Gläserne Produktion

Rund 1,5 Milliarden Tabletten, Dragees und Kapseln produzieren die 150 Mitarbeiter von Wiewelhove jährlich im Auftrag der Pharma- und Nahrungsmittelindustrie. Die Produktpalette des Ibbenbürener Unternehmens umfasst etwa 250 verschiedene feste, orale Nahrungsergänzungs- und Arzneimittel. Zu deren Herstellung werden im Jahr über 1000 t Vitamine, Mineralien und pflanzliche Wirkstoffe verarbeitet.

Bis vor kurzem nutzte der Auftragshersteller zur Steuerung seiner Geschäftsprozesse eine Betriebsführungssoftware, die jedoch den aktuellen Anforderungen nicht mehr genügte. Um Geschäfts- und Produktionsprozesse noch effizienter zu gestalten, suchte Wiewelhove ein moderneres und flexibles Manufacturing Execution System (MES), das zusätzlich die bislang genutzte Funktionalität zur Betriebsführung erfüllt. „Ein Umstieg auf SAP kam für uns als mittelständisches Unternehmen nicht in Frage. Wir suchten eine eigenständige Lösung, die auf die speziellen Bedürfnisse der Pharmaherstellung abgestimmt ist“, sagt Apotheker Dr. Döbber. Mitte 2001 entschied man sich für das Produktionsmanagementsystem Biceps des IT-Beratungshauses Logica CP. Ausschlaggebend war dabei die flexible und transparente Abbildung der Geschäftsprozesse durch die Software sowie das ausgeprägte pharmazeutische Branchen-Know-how des Anbieters. Logica CP übernahm die Implementierung und die Validierung des Produktionsmanagementsystems (PMS), das im März 2002 – nur sechs Wochen nach der Installation – in Betrieb genommen wurde. Rund 40 Mitarbeiter aus Einkauf, Lagerverwaltung und Produktion nutzen seitdem die Client-Server-Lösung beim Pharmaproduzenten.

Wiewelhove beliefert weltweit rund 80 Kunden, vom Zwei-Mann-Betrieb bis zum Großkonzern. „Als Auftragshersteller produzieren wir eine große Vielfalt an Arzneimitteln mit ständig wechselndem Programm. Dazu müssen wir zahlreiche Rezepturen verwalten, die Zusammensetzung und Herstellprozess eines Produkts im Detail festlegen“, erklärt der Geschäftsführer. Das stellt hohe Anforderungen an das Produktionsmanagementsystem, denn die Rezepturen werden vom Kunden festgelegt und können sehr unterschiedlich aufgebaut sein. Während die Vorgängerlösung verzweigte Strukturen nutzte, stellt Biceps die Arbeitsschritte einer Rezeptur linear dar. Das birgt entscheidende Vorteile: „Auf diese Weise lassen sich auch komplexe Rezepturen flexibel und einfach darstellen. Wir können nun problemlos Vorschriften verwalten, bei denen zum Beispiel drei Ansätze parallel gestartet und in einem vierten Arbeitsschritt wieder vereint und danach wieder aufgelöst werden“, lobt Dr. Döbber.

Biceps begleitet den Produktionsprozess eines Arzneimittels von Anfang an, beginnend beim Einkauf. Nach Auftragseingang erstellt das Programm Bestellvorschläge für die notwendigen Rohstoffe und informiert zugleich über die Zertifizierung des Lieferanten. Die Software stellt sicher, dass eine Bestellung gemäß den GMP (Good Manufacturing Practice)-Richtlinien nur bei freigegebenen Lieferanten erfolgen kann.

Die Kontrolle setzt sich beim Wareneingang fort. Hier kann der Mitarbeiter nur Ware entgegennehmen, für die zuvor eine Bestellung angelegt wurde. Bei der Annahme erstellt die Software einen Prüfplan für den Ablauf der Qualitätskontrolle, abgestimmt auf Material und Lieferanten. Proben der Ware gelangen ins Labor, der Rest wird gelagert. Dazu erhalten die eingehenden Rohstoffe eine Barcode-Etikettierung und werden entsprechend ihrer Materialeigenschaften, z. B. nach Brand- und Gefahrstoffklassen, optimiert auf die über 3000 Palettenplätze in den beiden Hochregallagern bei Wiewelhove verteilt.

Hat die Qualitätskontrolle die Rohstoffe für eine Rezeptur freigegeben, kann die Produktion beginnen. In der Zentralverwiegung werden an drei Arbeitsplätzen Wirkstoffe und Zutaten in Gebinde gewogen und diese mit einem Barcode versehen. Für die Bedienung der Waagen stehen den Mitarbeitern Edelstahlterminals mit komfortablen Touchscreens zur Verfügung.

Den Einsatz des eingewogen Rohstoffes quittiert der Produktionsmitarbeiter direkt am Ansatzgefäß durch Einscannen des Barcodes am Gebinde mit einem mobilen Funkscanner. Auch die weiteren Verarbeitungsschritte, vom Mischen über das Granulieren und Tablettieren bis hin zum Film-Coating und der Kapselbefüllung, steuert das Produktionsmanagementsystem. Die Prozessdaten werden zeitnah erfasst und dokumentiert. All dies gewährleistet eine lückenlose Chargenrückverfolgung gemäß den Richtlinien der GMP.

Die durchgängige Kontrolle über das Produktionsmanagementsystem setzt sich beim Konfektionieren der Arzneimittel fort. Eine Charge an Tabletten wird oftmals auf verschiedene Verpackungsgrößen verteilt. Die Software stellt hierfür gemäß der Rezeptur die benötigen Blister und Faltschachteln aus dem Lager zusammen. Die Menge des bereitgestellten sowie des nach der Konfektion überschüssigen Verpackungsmaterials wird genau erfasst. Auf diese Weise lässt sich der Ausschuss exakt bestimmen und so sicherstellen, dass jede Verpackung mit einem Beipackzettel versehen wurde. „Diese Art der Kontrolle war mit unserer Vorgängersystem nicht möglich. Mit der Software von Logica konnten wir die Produktsicherheit wesentlich erhöhen“, sagt Dr. Döbber.

Die neue Software wurde dank ihres logischen Aufbaus, der guten Menüsteuerung und der zahlreichen ergonomischen Funktionen von den Mitarbeitern bei Wiewelhove sehr schnell und sehr gut angenommen. Insbesondere der lesende Zugriff auf das PMS über das Windows-Programm Access findet großen Zuspruch. Dieser ermöglicht es den Anwendern, selbstständig spezielle Auswertungen zu erstellen. So können beispielsweise Maschinenbelegungslisten oder Kundeninventuren einfach nach Wünschen des Kunden oder Anwenders gestaltet und ausgegeben werden.

Als vorteilhaft bei der Implementierung der Software erwies sich der modulare Aufbau des Systems. So konnten zunächst die wichtigsten Funktionen für einen reibungslosen Ablauf der Geschäftsprozesse eingeführt werden. Noch nutzt man bei Wiewelhove nicht alle Möglichkeiten des Betriebsführungssystems. Doch schon bald sollen eingehende Aufträge über die vorhandenen Module Produkt- und Materialflusslogistik kalkuliert und geplant werden. Dies ermöglicht dem Auftragshersteller, seine Anlagen optimal auszulasten und eine flexible Terminplanung zu verwirklichen.

Als Full-Service-Dienstleister übernehmen wir nicht nur die Fertigung der Arzneimittel, sondern auch den Einkauf von Rohstoffen und die Qualitätskontrolle für unsere Kunden. Das erfordert eine ausgefeilte Logistik.