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Endlosfasern lösen WHO-Fasern ab

Gleichwertiger Ersatz reduziert Gesundheitsrisiko
Endlosfasern lösen WHO-Fasern ab

Die aktuelle Gesetzgebung zum Einsatz kritisch anzusehender WHO-Fasern läßt viele Fragen offen. Dennoch zwingt der Gesundheitsaspekt die Verarbeiter von künstlichen Mineralfasern zum Umdenken. Als ökonomisch gleichwertige Alternative eignen sich Endlosfasern nach dem Düsenziehverfahren.

Dipl.-Ing. (FH) Peter Übelmesser, Michaela Wassenberg

Vor knapp einem Jahr, am 12. Juni 1998, wurde die 3. VO zur Änderung der Gefahrstoffverordnung erlassen. Sie definiert die sog. K2-Einstufung von bestimmten künstlichen Mineralfasern (KMF). K2 bedeutet in diesem Fall kanzerogen und die Einstufung der Gesundheitsgefährdung für den Menschen.
Grundsätzlich fallen lt. der 3. VO unter diese Einstufung nur Fasern, die der WHO-Faserdefinition entsprechen. Der Begriff WHO-Faser wird wiederum in der Technischen Richtlinie zur Gefahrstoffverordnung TRGS 521 definiert und bezeichnet „Fasern mit einer Länge >5µm, einem Durchmesser 3µm und einem Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis von >3:1. Die 3. VO zur Änderung der GefStVO setzt die Begriffe „lungengängige Fasern“ und „WHO-Fasern“ gleich.
Gemäß den Anhängen der TRGS 521 sind Glaswolle, Steinwolle, Schlackenwolle und Aluminiumsilikatfasern (Keramikfasern) – also Fasern, die nach Schleuder- oder Blasverfahren hergestellt werden – grundsätzlich problematisch. Diese Fasern können jedoch durch den sogenannten Beweis der Biolöslichkeit von der K2-Einstufung freigezeichnet werden.
Endlosfasern als Alternative
Die Frage der technischen Machbarkeit eines Ersatzstoffes ist naturgemäß immer damit verknüpft, welche ökonomischen Auswirkungen eine solche Umstellung tatsächlich mit sich bringt – obwohl lt. TRGS 521 eine Umstellung prinzipiell auch dann erforderlich ist, wenn dadurch finanzielle Nachteile entstehen können. Es ist allerdings anzunehmen, daß die Unternehmenspraxis in diesem Fall anders aussähe.
Ein gangbarer Weg, um die Diskussionen über eine Gesundheitsgefährdung zu umgehen, ist daher, vollständig auf lungengängige Fasern zu verzichten und Endlosfasern zu verwenden, die nach dem Düsenziehverfahren hergestellt sind. Das Düsenziehverfahren ermöglicht als einziges Verfahren die Produktion von Fasern mit definiertem Faserdurchmesser. Im Gegensatz hierzu produzieren Schleuder- oder Blasverfahren eine keilförmige Faserstruktur und damit zwangsläufig Fasern, die aufgrund ihres Durchmessers lungengängig sind. Endlosfasern wie E-Glas und SiO2-Glas (Kieselglas) gelten daher als unproblematisch und unterliegen keiner Einstufung.
Ersatz nicht einfach 1:1 möglich
Daß ein Allroundwerkstoff technisch nicht einfach 1:1 durch einen Werkstoff ersetzt werden kann, hat die Asbestdiskussion und -substitution der Jahre 1985 bis 1991 gezeigt. In der heutigen Situation ist ein Ersatz von keramischen Fasern oder allgemein K2-KMF´s jedoch dringend notwendig. Damit der Einsatz von Alternativen sinnvoll und ökonomisch verträglich wird, muß eine genaue Maßschneiderung des Ersatzstoffes erfolgen. Denn ebenso wie bei Asbest handelt es sich bei keramischen Textilien in vielen Bereichen, wie z. B. unter dem Aspekt der Temperatur- und Medienbeständigkeit, um Allroundtalente.
Vorteile durch Sammelnvon Temperaturdaten
Zunächst müssen entscheidende Kenngrößen, wie die realistische Dauertemperaturstabilität in Verbindung mit der notwendigen Sicherheitsreserve, genau meßtechnisch ermittelt werden. Diese Datenaufnahme bringt dabei immer wieder überraschende, positive Erkenntnisse hervor. So wurden beispielsweise im Heizungskesselbereich traditionsgemäß Dichtungspackungen aus keramischen Fasern verwendet. Die entsprechenden Zeichnungsvorgaben lauteten auf Dauertemperaturstabilität 1000 °C. Im Rahmen der Ersatzstoffentwicklung belegten Messungen, daß nur eine maximale Temperaturbeaufschlagung von 300 bis 350 °C vorliegt. Damit lassen sich in diesem Fall sogar Glasfaser-Packungen wie isoGLAS einsetzen.
Temperaturbeständige Produktefür längere Standzeiten
Inzwischen liegen zahlreiche Produkte – insbesondere unter dem Aspekt der Temperaturbeständigkeit – vor. So kann beispielsweise aus den Produktreihen isoGLAS, isoTHERM 800, isoTHERM HT, isoTHERM 1000 und isoTHERM S/ST der ideale Werkstoff ausgewählt werden (Abb. 3).
Die Temperaturbeständigkeit dieser Produkte hängt dabei nahezu ausschließlich vom SiO2-Gehalt innerhalb des Glasgefüges ab. Der Basiswerkstoff mit der niedrigsten Temperaturbeständigkeit ist E-Glas (isoGLAS). Dieses Alumo-Boro-Silikatglas hat einen SiO2-Gehalt von ca. 56%, was einer Dauertemperaturstabilität von ca. 550 °C entspricht.
