppe, von der das Signal über einen Verteilerkasten und das Stichkabel bis zum Feldgerät gelangt.
Bei Remote-I/O-Systemen findet die Digitalisierung meist in Kombination mit der Ex-Trennung, in einem dezentralen E/A-Gerät im Feld, jedoch meist außerhalb des Ex-Bereiches statt. Das dezentrale E/A-Gerät ist über Standard-Feldbussysteme an die PNK angeschlossen. Über Stichleitungen werden die Analogsignale der Feldgeräte zum Remote-I/O-System übertragen.
Bei Feldbussystemen findet die Digitalisierung des Signals bereits im Feldgerät statt. Die gesamte Signalübertragung vom Feldgerät bis zur PNK erfolgt digital. Dabei kommt der Feldbus auch in explosionsgefährdeten Bereichen zum Einsatz. Daten und die Betriebsenergie der Feldgeräte werden in Zweileitertechnik über dasselbe Kabel übertragen. Im Unterschied zur analogen Technik kann der Feldbus die Signale mehrerer Meßumformer über ein gemeinsames Kabel übertragen.
Anforderungen der Anwender
Feldbussysteme für die Prozeßautomatisierung müssen anderen Anforderungen als Systeme für die Fertigungsautomatisierung genügen. Die NAMUR hat die Anforderungen wie folgt zusammengefaßt:
• flexible Bustopologie (Linie, Baum und Stern),
• hohe Verfügbarkeit,
• Einsatz in Ex-Bereichen,
• einfache Handhabung,
• Busspeisung der Feldgeräte.
HART war der erste Schritt
Die Vorteile der digitalen, offenen Kommunikation in der Prozeßautomatisierung wurden erstmals durch die HART-Technologie realisiert. HART verwendet das konventionelle 4…20-mA-Signal für die Übertragung der Meßwerte und überlagert diesem digitale Informationen, mit denen es möglich ist, Feldgeräte von der Leitwarte aus zu parametrieren, konfigurieren und zu bedienen. Im Gegensatz zu den digitalen Feldbussen, bei denen die Daten vieler Feldgeräte über ein einziges Zweileiterkabel übertragen werden, wird bei HART jedes Feldgerät über ein separates Kabel mit dem Leitsystem verbunden. Für die Bedienung und Parametrierung stehen moderne, herstellerübergreifende Engineeringtools auf PC-Basis zur Verfügung. Mit einer installierten Basis von über einer Million Geräte und einem Produktspektrum von einigen hundert verfügbaren Geräten ist HART die heute am weitesten verbreitete Kommunikationstechnik für die Prozeßautomatisierung. Langfristig ist jedoch zu erwarten, daß die HART-Technologie durch die rein digitalen Feldbusse wie Profibus und Foundation Fieldbus ersetzt wird.
Entwicklungsstand Feldbus
Für die Verfahrenstechnik sind heute zwei konkurrierende digitale Feldbusse von besonderem Interesse, da nur sie bisher den Ex-Schutz bei gleichzeitiger Speisemöglichkeit der Feldgeräte über den Bus berücksichtigen. Dies ist zum einen der in Deutschland entwickelte Profibus-PA und zum anderen der aus Amerika stammende Foundation Fieldbus (FF). Die Philosophie der beiden Systeme im Vergleich zur konventionellen Übertragung ist in Abbildung 1 dargestellt. Profibus und FF haben viele Gemeinsamkeiten, aber unterscheiden sich dennoch in einigen wesentlichen Punkten. Beide Systeme haben mittlerweile ihre Bewährung in einer Reihe von erfolgreichen Pilotprojekten nachgewiesen und finden in verfahrenstechnischen Anlagen zunehmende Akzeptanz.
