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Kleine Veränderung mit großer Wirkung

Fluorpolymere der 2. Generation für den schwierigen Korrosionsschutz im chemischen Apparatebau
Kleine Veränderung mit großer Wirkung

Fluorpolymere verfügen über ausgezeichnete korrosionsschützende Eigenschaften. Um sie als Auskleidungswerkstoff im chemischen Anlagenbau einsetzen zu können, sind jedoch neben den eigentlichen Materialeigenschaften noch zusätzliche Kriterien, speziell das Permeationsverhalten, zu beachten. Dieses wurde bei den Fluorpolymeren der 2. Generation erheblich verbessert.

Dr. Michael Schlipf

Der Einsatz von Fluorkunststoffen für die Auskleidung von chemischen Apparaten nimmt immer mehr an Bedeutung zu. Neben einer sehr guten Chemikalienbeständigkeit verfügt diese Werkstoffklasse über weitere Vorteile wie hohe Temperaturbeständigkeit, gute Alterungsbeständigkeit, ausgezeichnete Form- und Spannungsrißbeständigkeit, hohe Reinheit und eine glatte, antiadhäsive und damit leicht zu reinigende Oberfläche. Im folgenden sind aus der Vielzahl der angebotenen Fluorpolymere nur einige perfluorierte Vertreter herausgegriffen, weil sie für die Anwendung „schwieriger Korrosionsschutz“ die besten Werte hinsichtlich ihrer Chemikalienbeständigkeit aufweisen.
Polytetrafluorethylen
Der nach wie vor wichtigste Vertreter der vollfluorierten Polymere ist PTFE, ein teilkristalliner Werkstoff aus Tretrafluorethylen (TFE). Seine Schmelztemperatur liegt bei 327 °C. Aufgrund des Molekulargewichtes von bis zu 108 g/mol ist die Schmelzviskosität jedoch so hoch, daß eine Verarbeitung nur nach speziellen Preß- und Sintertechniken (Suspensions-PTFE) oder durch Pastenextrusion (Emulsions-PTFE) möglich ist.
Modifiziertes PTFE (TFM)
Durch Copolymerisation mit einer geringen Menge (1%) des perfluorierten Modifiers, Perfluorpropylvinylether (PPVE), entsteht das modifizierte Fluorpolymer TFM PTFE mit einem abgesenkten Molekulargewicht. Aufgrund des geringen Modifier-Anteils ist TFM PTFE nach ISO 12086 als Homopolymer PTFE eingestuft. TFM PTFE läßt sich nach den für PTFE üblichen Methoden verarbeiten, weist aber ein deutlich verbessertes Eigenschaftsprofil auf. So verfügt TFM PTFE über reduzierten Kaltfluß, verringerte Permeation, kleineres Porenvolumen und einen niedereren Stretch-Void-Index (SVI). Durch die Modifizierung ergaben sich weitere Eigenschaften, wie beispielsweise die Verschweißbarkeit des Fluorthermoplasten PFA.
Perfluoralkoxy-modifiziertesPTFE (PFA)
PFA ist ein thermoplastisch verarbeitbares, semikristallines Produkt, das mit ca. 4% PPVE modifiziert ist. Chemische Beständigkeit und Dauergebrauchstemperatur sind mit denen von PTFE vergleichbar. Die Möglichkeit der Verarbeitung mittels Extrusion, Spritzguß und Transfer Molding eröffnet aber diesem „thermoplastischen PTFE“ viele zusätzliche Anwendungen, die mit den bisherigen Verarbeitungsmethoden nicht möglich sind.
Fluoriertes Ethylen-Propylen (FEP)
FEP enthält neben Tetrafluorethylen ca. 15 bis 20% Hexafluorpropylen und ist ein ebenfalls nach Thermoplastmethoden verarbeitbares, perfluoriertes Polymer. Während die Chemikalienbeständigkeit ebenfalls sehr gut ist, liegt die Dauergebrauchstemperatur ca. 50 °C unterhalb der von PTFE, TFM PTFE oder PFA, also bei ca. 205 °C. Hauptanwendungsgebiete sind neben dem chemischen Apparatebau vor allem die Draht- und Kabelindustrie.
Chemikalienbeständigkeit
PTFE besteht vollständig aus linearen Polymerketten. Als Folge der festen Kohlenstoff-Fluor-Bindung, die einen exzellenten Schutz der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Kette des Polymerrückgrates zur Folge hat, widersteht PTFE nahezu allen Chemikalien. So können hochkonzentrierte Säuren und Laugen, aber auch alle üblichen Lösemittel, die Kunststoffe nicht chemisch angreifen und zerstören. Die einzigen Schwachstellen für solche Angriffe sind die Endgruppen der Polymerketten. Infolge des sehr hohen Molekulargewichts sind diese aber sehr selten und ein Angriff praktisch vernachlässigbar. Für die Thermoplaste PFA und FEP gilt sinngemäß das Gleiche. Die Polymerketten sind allerdings deutlich kürzer, was einen Anstieg der Endgruppenkonzentration zur Folge hat. Speziell bei PFA werden durch die PPVE-Sauerstoffatome zusätzliche polare Stellen in das Molekül eingebracht. Im großen und ganzen haben aber alle vier genannten Fluorpolymere eine exzellente Chemikalienbeständigkeit, zumal auch die Modifier vollständig durch Fluoratome geschützt sind.
