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Internet hält Einzug in die Automatisierung

Die Interkama 2001 zeigt die ersten Systeme auf Internet-Basis
Internet hält Einzug in die Automatisierung

Das Internet steht für Freizeit, für Dynamik und Kurzlebigkeit, die industrielle Automatisierung basiert auf extrem hoher Zuverlässigkeit bei Reaktionen im Millisekundenbereich. Ein Gegensatz, der auf den zweiten Blick jedoch auch Gemeinsamkeiten erkennen lässt: Beide Bereiche verarbeiten große Datenmengen, sind zur Aktualität verpflichtet und müssen das Problem der verteilten Intelligenz bewältigen.

Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz

Das Internet hat in vielen Bereichen der Kommunikationstechnik, der Hardware und der Software neuen Technologien zum Durchbruch verholfen. Die Verwendung dieser Technologien für die Erstellung von Automatisierungssystemen kann einen hohen wirtschaftlichen Nutzen mit sich bringen. So wie moderne Automatisierungssysteme auf kommerziellen Technologien wie Ethernet, TCP/IP, Microsoft Windows u.ä. basieren, werden auch Internet-Technologien wie Microsoft Explorer, HTML-Sprachen, Java, XML, Suchmaschinen u.ä. in die Automatisierungstechnik Einzug halten. Auch die breitbandigen Kommunikationstechniken wie UTMS und Bluetooth bieten gerade in Produktionsanlagen völlig neue Möglichkeiten. Diese Internet-Technologien sind infolge der großen Verbreitung relativ preiswert und gut getestet und haben den Vorteil der Vertrautheit für Anlagenfahrer und Ingenieure. Ihr Bekanntheitsgrad, ihre intuitive Benutzung, ihre Hilfefunktionen und andere Vorteile werden die Bedienung von Anlagen vereinfachen und den Schulungs- und Einarbeitungsaufwand verringern. Auch andere Neuerungen sind für die Automatisierungstechnik hoch interessant, beispielsweise die Peer-to-Peer-Technologie, die den bisherigen zentralistischen Ansatz durch ein Netzwerk gleichberechtigter Rechner ablöst. Durch den Standard XML wird die weltweite Offenheit der Systeme endgültig erreicht. Es ist Aufgabe der Hersteller von Automatisierungssystemen, diese Technologien zu prüfen und zu nutzen, ohne die hohe Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit von Automatisierungssystemen zu gefährden. Beim Rundgang über die Interkama 2001 wird man daher den Internet-Explorer in ersten Bedienkomponenten von Automatisierungssystemen sehen können.
Geringe Anforderungen an Verfügbarkeit und Reaktionszeit
Am wenigsten Probleme bei der unmittelbaren Nutzung des Internets gibt es in Randbereichen der industriellen Automatisierung, die geringe Anforderungen an die Verfügbarkeit und Reaktionszeit stellen. Schon weit verbreitet sind Internet-Dienstleistungen im Bereich der Automatisierungstechnik, zum Beispiel:
• Bereitstellung der Systemhandbücher auf dem Internet
• Bereitstellung von Updates, Upgrades und Fehlerbeseitigungsroutinen auf dem Internet
• Pflege der PLS-Anwendungen auf einer geschützten Internetseite, damit Anwender und Service des Herstellers für Support und Ersatzteilversorgung auf den aktuellen Systemstand zugreifen können
• Ersatzteilbestellung per e-Commerce
• Remote Service bzw. Ferninstandhaltung durch den Hersteller oder Spezialisten des Anwenders bei der Fehleranalyse und Systemüberwachung
• e-Training (Training von Anlagenfahrern und Ingenieuren per Internet)
• Remote Engineering, das weltweit verteiltes Engineering ermöglicht
Diese Funktionen sind zwar nicht zeitkritisch und ein Ausfall gefährdet auch nicht die Verfügbarkeit der Anlagen. Wichtig ist jedoch der Zugriffsschutz gegen Externe sowie gegen Einsicht durch unbefugte Mitarbeiter von Anwender und Automatisierungshersteller. Durch Passwortschutz und ggf. automatische Protokollierung der Dialoge lässt sich die erforderliche Vertraulichkeit sicherstellen.
Fernüberwachungund Fernbedienung
