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Keine Chance für Blitze

Auswahl von Überspannungs-Schutzgeräten für die Prozesstechnik
Keine Chance für Blitze

Im zunehmenden Maße wird Intelligenz in das Feld verschoben, d.h., die Auswertung von Sensorsignalen ist in räumlicher Nähe zum Messpunkt zu erbringen. Einher mit dieser Forderung geht eine uneingeschränkt hohe Verfügbarkeit auch in rauen Industrieumgebungen. Um dies zu gewährleisten, sind zahlreiche Schutzmaßnahmen notwendig, wobei eine Grenze zwischen EMV-Maßnahmen und Überspannungs-Schutzeinrichtungen besteht.

Dipl.-Ing. (FH) Steffen Langner, Dipl.-Ing. (FH) Herbert Krämer

Prozesstechnische Anlagen sind wegen ihrer weiten räumlichen Ausdehnung durch Blitzeinwirkungen gefährdet. Niedersachsen registrierte 90 Erdblitze und 26 Wolkenblitze in einer halben Stunde auf einem Areal von etwa 100 km2. Durch einen Blitzeinschlag in dieser Region stand eine Gasverdichteranlage für mehrere Tage still. Die Ausfallkosten der Anlage waren enorm. Dies zeigt, um Anlagenverfügbarkeit sicherzustellen ist ein umfassendes Blitz- und Überspannungs-Schutzkonzept notwendig. Ein Teil dieses Konzeptes beinhaltet den Schutz gegen Überspannungen von Messumformern und Speisegeräten. Eine typische EMV-Maßnahme bei Messumformern und Speisegeräten sind integrierte Suppressordioden, die Störungen zwischen den Leitern der Stromschleife (4…20 mA) kurzschließen. Überspannungen, beispielsweise als Folge eines Blitzeinschlags, werden so nicht entschärft. Zusätzliche Überspannungs-Schutzgeräte sind notwendig.
Überspannungs-Schutzgeräte
Bevor ein explosionsgeschützter Messkreis in Betrieb genommen werden kann, muss der Betreiber den Nachweis erbringen, dass das Speisegerät, der Messumformer, die verwendeten Kabel sowie die Schutzmaßnahmen die Zusammenschaltbedingungen erfüllen. Gegebenenfalls sind die Längsinduktivitäten oder Kapazitäten der Überspannungs-Schutzeinrichtung – sofern vorhanden – mit in die Betrachtung aufzunehmen. Ist der Sensor in der Ex-Zone 0 montiert und der Messumformer in der Zone 1, bildet dieser Messumformer den Übergang von Zone 0 zu 1. Häufig wird das Sensorsignal galvanisch getrennt, wodurch Leckströme vermieden werden, die zu einer Messwertverfälschung führen. Die EN 60079-14 (DIN VDE 0165-1) gibt für Betriebsmittel an Leitungen aus der Zone 0 ebenfalls eine galvanische Trennung zwischen eigensicheren und nicht eigensicheren Stromkreisen an. Das bedeutet für den Überspannungsschutz, dass er die Erdfreiheit des Systems nicht beeinflussen darf. Der Messkreis des Messumformers muss in diesem Fall (Installationsort des Sensors: Zone 0) eine ia-Zulassung haben, das heißt er muss eigensicher sein und der Zündschutzart EEx ia genügen. Im Beispiel sind der Messumformer und der Überspannungsschutz in Zone 1 installiert, so dass die Zündschutzart ib für die 4…20 mA-Schleife ausreicht. Der angeführte Überspannungsschutz erfüllt mit der Zertifizierung nach ia die schärfsten Anforderungen hinsichtlich Explosionsschutz und eignet sich auch für den Einsatz in ib-Applikationen.
Die Installation der Leitungen zwischen dem Überspannungs-Schutzgerät (ÜSG) und dem Betriebsmittel hat so zu erfolgen, dass Beeinflussungen durch Blitze ausgeschlossen werden. Hilfreich sind hier geschirmte Leitungen oder die Verlegung im Metallrohr mit beidseitiger Erdung. Um den Explosionsschutz auch bei Gewitter zu gewährleisten und um gefährliche Potentialdifferenzen zu vermeiden, weist die EN 60079-14 (DIN VDE 0165-1) darauf hin, dass bei Gefährdung durch Überspannung jede Ader eines Betriebsmittels in Zone 0 mit Überspannungsschutz zu beschalten ist. Als Beispiele werden Lagertanks für brennbare Flüssigkeiten, Kläranlagen und Destillationskolonnen in petrochemischen Anlagen aufgeführt. Die Installation des Überspannungsschutzes sollte in der Zone 1 erfolgen, um eine Funkenbildung in der Zone 0 unter allen Umständen zu verhindern.
ÜSG in der Prozesstechnik
