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Mit verdichteten Gasen kristallisieren

Neue Methoden zum Erzeugen kleiner Partikel
Mit verdichteten Gasen kristallisieren

An Partikelgröße, Korngrößenverteilung, Homogenität der Kristallstruktur oder auch an die Reinheit fester Stoffe werden immer höhere Anforderungen gestellt. Dies gilt ebenso für hochwertige pharmazeutische Wirkstoffe wie für Kunststoffe mit speziellem Einsatzbereich. Den klassischen Methoden, wie mechanische Zerkleinerung, Fällung oder Umkristallisation, werden in diesem Beitrag die Möglichkeiten des Einsatzes von verdichteten Gasen beim Herstellen kleinster Partikel gegenübergestellt.

Dipl.-Ing Thomas Berger

Viele pharmazeutische Substanzen müssen in einer möglichst feinen und gleichmäßigen Kristallstruktur vorliegen, damit eine schnelle Aufnahme durch den menschlichen Organismus erfolgen kann (Abb. 1). Die Wirkstoffe können dadurch in geringeren Dosen verabreicht werden. Aber auch in anderen Bereichen der chemischen Industrie sind feine Partikel erforderlich, um beispielsweise die Weiterverarbeitung, die Mischbarkeit mit anderen Substanzen oder die Reaktionsfähigkeit zu verbessern. Bisher übliche Prozesse zum Erzeugen kleiner Partikel sind zum Beispiel das Mahlen oder das Rekristallisieren aus Lösungen.
Das Mahlen als rein mechanischer Zerkleinerungsprozeß erlaubt keinerlei Einflußnahme auf die kristallinen Eigenschaften der Produkte. Darüber hinaus stößt es aufgrund mechanischer oder thermischer Belastungen im Bereich feinster Partikel (Sub-Mikrometer-Bereich) an seine Grenzen.
Das Fällen bzw. Auskristallisieren aus flüssigen Lösungen hat den Nachteil, daß sich die Prozesse nur in eingeschränktem Umfang steuern lassen, oft unbefriedigende Korngrößenverteilungen auftreten und zudem Lösemittelrückstände häufig kostenaufwendige Reinigungsschritte erfordern.
Komprimierte Gase, die in einer Reihe neuentwickelter Prozesse eingesetzt werden, eröffnen dagegen völlig neuartige Möglichkeiten: Bisher unbekannte Produktqualitäten mit definierten kristallinen Eigenschaften, engem Korngrößenspektrum und hoher Reinheit sind damit herstellbar.
Gase als Lösemittel
Die vielseitigen Eigenschaften komprimierter Gase sind bereits aus der Hochdruck-Extraktion bekannt. Durch Druck- bzw. Temperaturänderungen lassen sich die Lösemitteleigenschaften in weiten Grenzen variieren. So werden großtechnisch mit flüssigem bzw. überkritischem Kohlendioxid (CO2) pharmazeutisch wirksame Substanzen aus pflanzlichen Rohstoffen selektiv und ohne störende Begleitstoffe gewonnen. Bei der Gewürzextraktion aus gemahlenem Pfeffer können – je nach Wahl von Druck und Temperatur – das Aroma und die Schärfe (Piperin) getrennt oder als Mischung herausgelöst werden.
Besonders interessant sind Gase als Lösemittel im sogenannten überkritischen Zustand: Hier führen schon geringfügige Druck- und Temperaturänderungen zu sehr großen Veränderungen der Dichte und damit der Lösemittelkapazität. Gase befinden sich im überkritischen Zustand, wenn Druck und Temperatur oberhalb des kritischen Punktes liegen (bei CO2 73,5 bar und 31 °C). Der kritische Punkt ist im Zustandsdiagramm dadurch ausgezeichnet, daß oberhalb dieser Temperatur die Dichte des flüssigen Zustands der des gasförmigen entspricht. Das bedeutet, daß die flüssige und die gasförmige Phase hier nicht mehr unterscheidbar sind. Ähnlich wie bei der Extraktion ermöglichen komprimierte Gase bei der Herstellung feiner Pulver bzw. Kristalle ganz neue Prozesse und Produktqualitäten.
RESS-Verfahren
