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Maßlösungen für kritische Abgase

Thermische Oxidation explosionsfähiger Abgasströme mit Nachreinigung der Rauchgase
Maßlösungen für kritische Abgase

In vielen Produktionsprozessen fallen Abgasströme an, die Stoffe in unterschiedlicher Zusammensetzung und Konzentration enthalten. Handelt es sich dabei um explosionsfähige Gemische, müssen geeignete Maßnahmen zum Schutz von Menschen und Produktionsanlagen entsprechend den gültigen Richtlinien vorgesehen werden.

Dr. André Tagali

Bei der Verarbeitung von Kunststoffen in Doppelschneckenextrudern werden aufgrund hoher Scherkräfte niedermolekulare organische Verbindungen sowie Wasserdampf freigesetzt. Sie werden mit Hilfe von Vakuumpumpen aus dem Polymer abgesaugt. Die in der Abluft enthaltenen Verbindungen Styrol und Acrylnitril sind sehr giftig und cancerogen. Gemäß TA-Luft sind Emissionsgrenzwerte für diese Stoffe angegeben und von den Produktionsanlagen einzuhalten. Die Abluft der Vakuumpumpen wurde daher gemeinsam mit Abluft aus den Absaugungen an den Produktionsausgängen der Extruderanlagen einer regenerativen thermischen Oxidationsanlage (RTO) zugeführt.
Schon kurze Zeit nach Inbetriebnahme der Anlage wurde festgestellt, dass die Abluft neben einer Beladung an organischen Verbindungen (2 bis 5 g/m³) auch Siloxane enthält, die als Silikone dem ABS zur Erhöhung der Schlagzähigkeit zugegeben werden. Die in der Abluft enthaltenen Siloxane werden in der Brennkammer der RTO zu amorpher Kieselsäure (SiO2) oxidiert. Die Kieselsäurepartikel sind voluminös und leicht. Sie lagern sich in der Nachbrennkammer an und verstopfen zudem die engen Kanäle der Regeneratorsteine im oberen Bereich. Abbildung 1 zeigt einen durch amorphe Kieselsäure verstopften Stein.
Die Verschmutzung der Regeneratorsteine bedingt einen Stillstand der RTO für Reinigungszwecke (1 Woche) im Abstand von sechs Wochen. Aufgrund dieser häufigen Reinigungszyklen ist eine ständige Einhaltung der Emissionsgrenzwerte gemäß TA-Luft nicht möglich, d. h. die Verfügbarkeit der Anlage reicht nicht aus, um behördliche Auflagen zu erfüllen. Eine Analyse der Abluftsituation ergab, dass die Abluftströme der Vakuumpumpen nahezu die gesamte Fracht des organisch gebundenen Siliziums und über 95% der organischen Verbindungen liefern. Die Abluft der Absaugungen an den Extruderanlagen enthält nur in geringen Mengen Siloxane; diese Konzentrationen würden den RTO-Betrieb nicht stören. Für die Abluftströme der Vakuumpumpen (5 Vol.% der Gesamtabluft) lässt sich eine relativ kleine und somit kostengünstige Anlage installieren.
Aufbau der Abluftreinigungsanlage
Der Aufbau der Abluftreinigungsanlage ist in Abbildung 2 wiedergegeben. Die eigentliche Abluftreinigung besteht aus der vertikalen Nachbrennkammer, in der die Siloxane und die anderen organischen Verbindungen thermisch oxidiert werden und der Filteranlage zur Abscheidung der in der Nachbrennkammer gebildeten amorphen Kieselsäure. Zwischen der Nachbrennkammer und der Filtrationsstufe ist ein Abhitzekessel zur Wärmerückgewinnung installiert.
Die Abluft wird der Explosionszone 0 zugeordnet. Nach Definition umfasst Zone 0 Bereiche, in denen eine explosionsfähige Atmosphäre aus einem Gemisch von Luft und Gasen, Dämpfen oder Nebel, ständig, langfristig oder häufig vorhanden ist. Da in der Nachbrennkammer durch die Flamme eine ständige Zündquelle gegeben ist, kann eine Rückzündung im Abgas entgegen der Strömungsrichtung bis zu den Produktionsanlagen erfolgen. Es müssen daher Schutzmaßnahmen vorgesehen werden.
Eine Maßnahme, die Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre zu vermeiden, wäre z. B. eine Konzentrationsbegrenzung durch Verdünnen. Die Abgasmenge wird durch Vermischen mit Umgebungsluft so vergrößert, dass die Schadstoffkonzentration max. 25% des unteren Explosionsgrenzwertes (UEG) beträgt. Diese Maßnahme hätte im vorliegenden Fall allerdings zur Folge, dass die Abgasmenge praktisch vervierfacht wird. Die Investitions- und Betriebskosten der Abluftreinigungsanlage sowie der Platzbedarf wären sehr hoch.