Dennoch sind einige wenige Einschränkungen zu beachten. So greifen Alkalimetalle besonders in flüssigem oder gelöstem Zustand perfluorierte Kunststoffe an. Die Reaktionen verlaufen teilweise sehr heftig. Auch elementares Fluor, besonders bei erhöhten Temperaturen, kann zu starken Reaktionen führen. FKWs und FCKWs reagieren zwar nicht mit PTFE, TFM PTFE, PFA oder FEP, sind aber sehr gute Lösemittel und quellen die Materialien an. Bei nur kurzzeitigem Einwirken ist das Anquellen reversibel.
Trotz ausgezeichneter Chemikalienbeständigkeit kann es in der Praxis zu einer verkürzten Lebensdauer bzw. zu Ausfällen kommen. Der Grund ist meist nicht etwa eine begrenzte chemische Beständigkeit des Auskleidungswerkstoffes, sondern vielmehr die Permeation der Chemikalie durch den Auskleidungswerkstoff. So können Monomere – beispielsweise Butadien, Styren oder Acrylnitril – im Rahmen eines normalen Permeationsvorganges in die Auskleidungsmaterialien eindringen und dann, bei spontaner Polymerisation, zu einem starken Quellen und letztendlich zu einer Zerstörung der Polymerstruktur führen. Dies kann unter anderem zu Hinterrosten oder Blasenbildung führen.
In kritischen Einzelfällen, insbesondere wenn Gemische aggressiver Chemikalien vorliegen, sollte daher auf eine vorherige Prüfung des Auskleidungswerkstoffes nicht verzichtet werden.
Permeation durch Fluorpolymere
Die wichtigsten Größen für Permeationsbetrachtungen sind der Permeationskoeffizient P, der Diffusionskoeffizient D und der Löslichkeitskoeffizient S. Die Größen stehen in folgendem Zusammenhang: P = D • S. Der Permeationskoeffizient P ist dabei die auf die Einheitsdicke bezogene Durchlässigkeit. Der Diffusionskoeffizient D ist ein Maß für die Geschwindigkeit, mit der die Diffusion fortschreitet, während der Löslichkeitskoeffizient S ein Maß für die Löslichkeit des Permeenten im Polymeren ist.
Das komplexe Zusammenwirken von D, S und P sei am Beispiel der Permeationskoeffizienten von verschiedenen Fluorpolymerfolien für Sauerstoff, Stickstoff und Kohlendioxid erläutert (Tabelle 1). Wie man sieht, ist beispielsweise die Kohlendioxid-Durchlässigkeit der drei Fluorpolymerfolien etwa dreimal größer als die Sauerstoff-Durchlässigkeit, obwohl das Kohlendioxidmolekül größer ist als das Sauerstoffmolekül.
Beeinflussung der Permeation
Die Tatsache, daß Permeation stattfindet, ist zwar grundsätzlich durch die Auswahl des Auskleidungswerkstoffes und der permeierenden Chemikalie gegeben, sie läßt sich aber zusätzlich in ihrem Betrag beeinflussen. So wird beispielsweise nur bei PTFE ein Porengehalt beobachtet. Bei TFM PTFE kann er in sehr geringem Umfang auftreten. PFA und FEP sind als Thermoplastmaterialien porenfrei.
Kristalline Bereiche in Fluorpolymeren gelten als inpermeabel. In ihnen ist das freie Volumen weitestgehend minimiert. Je höher die Kristallinität, desto kleiner ist folglich die Durchlässigkeit. Im Gegensatz hierzu erhöhen Füllstoffe die Permeation.
Die Temperaturabhängigkeit der Permeation hat in der Regel die Form einer Arrhenius-Geraden. Sie kann durch folgende Beziehung beschrieben werden:
P = Po • exp (-Ep/RT)
Als einfache Faustformel gilt: Die Durchlässigkeit verdoppelt sich mit einer Temperaturerhöhung um ca. 12 °C. Sofern das Polymer bei unterschiedlichen Dicken die gleichen Eigenschaften wie z. B. Dichte und Kristallinität aufweist, ist die Abhängigkeit der Durchlässigkeit von der Dicke streng umgekehrt linear.
