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Für eine sichere Produktion

Vorschriften und Normen im Ex-Bereich
Für eine sichere Produktion

Anlagen und Geräte in explosionsgefährdeten Bereichen sind durch staatliche Vorschriften und technische Normen erfaßt. Für elektrische Geräte in der chemischen Industrie wurde 1996 die Richtlinie Atex 100a eingeführt, die nach Ablauf der Übergangsfrist im Jahre 2003 geltendes europäisches Recht sein wird.

Prof. Dr. Hans Wehinger

Bereits in den 70er Jahren gab es durch die „Richtlinie des Rates vom 18.12.1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten betreffend elektrische Betriebsmittel zur Verwendung in explosibler Atmosphäre (76/117/EWG)“ einen Binnenmarkt für elektrische Geräte im Ex-Bereich in der EWG. Diese Art der Binnenmarktrichtlinien erforderte bei Änderung der technischen Normen stets weitere Richtlinien zur Anpassung und hat sich als zu schwerfällig herausgestellt (Tab. 1). Zur Vermeidung dieser Nachteile entwickelte die EG-Kommission die „Neue Konzeption“ mit den folgenden Grundprinzipien:
• Die Harmonisierung der Rechtsvorschriften beschränkt sich auf die Festlegung der grundlegenden Sicherheitsanforderungen.
• Die für die Industrienormung zuständigen Gremien sollen technische Spezifikationen ausarbeiten.
• Diese technischen Spezifikationen erhalten keinerlei obligatorischen Charakter, sondern bleiben freiwillige Normen.
• Die Verwaltungen werden verpflichtet, bei Normenkonformität eine Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen anzunehmen.
Dadurch war das Erreichen der eigentlichen Zielsetzung möglich:
• freier Warenverkehr auch für Güter mit besonderen Qualitätsanforderungen, z. B. Sicherheit,
• vergleichbares Qualitätsniveau durch gleichartige Konformitäts-Bewertungsverfahren,
• Durchführung der Bewertung nach gleichen Maßstäben für gegenseitiges Vertrauen,
• Prüfung und Zertifizierung durch benannte Stellen, die gleichen Akkreditierungsverfahren genügen (EN 45 000) und
• Qualitätssicherung beim Hersteller nach gleichen Verfahren (EN 29 000, entspricht ISO 9000).
Nach mehr als vier Jahren Vorbereitung und Diskussion konnte im April 1994 schließlich die „Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten für Geräte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen“ (94/9/EG) verabschiedet werden. In der Fachwelt hat sich die Bezeichnung Atex 100a (atmorpshère explosible, Artikel 100a EWG-Vertrag) eingebürgert. Ein wesentlicher Fortschritt ist die umfassende Behandlung der Beschaffenheitsanforderungen an alle explosionsgeschützten Geräte mit potentiellen elektrischen oder nichtelektrischen Zündquellen in Gas(G)- oder Staub(D)-Bereichen (Gruppe II) und im Schlagwetterschutz (M-Gruppe I). Nahezu gleichzeitig mit der Erarbeitung der Richtlinie 94/9/EG begannen die Diskussionen über den Entwurf einer Richtlinie zur Verwendung (Montage, Installation und Betrieb) der genannten Geräte auf der Basis von Artikel 118a des EWG-Vertrages. Eine Verabschiedung konnte noch nicht erreicht werden.
Nationale Umsetzung
Der Prozeß der Umstellung vom alten europäischen Recht auf das neue bei elektrischen Geräten, und die Anpassung der bisherigen nationalen Regelungen an die neue Richtlinie für die übrigen Geräte sind mit einer großzügig bemessenen Übergangszeit bis zum 30.6.2003 versehen (Abb.1). Die nationale Umsetzung von Richtlinie 94/9/EG erfolgte am 19.12.1996 im Bundesgesetzblatt durch die „Zweite Verordnung zum Gerätesicherheitsgesetz und zur Änderung von Verordnungen zum Gerätesicherheitsgesetz“. Sie enthält in Art. 1 die Explosionsschutzverordnung (ExVO) mit Abschnitten über die Beschaffenheitsanforderungen an die Geräte und Schutzsysteme. Die weiteren Artikel enthalten die Änderungen zu den bestehenden Verordnungen der überwachungsbedürftigen Anlagen. Die ElexV und die VbF werden aufgrund der zahlreichen Änderungen neu gefaßt und beinhalten nur noch die Anforderungen für Montage, Installation und Betrieb.