Das von Lufttechnik Bayreuth umgesetzte Konzept der Abgasreinigung erlaubt dagegen eine direkte Zufuhr des Abgases in die Nachbrennkammer ohne vorbeugenden Explosionsschutz. Dafür werden Sicherheitseinrichtungen eingesetzt, die eine Explosionsübertragung verhindern.
Für Abgase mit der Zonenzuordnung 0 sind drei voneinander unabhängige so genannte tragende Sicherheitseinrichtungen notwendig. Eine tragende Sicherheitsmaßnahme ist eine Einrichtung, deren Funktion zeitlich lückenlos gewährleistet ist und deren Funktionskriterien messtechnisch mit automatischen Schaltfunktionen überwacht werden. Als tragende Sicherheitseinrichtungen wurden eine so genannte dynamische Maßnahme und zwei statische Maßnahmen eingesetzt:
• rückzündfreie Einleitung der Abluft in die Nachbrennkammer
• Einsatz einer Explosionsicherung
• Einsatz einer Deflagrationssicherung
Thermische Oxidation der Organika
Die Oxidation der Organika findet in einer Nachbrennkammer statt. Kernstück der Nachbrennkammer ist der Spezialmuffelbrenner. Der Brennstoff Erdgas wird über eine Düsenlanze axial in den Brenner geführt. Die Verbrennungsluft wird über einen Doppelmantel zu zwei am Umfang verteilten Düsenreihen geführt, die eine sekantiale und diagonale Einströmung in die Reaktionsmuffel erzwingen (Abb. 3). Damit wird eine intensive Vermischung von Erdgas und Verbrennungsluft erreicht, so dass die Verbrennung praktisch spontan, d. h. ohne nennenswerten Zeitverlust erfolgt.
Eine laminare Flammenfront in herkömmlichem Sinne ist bei diesem Brenner nicht zu beobachten. Es handelt sich hier, ähnlich wie bei einer Explosion eines homogenen Brennstoff-Luftgemisches, um eine nahezu spontane Raumreaktion mit turbulenter Flamme und hohen Energieumsetzungsdichten.
Der Abluftstrom wird über zwei Speziallanzen durch zwei Luftdüsen in den Brenner geführt. Damit wird eine Ausströmgeschwindigkeit bei allen Betriebsphasen gehalten, die immer ein Vielfaches der möglichen Flammengeschwindigkeit darstellt.
Führungsgröße für die Verbrennung ist die Temperatur in der Nachbrennkammer, die parallel mit zwei Thermoelementen kontrolliert wird
Abhitzekessel
Das Reingas verlässt die Brennkammer mit Temperaturen um 800 °C und enthält amorphe Kieselsäure, die bei der Oxidation der Siloxane entstanden ist. Der Energieinhalt des Reingases wird zur Erwärmung von Warmwasser mit 90 °C zurückgewonnen. Als Abhitzesystem wird ein Rohrbündelwärmetauscher in redundanter Ausführung verwendet. Eine besonders unangenehme Eigenschaft der an sich sehr kleinen SiO2-Partikel ist ihre sehr starke Neigung zum Agglomerieren. Dabei bilden sich großvolumige Ablagerungen mit extrem niedriger Dichte, jedoch sehr hohen Haftkräften. Um das Fließverhalten der Kieselsäure zu verbessern, wird dem Reingas vor Eintritt in den Abhitzekessel Mg(OH)2 als Additiv zugegeben. Der Abhitzekessel lässt sich damit leichter mit Druckluft abreinigen.
Filterstufe
Das im Wärmetauscher auf ca. 120 °C abgekühlte Reingas gelangt anschließend in eine nachgeschaltete Filterstufe. Die Wahl des Filtermaterials und der Betriebsparameter erfolgt unter Berücksichtigung der sehr unangenehmen Eigenschaften des amorphen SiO2 (Korngröße im Submikronbereich, niedrige Sinkgeschwindigkeit,…). Um die Verfügbarkeit der Anlage zu gewährleisten, ist das Filter in zwei, gegeneinander absperrbare Filterkammern getrennt. Abbildung 4 zeigt eine Teilansicht der Anlage. Man erkennt die horizontal angeordneten Wärmetauscher, die Armaturen für das Warmwasser sowie die Filtrationstufe mit dem Big Bag zur Aufnahme des Filterstaubes.
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