Am 9. Oktober 2009 hatte die NASA ihre LCROSS-Sonde (Lunar Crater Observation and Sensing Satellite) auf Kollisionskurs mit dem Mond geschickt. Planmäßig schlug eine 2,3 Tonnen schwere Raketenstufe in den Cabeus-Krater am Mondsüdpol ein, die LCROSS-Sonde folgte kurz darauf. Bei dem doppelten Kamikaze-Manöver ging es um die Suche nach Wasser. Das Kalkül der Weltraumbehörde: Sollte es in der aufgewirbelten Wolke aus Staub und Gestein Wasser geben, dürfte dessen Signatur den Sensoren der Sonde kaum entgehen. Lange Zeit waren Planetologen davon überzeugt, dass der Mond staubtrocken ist. Die Bodentemperaturen fallen zwar nachts weit unter minus 100 Grad, doch am Mondtag steigen sie schnell wieder über den Gefrierpunkt. Jedes möglicherweise vorhandene Wasser müsste deshalb schnell ins Weltall verdunsten. In den 1990er-Jahren keimten jedoch erste Zweifel: Über beiden Polen hatte das Neutronenspektrometer einer US-Sonde Anzeichen für Wasserstoff gefunden. Inzwischen interpretieren viele Wissenschaftler das als Spur der Eisvorkommen im Boden. Die Ultraviolett-Strahlung der Sonne sollte den Wasserstoff aus dem Molekülverbund des Wassers herausgeschlagen haben – und er hätte sich dann über den mutmaßlichen Eisvorkommen angesammelt. Aber ist der Wasserstoff wirklich ein Hinweis auf Eis im Mondboden? Am Grund einiger polnaher Krater herrscht ewige Nacht. Stellenweise beträgt die Temperatur dort nur 35 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Einige Planetenforscher haben spekuliert, das Eis sei mit Kometen dorthin gekommen und in den Kratern in eine Art Kältefalle geraten. Die Interpretation blieb umstritten. Bis heute wurde nirgendwo offen am Boden liegendes Eis ausgemacht. Doch neue Untersuchungen belegen, dass Wasser auf dem Mond weiter verbreitet ist als vermutet. So hatte ein NASA-Spektrometer an Bord der indischen Raumsonde Chandra-yaan-1 elf Monate lang die Mineralien der Mondoberfläche kartographiert. Die Messungen zeigten charakteristische Absorptionslinien in der vom Mond reflektierten Infrarotstrahlung. Das lässt Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der Mondoberfläche zu. Die Infrarotmessungen sagen nur etwas über den obersten Millimeter der Mondoberfläche aus. Gibt es also bloß eine winzig dünne wasserhaltige Schicht? Dagegen spricht der Befund bei jungen Einschlagskratern: Auch dort, wo die Wucht des Einschlags tiefere Gesteinsschichten an die Oberfläche gebracht hat, fanden die Forscher die Wassersignatur. Doch in welcher Form das Wasser vorliegt, ist unklar, ebenso seine Herkunft. Forscher wie Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin tippen auf einen kontinuierlichen Entstehungsprozess. Danach spielen die Wasserstoffatome des Sonnenwinds, der beständig über die Mondoberfläche weht, eine wichtige Rolle. Zusammen mit dem Sauerstoff im Mondgestein könnten sie zu Wasser reagieren. Im Frühjahr berichteten allerdings US-Forscher, dass sie solche Reaktionen im Labor nicht nachvollziehen konnten. Sie favorisieren deshalb stetige Einschläge von eishaltigen Staubteilchen, „Microcomets“ genannt.
Zurück zum großen Ereignis am 9. Oktober 2009: Die taumelnde Centaur-Stufe bohrte sich mit dem dreifachen Tempo einer Gewehrkugel in den Boden am Mondsüdpol. Zunächst war das Ergebnis enttäuschend, denn die Aufwallung fiel kleiner aus als erwartet. Experten taxieren den Durchmesser des Einschlagskraters auf 20 bis 30 Meter. Viel von der aufgewirbelten Wolke blieb hinter dem kilometerhohen Wall des Cabeus-Kraters verborgen. Schließlich gelangen im höchsten Teil der Wolke doch noch aufschlussreiche Messungen. Sechs Wochen später waren sich die NASA-Forscher sicher: LCROSS hatte in der heißen Wolke etwa 100 Kilogramm Wasserdampf entdeckt. Wie viel Wasser im nachtschwarzen Dunkel von Cabeus noch schlummert, wissen sie allerdings nicht. Thorsten Dambeck
Internet
Website zum Lunar Reconnaissance Orbiter:
Bücher
Ralf Jaumann, Ulrich Köhler: „Der Mond“. Fackelträger, Köln 2009, Euro 49,90
Lambert Spix: „Moonscout“. Oculum, Erlangen 2009, Euro 9,90
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