Gemeinsame Wurzeln
PA und FF haben eine gemeinsame Wurzel: ISP. In diesem 1992 gegründeten internationalen Projekt hatten sich führende Anbieter der Prozeßautomatisierung, u. a. Honeywell, Fisher Rosemount, Yokogawa und Siemens, zusammengefunden, um gemeinsam einen Feldbus zu entwickeln. Basis hierfür war Profibus-FMS, der um eine geeignete Übertragungstechnik für den Einsatz in Ex-Bereichen (IEC 1158-2) und einen User-Layer zur Verbesserung der Interoperabilität der Feldgeräte ergänzt werden sollte. Doch die Einigkeit währte nur kurz. Bereits auf der Achema 1994 nahm die Fachwelt das Ende des ISP-Projekts erstaunt zur Kenntnis. Kurze Zeit später formierten sich die amerikanischen ISP-Projektpartner neu und gründeten die Fieldbus Foundation. In Europa schickte sich die PNO an, die Ziele des ISP-Projekts doch noch zu verwirklichen. Beide Gruppierungen führten fortan die im ISP-Projekt begonnenen Arbeiten mit unterschiedlichen Ausprägungen fort. Gemeinsame Basis war aber nach wie vor Profibus-FMS und die IEC 1158-2-Übertragungstechnik.
Die Profibus-Lösung
Die Entwicklungsarbeiten für Profibus-PA zielten von Anfang an darauf ab, eine einfache und pragmatische Lösung für die Kommunikation der Feldgeräte mit der PNK zu definieren. Schon bald zeigte sich, daß das Profibus-DP-Protokoll für diesen Anwendungsbereich eine wesentlich effizientere und kostengünstigere Variante als das komplexe FMS-Protokoll bietet. Als Basis für PA wurde daher das DP-Protokoll benutzt, dem einige Kommunikationsfunktionen (DPV1) für die Parametrierung und Bedienung der intelligenten Feldgeräte hinzugefügt wurden. Als Übertragungstechnik kommt bei PA die IEC 1158-2-Technologie zum Einsatz. Profibus hatte somit eine durchgängige Kommunikationslösung geschaffen, mit der es möglich war, die Anforderungen beider Welten, Fertigungsautomatisierung (H2) und Prozeßautomatisierung (H1) mit einem einheitlichen Protokoll, unterschieden lediglich durch zwei für den jeweiligen Anwendungsbereich optimierte Übertragungstechniken, zu realisieren.
Foundation Fieldbus
Bei der Fieldbus Foundation wurden andere Prioritäten gesetzt. Ziel war es, eine Lösung zu schaffen, die neben einfachen Applikationen auch die Anforderungen komplexer Anwendungen abdecken sollte. Mit den Profibus-FMS-Diensten standen geeignete Anwendungsdienste zur Verfügung und zur IEC 1158-2-Übertragungstechnik gab es keine Alternative. Für das Buszugriffsprotokoll sahen die FF-Experten jedoch in den Entwürfen zur internationalen Feldbusnorm IEC 1158 eine noch flexiblere Lösung. So entschloß man sich bei der FF diese Technologie anstelle des Profibus-Buszugriffsverfahrens zu verwenden. Die Integration der verschiedenen Protokolle in einen homogenen Kommunikationsstack dauerte zwei Jahre und auf der ISA-Show 1996 wurde die FF-Spezifikation der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die resultierende Lösung sieht als physikalische Übertragungsschicht die IEC 1158-2 in den Varianten 31,25 kBit/s (H1) und 1,0 Mbit/s (H2) vor. Während erste H1-Geräte schon bald angekündigt wurden, fand die vorgesehene H2-Lösung auf Basis der IEC 1158-2 Technologie bis heute kaum Akzeptanz. Die FF startete daher 1998 eine neue Entwicklungsinitiative, um eine neue H2-Lösung auf Basis kommerziell verfügbarer High Speed-Ethernet-Komponenten (HSE) mit 100 Mbit/s zu definieren.
Auf der diesjährigen Interkama zeigte die Fieldbus Foundation erstmals eine funktionsfähige Anlage, bei der die Integration der H1-Technologie in ein High Speed-Ethernet-Segment dargestellt wurde. Die Spezifikationsarbeiten sollen im ersten Quartal 2000 abgeschlossen sein.