Der SiO2-Gehalt des Basiswerkstoffes kann entweder durch gezielte selektive Entfernung von Alkali- und Erdalkalioxiden (leaching-Verfahren) oder durch gezielte Anlagerung von SiO2 stufenweise erhöht werden. Das Verfahren ist unter dem Namen „Glasfaser mit verbesserter Temperaturstabilität“ patentiert und findet hauptsächlich bei dem Produkt isoTHERM 1000 Anwendung. IsoTHERM 1000 erreicht bei einer SiO2-Konzentration von ca. 64% eine Dauertemperaturstabilität von 850 °C, isoTHERM S/ST mit ca. 95% SiO2 sogar 1100 °C. Die hier vorgestellte Werkstoffreihe ist der gesamten Bandbreite von textilen Verarbeitungstechniken zugänglich. Darüber hinaus bietet die endlose Faserstruktur Vorteile bezüglich des mechanischen Verhaltens der textilen Grundprodukte.
Vorteile bei mechanischem Verhalten
Üblicherweise werden bei textilen keramischen Faserstoffen, wie beispielsweise der Produktreihe isoKERAM, aufgrund der Sprödigkeit und des hohen Kurzfaseranteils beim Spinnprozeß sogenannte Tragfasern zugesetzt. Erst mit Hilfe dieser Viskosetragfasern, die einen Anteil von bis zu 20% ausmachen können, erreicht man im Garn und in den Folgeprodukten die entsprechenden Festigkeitswerte. Mit dem Einsatz von organischen Tragfasern sind aber insbesondere auch die Nachteile der Brennbarkeit, der Geruchsbelästigung durch die Zersetzung des organischen Faserteils bei thermischer Beanspruchung über 200 °C, die damit einhergehende Verfärbung und teilweise Verhärtung sowie der Masseverlust unvermeidlich.
Diese Problematik läßt sich durch den Einsatz von Glas- oder veredelten Glasfasern vollständig umgehen, da hier ein komplett anorganisches, unbrennbares und temperaturstabiles Produkt vorliegt. Die mechanischen Eigenschaften der Fertigprodukte aus Glas- oder veredelten Glasfasern wie Knickstabilität, Weichheit, Anpassungsfähigkeit, Maßhaltigkeit, Formstabilität, Dichte etc., sind dabei weitestgehend individuell anpaßbar.
Stellgrößen sind hierbei beispielsweise der verwendete Einzelfaserdurchmesser von 6 bis 22 µm und der gewählte Texturiergrad der Garne, mit dem die Voluminösität und damit die Dichte des Fertigproduktes gesteuert werden kann. Eine Anpassung kann auch über die Garnkonstruktion mit der Höhe der Garndrehung erfolgen. Dadurch sind sowohl Funktionen wie Elastizität und Rücksprungverhalten aber auch die Druckstabilität des Fertigproduktes optimierbar.
Gravierende Vorteile gibt es auch im Bereich der nonwovens. Derartige Vliesstoffe aus isoGLAS, isoTHERM 1000 und isoTHERM S sind vollständig ohne organische Bindemittel oder Zusatzstoffe hergestellt. Die Verfestigung erfolgt dabei nach dem Nadelvliesprinzip. Die erreichbaren Dichten liegen im Bereich von 80 kg/m3 (weiche Vliesstoffe, drapierfähig) bis 250 kg/m3. Diese kompakten Materialien sind zwar steif, aber dennoch biegsam und lassen sich bis zu einer Dicke von 80 mm produzieren. Durch die vernadelten, mechanisch verfestigten Einzelvlieslagen bieten sie auch bei mechanischer Beanspruchung auf Biegung, Vibration und ähnlichem immer noch einen guten Lagenzusammenhalt und neigen nicht zum Delaminieren. Die niedrigen Wärmeleitfähigkeiten machen diese Textilien zu hervorragenden Hochtemperaturisolationswerkstoffen (Tabelle).
Verbesserte Ökonomie durch längere Standzeiten
Matten aus keramischen Fasern, die aufgrund der höheren Sprödigkeit und der niedrigeren Faserlänge und/oder der Verwendung von organischen Bindemitteln häufig ohne Temperaturbelastung, d. h. schon bei der Handhabung, delaminieren, sind oft nur einmal zu verwenden. Das ist auch bei der Stahlerzeugung oder in der Aluminiumindustrie der Fall. Bei Abgußprozessen wurden bislang Dichtringe oder Abdichtbänder aus Keramikfasermatten eingesetzt. Diese wurden bisher nach einmaliger Verwendung entsorgt. Durch den Einsatz von isoTHERM S-Nadelvlies konnte aufgrund der besseren mechanischen Stabilität eine fünffach höhere Lebensdauer und damit eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Lösung geschaffen werden.
Durch die Optimierung und Neuentwicklung von Fertigungsverfahren lassen sich Varianten mit unterschiedlicher Fertigproduktdichte produzieren und bei der Durchführung textiler Fertigungsprozesse einsetzen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn die einzelnen Produkte bezüglich der mechanischen Eigenschaften zu optimieren sind. So konnten in der Schwerindustrie isoTHERM S-Nadelvliese keramische Vliese zwar hinsichtlich der geforderten Dauertemperaturstabilität von 1000 °C ersetzen, ein ökonomischer Vorteil ergab sich jedoch erst bei Betrachtung des Gesamtprozesses.
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