Kritischer wird die Verwendung der Internets zur Fernüberwachung und Fernbedienung von Anlagen. Der Bedarf dafür ist da, insbesondere bei verteilten Anlagen wie z. B. die Überwachung von Pipelines, Wasserwerken und Kläranlagen. Hier gibt es keine ständig besetzte lokale Messwarte, so dass die Signale in eine zentrale Messwarte weitergeleitet werden müssen – zur Zeit eine aufwändige und teure Lösung. Aber auch in der chemischen Industrie mit ständig besetzten Messwarten wird zunehmend die umgangssprachlich „PC am Bett“ genannte Fernüberwachung und -bedienung gefordert, beispielsweise, damit der Betriebsleiter das Vorgehen bei Störungen mit dem Bedienpersonal besprechen kann, ohne ins Werk zu fahren. Diese letztgenannte Anwendung ist additiv zur ständig besetzten Messwarte, so dass Ausfälle der Verbindung keinerlei Sicherheits- oder Verfügbarkeitsrelevanz für die Produktion haben. Kritischer zu sehen ist jedoch eine ausschließliche Fernüberwachung ohne lokale Personalpräsenz. Dies setzt ein ausgefeiltes Sicherheits- und Qualitätskonzept in der fernüberwachten Station voraus, so dass bei Ausfall der Fernüberwachung Schäden sicher auszuschließen sind.
Auch eine regelmäßige automatische Überprüfung der Kommunikationswege ist zu empfehlen, damit der Betreiber zumindest in Abständen sicher sein kann, dass Störungsmeldungen ihn tatsächlich erreichen würden. Noch vorsichtiger ist vorzugehen, wenn neben der Fernüberwachung noch eine Fernbedienung vorgesehen ist. Hier ist neben dem Ausfallrisiko auch das Risiko der Übertragungsfehler (Datenintegrität) und unerlaubter Eingriffe durch Externe zu bewerten. Aus dem Internet-Banking gibt es Lösungen hierzu, die neben dem Passwortschutz spezielle Codewörter für jede einzelne Transaktion erfordern. Diese Lösungen sind für eine kontinuierliche Fernbedienung völlig ungeeignet, so dass hier auf bessere Technologien gewartet werden muss. Eine Anwendung zum jetzigen Zeitpunkt wäre allenfalls akzeptabel, wenn die fernbedienten Anlagen hoch automatisiert und Bedieneingriffe nur sehr selten erforderlich sind (z. B. Sollwertverstellungen oder Einplanen von Aufträgen).
Verteilte zeitkritischeAutomatisierung
Noch nicht gelöst sind die Probleme einer zeitkritischen und hochverfügbaren verteilten Automatisierung, bei der aktuelle Prozessdaten in beide Richtungen über Internet übertragen werden müssen. Hierfür sind weder die Verfügbarkeit noch die Antwortzeiten des Internets ausreichend, und man würde letztlich am falschen Platz sparen, einen verlässlichen Systembus durch das Internet zu ersetzen. Ein Lösungsansatz wäre denkbar, der sich bei der Nutzung von Standards der Bürokommunikation für Automatisierungssysteme durchgesetzt hat: Hier wurden beispielsweise für die Automatisierungssysteme separate Netzwerke errichtet, so dass keine Kollisionen mit anderen Datenmengen auftreten. Die Betriebssysteme wurden um Komponenten ergänzt, die Redundanz und Echtzeitverarbeitung ermöglichen. Analog könnte auch das Problem der verteilten Automatisierung per Internet durch Einkapselung und Funktionsergänzung gelöst werden: In einem separaten Intranet, unter Verwendung separater Server mit Redundanzkomponenten, sind auch die Forderungen nach zeitkritischen und hochverfügbaren verteilten Automatisierungslösungen sicherlich erfüllbar.
Eine Frage der Wirtschaftlichkeit
Abbildung 3 stellt im Überblick die genannten, derzeit realisierbaren Internet-Zugriffe auf die Automatisierungssysteme dar. Der Ersatz des Systembusses durch das Internet ist wegen der genannten Probleme noch nicht sinnvoll. Bei allen Überlegungen, inwieweit das Internet die Automatisierungstechnik beeinflussen wird, sollte im Auge behalten werden, dass dies keine dogmatische, sondern eine wirtschaftliche Frage ist. Wenn die erzielten Einsparungen durch spürbare Funktionseinschränkungen erkauft werden müssen oder gar ein Anlagenrisiko mit sich bringen, werden sie keine Akzeptanz finden. Die Hersteller von Automatisierungssystemen sind gefordert, kreative und verlässliche Lösungen und Dienstleistungen zu entwickeln und zu präsentieren.
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