Chemieanlagen sind heute so zu gestalten, daß der Energie- und Rohstoffverbrauch möglichst minimiert wird. Eine Anlagenplanung unter diesem Gesichtspunkt unterstützt das Prozeßsynthesewerkzeug Prosyn®.
Dr.-Ing. Gerhard Schembecker
Alljährlich investiert die chemische Industrie hohe Geldbeträge in die verschiedensten Umweltschutzmaßnahmen. Ein Großteil dieser Aufwendungen betrifft End-of-the-pipe-Techniken, die am Ende einer Produktionslinie die entstandenen Schadstoffe zurückhalten und in Reststoffe umwandeln. Diese müssen ihrerseits teuer entsorgt werden. Im Gegensatz zu den nachgeschalteten Maßnahmen versucht der prozeßintegrierte Umweltschutz die Schadstoffe erst gar nicht entstehen zu lassen.
Prozeßintegrierter Umweltschutz
Prozeßintegrierter Umweltschutz bedeutet, den Energie- und Rohstoffverbrauch eines chemischen Prozesses zu minimieren. Die in der Vergangenheit erfolgreich angewandte Pinch-Technologie berücksichtigt nur den energetischen Aspekt. Über die Nutzung der erkannten Wärmeaustauschpotentiale hinaus liefert diese Technologie keine weiteren innovativen Angaben.
Signifikante Prozeßverbesserungen sind nur dann zu erreichen, wenn man die Struktur des Prozesses als Ganzes in Frage stellt. Für diese, als Prozeßsynthese bezeichnete Aufgabenstellung wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Technische Chemie A der Universität Dortmund eine Prozeßsynthesemethodik entwickelt, die in das Beratungssystem Prosyn integriert wurde.
Software ermittelt sinnvolleVerfahrenskonzepte
Prosyn koppelt verfahrenstechnisches Wissen und Schnittstellen zu Datenbanken bzw. zu kommerziellen Berechnungsprogrammen (z. B. AspenPlusTM). Die Programmierer schenkten bei der Entwicklung der Software insbesondere der Integration von Erfahrungswissen große Beachtung. So sind Module zur Reaktorauswahl, zur Auswahl und Gestaltung von Trennsequenzen, zur Energieintegration sowie zur Abwasseraufarbeitung verfügbar. Mit den vorhandenen Daten prüft das Programm systematisch mögliche verfahrenstechnische Lösungen und schlägt ökonomisch und ökologisch sinnvolle Verfahrenskonzepte vor.
Kosten reduzieren
Seinen Nutzen und seine Fähigkeiten hat Prosyn bereits im Rahmen zahlreicher industrieller Anwendungen bewiesen. Die in der Tabelle dargestellten Ergebnisse für ein Projekt der Firma Shell International Chemicals B. V. in Amsterdam zeigen anschaulich, welche Verbesserungen an einem bestehenden chemischen Verfahren erreichbar sind. Vom Auftraggeber waren die Rohstoffströme, Standortdaten, Informationen über die Chemie des Prozesses (die nicht geändert werden durfte) sowie Angaben zur Menge und Qualität der Produkte und Nebenprodukte vorgegeben.
Die systematische Untersuchung und Neugestaltung der Struktur der chemischen Anlage führte zu einem Prozeß, der erhebliche Kostenvorteile gegenüber dem bisherigen Verfahren bietet. Unter anderem konnte die Menge der anfallenden Nebenprodukte drastisch reduziert werden. Ebenso erlaubt das entwickelte Verfahren, vollständig auf den Einsatz von Primärenergieträgern zur Dampferzeugung zu verzichten. Damit verbunden ist eine entsprechende Verringerung des CO2-Ausstoßes.
Die Software ermöglicht eine computergestützte konzeptionelle Planung im Chemieingenieurwesen, wobei die erarbeiteten Vorschläge im Sinne des prozeßintegrierten Umweltschutzes sowohl stoffliche wie auch energetische Aspekte berücksichtigen. Auf diese Weise wird der Verfahrensplaner zum nachhaltigen Umgang mit den verfügbaren Ressourcen angehalten.
Weitere Informationen cav-206
Aus Anlaß ihres 100jährigen Jubiläums hat die Haltermann AG am 22. Juni 1998 erstmalig den Haltermann-Innovationspreis verliehen. Der mit 50000 DM dotierte Preis wurde für chemisch-technische Entwicklungen auf dem Sektor des produkt- und prozeßorientierten Umweltschutzes unter besonderer Berücksichtigung von Stoff-Trennverfahren vergeben. Den 1. Preis erhielt Dr.-Ing. Gerhard Schembecker von der Universität Dortmund für seinen Beitrag „Prozeßsynthese durchbricht den Widerspruch zwischen Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit“. Nach Meinung der Jury wird durch seine Arbeit der ganzheitlichen Betrachtung chemischer Prozesse, dem prozeßintegrierten Umweltschutz und dem schonenden Umgang mit vorhandenen Ressourcen Rechnung getragen. Der nebenstehende Artikel ist eine Kurzfassung seines Siegerbeitrages.
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