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HACCP-System muß gelebt und gepflegt werden

Sinnvoller Aufbau eines Sicherheitskonzeptes
HACCP-System muß gelebt und gepflegt werden

Ein HACCP-Konzept bringt Sicherheit gegenüber Kunden, Verbrauchern und Behörden. Es ist nicht teuer, sondern hilft, Risiken zu beherrschen und Verluste zu reduzieren. Gut erarbeitete Systeme können im Unternehmen effizient umgesetzt und gelebt werden.

Dipl.-Ing. U. Riedel

Was Insidern einzelner Branchen heute bereits als „alter Hut“ vorkommt, erhält durch eine neue nationale Gesetzgebung ungeahnte Aktualität. Neben der Richtlinie 93/43/EWG des Rates v. 14.6.1993 über Lebensmittelhygiene (kurz: Lebensmittelhygiene-Richtlinie) gibt es bereits einige nationale Verordnungen, die ein HACCP-Konzept branchenbezogen vorschreiben z.B.: Fleischhygiene-VO (§11c), Fischhygiene-VO (§10) und Milch-VO (§16).
Entsprechend der am 5.8.1997 inkraftgetretenen Verordnung über Lebensmittelhygiene (LMHV) § 4, sind nun alle Unternehmen, die Lebensmittel gewerbsmäßig herstellen, behandeln und in Verkehr bringen, gehalten, ein HACCP-Konzept zum Schutze des Verbrauchers zu erarbeiten und umzusetzen. Bei der Überwachung der Systeme in den Unternehmen durch die amtlichen Überwachungsbehörden hat es in der Vergangenheit starke Unterschiede in den Anforderungen gegeben. Es ist nun jedoch zu erwarten – und ein solcher Trend zeichnet sich bereits ab –, daß die Forderungen bei der Vielzahl zu überwachender Systeme einen gleichmäßigeren sehr hohen Stand einnehmen werden.
Daher wird eine fundierte konzeptionelle Arbeit entsprechend den Vorgaben der LMHV (Abb. 1) für die Betriebe immer bedeutender. Wichtiger als die Erfüllung der Anforderungen gegenüber der Überwachungsbehörde ist, daß sich durch ein gelebtes HACCP-Konzept Lenkungspotentiale für das Unternehmen ergeben, die einem Krisenfall vorbeugen oder eine Krise besser und mit weniger Schaden bewältigen lassen. Ein Konzept kann nur dann erfolgreich arbeiten, wenn die in Abbildung 2 gezeigten Ziele des Konzeptes in jeder Phase der Entwicklung im Auge behalten werden. Dabei werden bei der Umsetzung häufig die folgenden Schwachpunkte deutlich.
Keine Anpassung auf die eigenen Gegebenheiten
Durch die Vielzahl von Literatur und in letzter Zeit immer häufiger verwendeten Leitfäden, die zum Teil sehr gute Anschauungsbeispiele geben, werden die Verantwortlichen in den Betrieben dazu verleitet, Vorgaben oder ganze Systeme einfach zu übernehmen. Dabei ist es außerordentlich schwierig, objektiv die Anforderungen und Gegebenheiten des eigenen Betriebes (z.B. Produktvielfalt, personelle Voraussetzungen, wirtschaftliche Notwendigkeiten, Dokumentationsgewohnheiten) auf die Literaturvorgaben zu übertragen. Oft werden dadurch die Systeme vom Prüf- oder Dokumentationsaufwand her zu umfangreich oder wichtige Bereiche bzw. Produkte finden bei der Risikoanalyse keine Beachtung.
Zu viele kritische Kontrollpunkte
Nicht zuletzt durch einzelne Forderungen von Überwachern oder zu überzogene Lehrmeinungen werden häufig so viele Punkte innerhalb der Herstellungsabläufe als kritisch definiert, daß das System nicht mehr handhabbar ist. Dabei muß berücksichtigt werden, daß es sich nicht um „kritische Kontrollpunkte“ sondern um „kritische Lenkungspunkte“ handelt. Das heißt, es sind nur die Stellen als CCP zu definieren, bei denen eine Lenkungsmaßnahme (z.B. Nachregelung einer unsachgerechten Temperatur) noch dazu führen kann, daß das Produkt im Sinne der Verbrauchergesundheit als ungefährlich einzustufen ist. Punkte, an denen bei Abweichung eines Parameters das Produkt verdorben ist (z.B. zu hohe Auftautemperaturen, zu lange Auftauzeiten), sind nicht als kritische Lenkungspunkte zu betrachten.