Die Norm EN 60079-14 fordert ein Mindestableitvermögen des ÜSGs von 10 x 10 kA der Wellenform (8/20 ms). Das Schutzgerät muss in einem metallischen geschirmten Gehäuse eingebaut und mindestens entsprechend 4 mm² Cu geerdet werden. So werden zum einen die abgehenden Adern gegen elektromagnetische Beeinflussungen geschützt und zum anderen beim Ableitvorgang durch den niederimpedanten Erdanschluss keine gefährlichen Spannungen aufgebaut. Diese Normeninhalte sind natürlich in erster Linie dazu da, um Explosionen zu verhindern, sie erhöhen aber zugleich die Verfügbarkeit der Anlage. Prüfbedingungen und Anforderungen an einen Ableiter für informationstechnische Leitungen werden in der IEC 61643-21 beschrieben. Diese Norm beschreibt nicht nur die Prüfung des maximalen Ableitvermögens, sondern auch das Auffinden eines möglichen Blind Spot-Verhaltens. Blind Spot-Verhalten bedeutet die Zerstörung einer Schutzstufe durch einen Impuls, dessen Parameter Werte aufweisen, so dass die Folgeschutzstufe noch nicht anspricht. Durch die Prüfung der Schutzgeräte nach IEC 61643-21 wird die mögliche Fehlerquelle Blind Spot eliminiert und für den Anwender ergibt sich eine höhere Betriebssicherheit. Für die Betriebssicherheit ist es zudem besonders wichtig, dass bei Überlast des Schutzgerätes ein definierter Fehlerfall eintritt. Eine gängige Technik ist das Fail Safe-Prinzip. Im Falle einer Überlast geht das Schutzgerät definiert in den Kurzschluss und zeigt durch die Signalunterbrechung den Ausfall an. Durch den Kurzschluss bleibt die Anlage auch bei Folgebeeinflussungen geschützt.
Erweiterung des EMV-Schutzes notwendig
In der Prozesstechnik werden gewöhnlich Messumformer mit CE-Kennzeichnung eingesetzt, die den EMV-Störsicherheitsanforderungen der Namur-Empfehlung NE 21 für den allgemeinen Gebrauch an die Betriebsmittel der Prozess- und Labortechnik genügen. Signaleingänge solcher Betriebsmittel müssen Spannungsbelastungen von 0,5 kV zwischen zwei Leitungsadern und 1,0 kV Leitungsader gegen Erde widerstehen.
Durch das hochohmige Einkoppelnetzwerk kommen bei dieser Surge-Prüfung typischerweise nur einige 10 A zum fließen. Stellt man diese Anforderungen der EMV den Anforderungen an Überspannungs-Schutzgeräte gegenüber, so wird der Unterschied deutlich. Überspannungs-Schutzgeräte werden mit einem Hybridgenerator geprüft. Bei einer Ladespannung von 20 kV fließt ein Stoßstrom von 10 kA (8/20 ms) durch das zu testende Gerät – also ein Vielfaches der Energie, die von einem industriellen Messumformer absorbiert werden kann.
Bei Gefahr von Blitz- und Überspannungseinwirkungen ist folglich der EMV-Schutz durch Überspannungs-Schutzgeräte koordiniert zu erweitern. Dies kann beispielsweise mit dem energetisch koordinierten Überspannungs-Schutzgerät Blitzductor CT MD/Ex erfolgen. Das Schutzgerät begrenzt Strom, Spannung und Energie leitungsgebundener Störimpulse sicher auf Werte, die unter den Anforderungen der NE 21 liegen. Die Kennzeichnung der energetischen Koordination ist auf dem Schutzgerät angebracht und lautet (X/1).
Auswahl der ÜSG
Die Ansprechspannung (Schutzpegel) des ÜSGs muss durch den Betreiber und einen Fachmann für die jeweilige Installation bestimmt werden. Ebenso darf das Schutzgerät nicht nur nach der Schutzwirkung ausgewählt werden, sondern muss auch den maximalen Betriebsparametern des Messkreises genügen. Zu beachtende technische Daten eines Messumformers sind z.B. die maximale Versorgungsspannung für Ex-Applikationen Ui, der Kurzschlussstrom Ii und nicht zuletzt die ggf. überlagerte Kommunikationsfrequenz auf der 4…20 mA-Schleife der Schnittstelle. Die Ableiterbemessungsspannung Uc des Schutzgerätes muss mindestens so hoch sein wie die maximale Leerlaufspannung UO des Speisegerätes. Wenn man sich nur nach der Nennspannung richtet, ist Vorsicht geboten. Durch einen Fehlerfall könnte die volle Leerlaufspannung am Schutzgerät anliegen und dieses damit überlasten, was wiederum die Verfügbarkeit beeinträchtig. Die Forderung, dass der Nennstrom IN des Schutzgerätes mindestens so groß sein muss wie der im Fehlerfall zu erwartende Kurzschlussstrom Ii des Messumformers liegt auf der Hand, da sonst die Eigensicherheit des Kreises durch eine unzulässige Temperaturüberhöhung am Schutzgerät aufgehoben werden könnte. Um FSK (Frequency Shift Keying)-Signale wie Hart problemlos zu übertragen, ist ein Schutzgerät mit einer sehr hohen Grenzfrequenz fG zu wählen. Geräte mit integrierten Induktivitäten sind deshalb zu vermeiden.
Fazit
Endgeräte mit internen Schutzmaßnahmen, die aus EMV-Sicht nötig sind, um die CE-Kennzeichnung zu erhalten und Blitz- und Überspannungsschutz sind zwei verschiedene Dinge. EMV-Maßnahmen in Endgeräten sind nicht ausreichend, um die Verfügbarkeit prozesstechnischer Anlagen sicherzustellen. Moderne, mehrstufige Überspannungs-Schutzgeräte sind in der Lage, Blitzbeeinflussungen so zu minimieren, dass die angeschlossenen Endgeräte nicht überlastet werden. Jedoch sollte man bei der Auswahl der ÜSG sowohl die Anforderungen aus dem Explosionsschutz, die Koordination des Ableiters zum Endgerät, als auch die Betriebsparameter des MSR-Kreises beachten.
E cav 286
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