Aus § 7(1) ExVO (Übergangsbestimmungen) ist zu entnehmen, daß die am 23.3.1994 bestehenden Fassungen von ElexV und VbF noch bis zum 30.6.2003 angewandt werden können. Dies bedeutet, daß Zertifizierungen und Zulassungen bis zum 30.6.2003 zweigleisig möglich sind. Es gilt daher der Grundsatz der strikten Trennung zwischen den Normen und Verfahren nach altem Recht und denjenigen nach neuem Recht. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, daß ab dem 01.7.2003 die totale Harmonisierung eingeführt ist. Ab diesem Zeitpunkt gibt es grundsätzlich keine nationalen Eigenwege oder Abweichungen bei Bauartzulassungen.
Inverkehrbringen von Ex-Geräten
Die Richtlinie 94/9/EG teilt die Geräte in Gruppen und Kategorien (Schutzniveau) ein (Tab. 2). Daraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die notwendigen Maßnahmen des Herstellers und der Zertifizierung. Eine vereinfachte Darstellung enthält Abbildung 2. Für elektrische Geräte der Kategorie 2 (Einsatz in Zone 1) ist nicht nur eine EG-Baumusterprüfbescheinigung erforderlich, sondern der Hersteller muß auch sein QM-System für dieses Produkt, oder die Produktgruppe, von einer Zertifizierungsstelle anerkennen lassen. Ähnliche Anforderungen gelten für Geräte der Kategorie 1 (Einsatz in Zone 0). Für Geräte der Kategorie 3 (Einsatz in Zone 2) ist nur die Konformitätserklärung des Herstellers erforderlich. Hervorzuheben ist die jetzt gleichartige Behandlung von nichtelektrischen Geräten im Vergleich zu elektrischen, nur für Kategorie 2 gelten geringere Anforderungen. Für die Konformitätserklärung des Herstellers fordert RL 94/9/EG in Anhang X unter anderem:
• Name oder Erkennungszeichen und Anschrift des Herstellers oder seines in der Gemeinschaft ansässigen Bevollmächtigten,
• Beschreibung des Gerätes, des Schutzsystems oder der Vorrichtung im Sinne des Artikels 1, Absatz 2,
• sämtliche einschlägigen Bestimmungen, denen das Gerät, das Schutzsystem oder die Vorrichtung im Sinne des Artikels 1, Ab-satz 2, entspricht,
• ggf. Namen, Kennummer und Anschrift der benannten Stelle sowie Nummer der EG-Baumusterprüfbescheinigung;
• ggf. die verwendeten Normen und technischen Spezifikationen sowie
• die Identität des vom Hersteller oder seinem in der Gemeinschaft ansässigen Bevollmächtigten beauftragten Unterzeichners.
Die neue Kennzeichnung der Geräte erfordert von Herstellern und Betreibern eine Umstellung, die technischen Angaben auf der Basis der Normen sind jedoch geblieben. Das Beispiel in Tabelle 3 soll die Situation verdeutlichen. Das rechtlich wichtigste Zeichen ist das CE-Zeichen.
Zertifizierung
Nach altem Recht werden für elektrische Betriebsmittel von zugelassenen Stellen Konformitätsbescheinigungen ausgestellt, die die Übereinstimmung mit den jeweils gültigen Normen bestätigen. Nach Richtlinie 94/9/EG ist die EG-Baumusterprüfbescheinigung das Zertifikat, das die Übereinstimmung mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen (GSA) feststellt. Das Zertifikat wird von einer benannten Stelle ausgestellt, die sich in der EU an einem Erfahrungsaustauschkreis (ExNB – notified bodies) beteiligen muß.