Vernachlässigung der Verbraucher-gesundheit
Das System sollte in erster Linie auf die gesundheitlichen Aspekte bei der Risikoeinschätzung ausgerichtet sein. Natürlich kann ein ähnlich aufgebautes System auch helfen, qualitative Ansprüche an das Produkt zu steuern. Es sollte aber im ersten Ansatz zunächst auf die gesetzlichen Forderungen der LMHV beschränkt werden, wenn die Mitarbeiter im Umgang mit solchen Systemanforderungen nicht geübt sind. Außerdem hat das Unternehmen eine Nachweispflicht gegenüber der Überwachung, die das System ohne größere Probleme als sinnvolle Einheit erkennen können sollte.
Zuviel Dokumentation
Gerade bei der Ausrichtung auf Vorgaben aus der Literatur geschieht es häufig, daß der Umfang der Vorgabe- oder Nachweisdokumentation zu groß gewählt wird. Bei der Erarbeitung des Systems sollte immer die Frage nach Einfachheit, Wirtschaftlichkeit und möglichst wenig Dokumentation gestellt werden. Nur dann kann das System eine große Akzeptanz bei den Mitarbeitern haben, gut gepflegt (aktualisiert) und von allen gelebt werden. Häufig ist es wirtschaftlicher, sich bei der Erarbeitung des Systems kurzfristig externe Hilfestellung durch einen erfahrenen Berater zu holen, als durch alle Mitarbeiter ein zu umfangreiches System auf Dauer auszuführen. Wichtig ist in jedem Fall die Abstimmung mit der Überwachungsbehörde möglichst im Vorfeld der Bearbeitung und während der Erstellung der Dokumente.
HACCP nur als Aktenordner
Leider haben viele Verantwortliche noch nicht erkannt, daß es notwendig ist, das System nicht nur als Dokumentation in einem Regal stehen zu haben und bei Bedarf der amtlichen Überwachungsbehörde vorzuführen. Im Gegenteil ist es viel wichtiger, daß die festgelegten Vorgaben von allen Mitarbeitern auch gelebt, das heißt in allen Fällen umgesetzt werden. Nur dann ist die Vermeidung des Risikofalles möglich.
Eine vollständige Umsetzung des Konzeptes gelingt meistens nur, wenn die verantwortlichen Mitarbeiter an den Festlegungen mitgewirkt haben und ihre Erfahrungen und Belange einbeziehen konnten. Dabei spielt natürlich auch ein möglichst geringer Dokumentationsumfang eine wesentliche Rolle.
Ausrichtung nur auf die Überwachungsbehörde
Natürlich ist eine wesentliche Blickrichtung des Systems die gesetzliche Anforderung und die amtliche Lebensmittelüberwachung. Es sollte aber nicht vernachlässigt werden, daß das System in erster Linie der eigenen Unternehmens- und der Verbrauchersicherheit dienen soll. Daher gibt es auch immer mehr berechtigte Anforderungen von Kunden und Produktversicherern nach einem vorhandenen und gelebten System.
Auch wenn in letzter Zeit Meinungen öffentlich diskutiert werden, nach denen eine Bestätigung des funktionierenden HACCP-Konzeptes von einer neutralen dritten Organisation (Zertifizierungsstelle) nicht als nötig erachtet wird, sollte jedoch der Anspruch des Kunden und Verbrauchers auf umfassende Bestätigungen nicht vernachlässigt werden. Dies kann auch in der Hinsicht wichtig sein, daß die amtliche Lebensmittelüberwachung angesichts der Zahl der geforderten Unternehmen unmöglich alle Betriebe flächendeckend in kurzer Zeit erfassen kann. Eine HACCP-Zertifizierung soll eine amtliche Überwachung nicht ersetzen, sondern eine zusätzliche Bestätigung für den Kunden und Verbraucher darstellen (Abb. 3). Ein gutes System der Sicherheit, das im Unternehmen sowieso vorhanden ist, kann zusätzlich zu Marketingzwecken im Sinne der Vertrauensbildung eingesetzt werden.
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