Unterschiede
Anwender können heute sowohl Profibus-PA als auch Foundation Fieldbus (H1) zur Vernetzung der Feldgeräte in verfahrenstechnischen Prozessen nutzen. Trotz vieler Gemeinsamkeiten gibt es einige Unterschiede zu beachten, siehe Tabelle. Im folgenden sei auf zwei anwendungsrelevante Unterschiede hingewiesen.
Installation in Ex-Bereichen
Für den Einsatz von Feldbussen auf Basis der IEC 1158-2 in explosionsgeschützen Bereichen wurde von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) das FISCO-Modell (Fieldbus Intrinsically Safe Concept) definiert. Dieses Modell trifft aus den verschiedenen in IEC 1158-2 zur Verfügung stehenden Optionen eine geeignete Auswahl, die für die jeweilige Zündschutzart ein Optimum bezüglich Reichweite, Speiseenergie und Explosionsschutz definiert. Bei Profibus-PA wurde dieses Modell von vorne herein berücksichtigt und so ist es möglich, daß alle Profibus-PA-Komponenten bei den europäischen Prüfstellen nach FISCO-Modell zertifiziert werden können. Für den Anlagenbetreiber ergibt sich daraus ein großer Vorteil: Werden in einem Profibus-PA-Netzwerk ausschließlich nach dem FISCO-Modell zertifizierte Komponenten eingesetzt, dann braucht für das Profibus-Netzwerk keine gesonderte Systemabnahme mehr durch eine Zertifizierungsstelle durchgeführt werden. Dies erspart den Profibus-PA-Anwendern erhebliche Aufwendungen.
Die Fieldbus Foundation hat das FISCO-Modell bisher noch nicht übernommen. Da die amerikanischen Zulassungsstellen das FISCO-Modell jedoch grundsätzlich akzeptiert haben, ist die Übernahme durch die FF wohl nur noch eine Frage der Zeit. Anwender, die sich heute für die Installation eines H1-Netzwerkes entscheiden, müssen derzeit noch eine separate Abnahme der Anlage bei der zuständigen Prüfstelle beantragen.
Gerätebeschreibungen
Mit der frühzeitigen Festlegung einer Gerätebeschreibungssprache hat die Fieldbus Foundation eine wegweisende Technologie zur Vereinfachung der Konfiguration eines Netzwerkes mit Feldgeräten unterschiedlicher Hersteller geschaffen. Die Gerätebeschreibungen definieren die relevanten Eigenschaften und Parameter eines Feldgerätes und erleichtern so Konfiguration und Bedienung der Feldgeräte.
Bei Profibus wurde die „Electronic Device Description Language“ (EDD) und ein herstellerübergreifendes Konzept für das Geräteengineering erst kürzlich verabschiedet. Ziel der von ABB und Siemens entwickelten FDT-Technologie ist eine vereinfachte, anlagenweite Gerätekonfiguration. Die Umsetzung in entsprechenden Softwaretools wurde auf der Interkama’99 erstmals vorgestellt.
Gemeinsam zum Weltstandard
Während sich PNO und FF in der Vergangenheit wechselseitig vergeblich bemühten, ihre Lösungen alleine in den Status einer internationalen Norm zu überführen, gibt es seit Mitte diesen Jahres eine deutliche Trendwende. In einem Memorandum of Understanding haben sich die Nutzerorganisationen von Profibus, Fieldbus Foundation und ControlNet zusammen mit den jeweils tragenden Industriefirmen Siemens, Fisher Rosemount und Rockwell Automation auf eine gemeinsame Vorgehensweise in der internationalen Feldbusnormung verständigt. Danach will man die jeweiligen Lösungen vollständig und unverändert als gleichberechtigte Konzepte nebeneinander in die zukünftige IEC-Feldbusnorm integrieren. Damit hat der Feldbuskrieg dann wohl endlich ein Ende und für den Anwender bleibt die Qual der Wahl.
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