Der kryogene Wärmetauscher Alaska ist umweltfreundlich und eignet sich für Kühlaufgaben in der Chemie- und Pharmaindustrie. Er ist dank seines modularen Aufbaus sehr flexibel und liefert eine konstante Leistung. Das Anfahren der Anlage nimmt aufgrund der hohen Kühlleistung von Flüssigstickstoff nur wenig Zeit in Anspruch.
Dipl.-Ing. Ralph Petzold, Dr.-Ing. Pascal Schvester
Flüssigstickstoff (LN2) wird in der chemischen und pharmazeutischen Industrie unter anderem zur Kühlung von Reaktoren eingesetzt. Prinzipiell unterscheidet man zwischen direkter Injektion von Flüssigstickstoff und der indirekten Kühlung mit einem Wärmeträgermedium. Bei der Kühlung durch direkte Injektion wird der Flüssigstickstoff in das zu kühlende feste oder flüssige Medium eingedüst. Nachteile dieser Methode sind eine geringe Temperaturkontrolle, verbunden mit der Gefahr starker Unterkühlung und übermäßigem Flüssigstickstoffverbrauch, ein erhöhtes Risiko des Einfrierens der zu kühlenden Flüssigkeit und das Mitreißen von Flüssigmedium durch ausströmende Stickstoffdämpfe. Daher kommt dieses Kühlverfahren nur selten zum Einsatz und die indirekte Kühlmethode mit einem zwischengeschalteten Wärmetauscher wird favorisiert.
Indirekte Kühlung mit einem Wärmeträgermedium
Der typische Bereich für Tieftemperaturreaktionen liegt zwischen -60 und -100 °C. Die Feintemperaturregelung zwischen Flüssigstickstoff (-180 bis -196 °C) und der Betriebstemperatur des Kühlsystems erfolgt mit Hilfe eines Rippenrohrwärmetauschers. Das Wärmeträgermedium durchströmt den Wärmetauscher mantelseitig, während der Flüssigstickstoff rohrseitig durch das Aggregat fließt. Die Durchflussmenge des Stickstoffs wird dabei über ein Regelventil in der Stickstoffversorgungsleitung kontrolliert (Abb. 1).
Das Wärmeträgerfluid wird entsprechend seiner physikalischen Eigenschaften wie Viskosität, spezifische Wärme, der Betriebstemperatur und anderer anwenderspezifischer Kriterien ausgewählt. Dabei ist darauf zu achten, dass der Erstarrungspunkt der Flüssigkeit nicht zu nah an der Betriebstemperatur der Anlage liegt. Methanol, Toluol, Silktherm und Gilotherm kommen am häufigsten zum Einsatz.
Kühlen bei Schering
Zur Herstellung unterschiedlicher Wirkstoffe werden bei der Schering AG in Bergkamen Produktionsprozesse bei tiefen Temperaturen gefahren. Durch einen Brandschaden wurde in einem der Wirkstoffbetriebe 1996 die vorhandene Tieftemperaturwärmeträgeranlage zerstört. Die neue Kühlanlage des Produktionsreaktors sollte neben einem minimalen Platzbedarf und geringem Wartungsaufwand vor allem höchste Anlagensicherheit unter Ausschluss jeglicher Brand- oder Explosionsgefahr bieten. Darüber hinaus forderten die Verantwortlichen bei Schering eine Verfügbarkeit nahe 100%, eine sehr hohe Zuverlässigkeit, die Abdeckung eines großen Leistungsspektrums, minimale Betriebskosten und eine einfache Bedienung. Aufgrund dieser Anforderungen entschloss sich Schering für die Installation des mit Flüssigstickstoff arbeitenden Wärmetauschers Alaska.
Alaska im Einsatz
Beim Alaska sind die Rippenrohrbündel in Modulbauweise gefertigt (Abb. 2), so dass standardisierte Geräte mit einer Kühlleistung von 5 bis 400kW zur Verfügung stehen (Abb. 3). Im Falle der Schering AG wurde das Kühlgerät so konstruiert, dass es eine konstante Effizienz bei nominalen Betriebsleistungen zwischen 100 und 300 kW ermöglicht. Falls erforderlich, kann das Aggregat bis zu 400 kW Kühlleistung mit einem sehr geringen Leistungsverlust bereitstellen.
Vorteilhaft an dieser Anordnung ist, dass der Wärmetauscher selbst bei Volllast nur geringe Druckverluste des Wärmeträgerfluids erzeugt (200 mbar). Dies bedeutet einen erheblichen Vorteil bei der Auswahl und Auslegung der Wärmeträgerpumpe, da deren Förderhöhe nur marginal vom Druckverlust im Wärmetauscher beeinflusst wird. Daher lassen sich in der Regel Pumpen mit einer um 5 bis 20% niedrigeren Leistungsaufnahme einsetzen. Neben den niedrigeren Investitionskosten der Pumpe spart man durch den reduzierten Pumpenenergieverlust an das Wärmeträgerfluid bis zu 20% Flüssigstickstoff. Des Weiteren ermöglicht die Verteilung des Flüssigstickstoffes und die kontrollierte Zirkulation der kalten Stickstoffdämpfe innerhalb der Rohre einen energetischen Wirkungsgrad von mehr als 98%, oft auch über 99% (Abb. 4).
Um einen sicheren und effizienten Betrieb zu gewährleisten, erfolgt eine fortlaufende Temperaturüberwachung des Wärmeträgerfluids in jedem wichtigen Abschnitt des Wärmetauschers. Die Konstruktion des Wärmetauschers verhindert das Einfrieren des Wärmeträgermediums sogar dann, wenn die Zirkulation des Wärmeträgerfluids für eine längere Zeit unterbrochen wird. Wie Tests mit Schering-Ingenieuren belegen, wird selbst bei vollständiger Flutung des Rohrbündels mit Flüssigstickstoff das Einfrieren verhindert, vorausgesetzt mindestens 5% der Nominaldurchflussrate des Wärmeträgerfluids bleiben erhalten.
Zusatznutzen
Das Anforderungsprofil des in Bergkamen eingesetzten Gerätes erlaubte keine wirtschaftliche Weiterverwertung des Stickstoffes, so dass dieser in die Atmosphäre abgelassen wird. Jedoch kann in anderen Fällen der genutzte Stickstoff in derselben Anlage, in der der Wärmetauscher arbeitet, weiterverwertet werden. In diesem Falle bietet ein kryogener Wärmetauscher Vorteile, die praktisch von keiner anderen Technologie erreicht werden, wie die nebenstehende Tabelle zeigt.
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