Gelingt es nicht, durch die zuvor genannten Einflußgrößen die Menge an Permeat auf den gewünschten Wert zu reduzieren, so existieren noch eine Reihe weiterer konstruktions-technischer Möglichkeiten, um die Auskleidungsaufgabe erfolgreich zu lösen.
In Abbildung 3 sind die an Folien mit Helium als Testgas ermittelten Permeationsergebnisse zusammengestellt. Helium ist als sehr kleines Molekül besonders geeignet, über den Porengehalt eines Werkstoffes Aussagen zu machen. Demnach weist PTFE als Sinterwerkstoff die höchste Porosität auf. Bei TFM, dem PTFE der zweiten Generation, wurde durch die Überlagerung mit dem Eigenschaftsprofil des Thermoplasten PFA eine deutliche Reduzierung des Porengehaltes erreicht. PFA und FEP sind als Thermoplaste praktisch porenfrei und weisen die niedrigsten Permeationswerte auf. Vor allem bei Anwendungen in wäßrigen Medien, in denen neben der Porenfreiheit auch die Polarität des Auskleidungsmateriales eine wesentliche Rolle für die Permeation spielt, sind jedoch andere Ergebnisse zu erwarten. So erweist sich z.B. Heißdampf besonders kritisch für PFA. Hier sollte im Einzelfall das Permeationsverhalten geprüft werden.
Auskleidungsverfahrenim chemischen Apparatebau
Die vier genannten Werkstoffe unterscheiden sich grundsätzlich in ihren Verarbeitungsverfahren. PTFE und TFM PTFE sind Sinterwerkstoffe, die zuerst verpreßt, dann bei ca. 380 °C gesintert und schließlich spanabhebend bearbeitet werden. Bei der Pastenextrusion handelt es sich um eine quasi-thermoplastische Verarbeitung bei Raumtemperatur. Sie wird durch Zusatz eines Extrusionshilfsmittels (Gleitmittel) ermöglicht. Dieses wird nach der Extrusion wieder verdampft, und die so hergestellten Profile erhalten in einem anschließenden Sinterprozeß ihre endgültige Festigkeit. Dieser speziellen Verarbeitungstechnik entsprechend bestehen auch bei den Anwendungen von E-PTFE und Fluorthermoplasten Überlappungen. Die Pastenextrusion ist ein gängiges Verfahren für das Herstellen von Auskleidungsrohren, sogenannten „Linern“.
Bei kleinen Formteilen wie Rohrbögen, T-Abzweigungen, Hähnen und Ventilen lassen sich Auskleidungen durch isostatisches Pressen herstellen. Die Auskleidung von großvolumigen Behältern und Kolonnen erfolgt üblicherweise durch Verwendung von Folien und Platten. Diese werden von einem gesinterten Block des Polymermaterials abgeschält. Das Einbringen der Auskleidung erfolgt für Betriebstemperaturen über ca. 120 °C als „Lose-Hemd-Auskleidung“ oder durch Ankleben der Folien bzw. Platten mit einem speziellen, chemikalienbeständigen Kleber. Eine Haftung der Platte oder Folie auf dem metallischen Untergrund läßt sich in diesem Fall durch ein zuvor aufgebrachtes Glasgewebe erreichen.
PFA und FEP sind thermoplastisch verarbeitbare Fluorpolymere. Spritzguß, Extrusion oder Transfer Molding sind die üblichen Verarbeitungsverfahren. Unter Transfer Molding versteht man das Überführen einer Fluorpolymerschmelze in eine vorbeheizte Form, z.B. ein Hahn-, Ventil- oder Pumpengehäuse. Es ist ein Auskleidungsverfahren, das besonders den niedrigen, kritischen Scherraten der Perfluorthermoplasten Rechnung trägt. Daneben stehen diese Thermoplasten auch als Folien- und Plattenmaterial, mit und ohne Glasgewebekaschierung, für Auskleidungen zur Verfügung.
Einsatzgebiete perfluorierter Polymere
Die perfluorierten Makromoleküle weisen den breitesten Temperatureinsatzbereich aller Kunststoffe auf: – 200 °C und tiefer sind möglich, +260 °C bilden ohne mechanische Belastungen die Obergrenze der Dauergebrauchstemperatur für PTFE und TFM PTFE. PFA läßt sich bis +250 °C einsetzen, FEP bis zu +205 °C (Abb. 4). In der Praxis sind je nach Anwendung und Konstruktion andere, zumeist niedrigere Temperaturen üblich, die sorgfältig mit dem Anwender abzustimmen sind.
Die mechanische Festigkeit des Auskleidungswerkstoffes ist bei korrosionsfesten Auskleidungen meist unerheblich, da die Stahlkonstruktion Festigkeit und Stabilität vorgibt. Für selbsttragende Konstruktionen oder Lose-Hemd-Auskleidungen spielen die Materialfestigkeiten allerdings eine wichtige Rolle, da hier deutliche Unterschiede bestehen (Abb. 5).
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