Abbildung 3 zeigt das Zertifizierungssystem nach Atex am Beispiel der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Der Mitgliedsstaat ist für die Benennung der Stelle zuständig, jedoch gestützt auf die Akkreditierung nach EN 45 000, die in Deutschland durch die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS) ausgesprochen sein muß. Eine durchgeführte Prüfung muß in einem getrennten Prozeß einer Bewertung unterzogen werden, erst dann kann das Zertifikat ausgestellt werden. Dieses Vier-Augen-Prinzip wird durch die Organisation in Prüflaboratorien und Zertifizierungsstelle erreicht. Für die richtlinienspezifische Anerkennung steht im Bild der grüne Pfad.
Technische Vorschriften und Normen
Die Rechtsvorschriften sind untersetzt durch technische Vorschriften und Normen, die im rechtlichen Sinne den Stand der Technik darstellen. Das inhaltlich umfassendste Dokument ist in Deutschland die Explosionsschutz-Richtlinie der Berufsgenossenschaft Chemie (Ex-RL). Die logische Gliederung und die Darstellung der Schutzmaßnahmen richtet sich nach physikalisch-chemischen Grundlagen (Abb. 4). Im Sinne der „Neuen Konzeption“ hat die EU-Kommission den Normenorganisationen CEN („Comité européen de normalisation“ Europäisches Komitee für Normung) und Cenelec (Europäisches Komitee für Elektrotechnische Normung) den Auftrag erteilt mandatierte Normen zu erstellen, die inhaltlich die Beschaffenheitsanforderungen (GSA) der Richtlinie 94/9/EG ausfüllen. Diese Normen werden nach einer Prüfung im EU-Rat im Amtsblatt der EU veröffentlicht und gelten dann als harmonisierte Normen. Das erste Beispiel dafür ist die von CEN erarbeitete Norm EN 1127-1-1997 „Explosionsfähige Atmosphären – Explosionsschutz – Teil 1: Grundlagen und Methodik“ die am 21.01.1999 harmonisiert wurde.
Bei CEN und Cenelec sind jeweils mehr als 30 Normen mandatiert und teilweise harmonisiert. Zusätzliche Normung für elektrotechnische Aspekte erfolgt international durch die IEC (International Electrotechnical Commission), so daß eine Vielzahl von Normen für den Ex-Bereich besteht, die teilweise durch die anfangs geschilderte europäische Rechtssetzung erfaßt sind oder auf nationaler Ebene gelten. Als Beispiel sei genannt die Norm zum Betrieb elektrischer Anlagen (8/98) VDE 0165, EN 60 079-14 gleichlautend durch Parallelabstimmung mit IEC 60079-14 und erarbeitet durch SC 31J von IEC/TC31. Weiterhin bestehen auf europäischer Ebene Normen für spezielle Ex-Geräte wie Kopfleuchten, Gabelstapler oder Gaswarngeräte.
Bei einer Beschränkung auf grundlegende Normen, die Schutzprinzipien (Zündschutzarten) beschreiben, kann bezüglich CEN auf die Liste „prEN 13 463 Nichtelektrische Geräte für den Eisatz in explosionsgefährdeten Bereichen“ verwiesen werden. Diese Normen sind noch nicht endgültig verabschiedet.
Für die elektrotechnische Seite bestehen bei Cenelec die Normen EN 50014 ff (Tab. 4), wobei EN 50 021 (Geräte zum Einsatz in Zone 2) technisch abgeschlossen, aber noch nicht endgültig formal verabschiedet ist.
Die staatlichen Vorschriften bekommen eine europäisch einheitliche klare Struktur, so daß das technische Regelwerk entsprechend vereinfacht werden kann. Die Entwicklung einer Technischen Regel Explosionsschutz (TrEx) ist in Deutschland in Bearbeitung und soll zukünftig die vielfältigen und zum Teil widersprüchlichen Regelungen im Rahmen der Verordnungen des Gerätesicherheitsgesetzes (GSG) und der verschiedenen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) in ein problemorientiertes Gesamtkonzept für den Explosionsschutz zusammenfassen.
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