Das RESS-Verfahren (Rapid Expansion of Supercritical Solutions) kann als die „Gas-Variante“ des Ausfällens aus flüssigen Lösungen angesehen werden. In einem Druckbehälter A (Abb. 2) werden die Substanzen bzw. Substanzgemische unter hohem Druck bis an die Sättigungsgrenze im Gas gelöst, wobei dieser Vorgang gegebenenfalls durch Rühren oder andere Maßnahmen beschleunigt werden kann. Für das Ausfällen bzw. Auskristallisieren sind verschiedene Varianten möglich:
• Sowohl durch Temperatur- als auch durch Druckänderungen kann die Löslichkeitsgrenze unterschritten werden und die zuvor gelösten Substanzen fallen aus. Die Partikelgröße läßt sich dabei z.B. mit Hilfe der Geschwindigkeit der Druckentspannung durch gezieltes Ablassen der Gasphase steuern.
• Der gesamte Inhalt des Hochdruckbehälters wird über ein (in der Regel am Boden des Behälters angeordnetes) Ventil entspannt. Bei dieser Entspannung auf unterkritische Bedingungen verliert das Gas schlagartig seine Lösemitteleigenschaften, und die bis dahin gelösten Stoffe fallen in Form feinster Partikel aus dem Gasstrom aus. Mit Hilfe einer geeigneten Entstaubungsvorrichtung lassen sich dann die Feststoffe vom Gas trennen. Durch die Wahl der Prozeßparameter (Konzentration der Lösung, Druck und Temperatur, Düsendurchmesser und -geometrie oder Gegendruck) kann man dabei die Partikelgröße und die Partikelgrößenverteilung beeinflussen.
Da auch verschiedene Substanzen gleichzeitig gelöst und verdüst werden können, ist es möglich, solche Gemische (Blends) zu homogenisieren. Das heißt, jedes Partikel des Blends setzt sich dann aus den einzelnen Komponenten der Ausgangsmischung zusammen.
Das RESS-Verfahren ist eine interessante Alternative für die Herstellung feiner und feinster Pulverlacke. Konventionell läßt sich ein Polymer-Blend durch Mischen der Einzelkomponenten wie Bindemittel, Härter, Pigmente usw., Extrudieren der Mischung zur Erzeugung einer homogenen Schmelze sowie Abkühlen, Mahlen und Sichten herstellen. Das RESS-Verfahren ist produktschonend und zeichnet sich zudem durch eine vergleichsweise einfache Verfahrensführung aus.
GASR-Prozeß
Beim GASR-Prozeß (Gas Anti-Solvent Recrystallisation) wird der starke Einfluß gelöster komprimierter Gase auf die Dichte und damit die Lösemittelkapazität flüssiger Lösemittel genutzt, um Fällungs- bzw. Kristallisationsvorgänge zu steuern. Letztlich erweitern komprimierte Gase die verfahrenstechnischen Möglichkeiten konventioneller Prozesse erheblich, besonders dann, wenn es um die Herstellung feinster Partikel oder Kristalle geht.
Auf die Grenzen der konventionellen Technik wurde bereits hingewiesen. Das Ausfällen von Partikeln oder Kristallen aus flüssigen Lösungen wird generell durch ein Unterschreiten der Sättigungsgrenze erreicht. Bei flüssigen Lösemitteln läßt sich dies üblicherweise durch relativ langsame Verfahrensschritte wie Abkühlen oder Abdampfen des Lösemittels realisieren.
Bei komprimierten Gasen ist es dagegen möglich, schnell und drastisch die Dichte und damit die Lösemittelkapazität zu reduzieren. Ein Beispiel hierfür ist das Gemisch Ethanol/CO2 genannt: Wird CO2 unterhalb von 80 bar bei 40 °C in Ethanol gelöst, so stellt sich eine Dichte ein, die zwischen der des Ethanols (0,8 kg/l) und der des CO2 (0,28 kg/l bei 80 bar und 40 °C) liegt.
PCA-Verfahren
Das PCA-Verfahren (Precipitation with Compressed Antisolvents) ist eine Variante des GASR-Prozesses. Hierbei wird nicht die Lösung mit einem Gas beaufschlagt, sondern die Lösung in einen mit komprimiertem Gas gefüllten Druckbehälter eingedüst. Spezielle Düsenformen sorgen für eine feine Verdüsung und somit für eine große Oberfläche der Lösung bzw. für sehr kurze Diffusionswege des Gases in die Flüssigkeitströpfchen. Der Fällungsprozeß läuft deshalb sehr schnell ab und ist zudem räumlich auf das Volumen jedes einzelnen Tröpfchens begrenzt. Die so entstehenden Partikel sind nochmals feiner, als die mit dem GASR-Prozeß hergestellten. Abbildung 3 zeigt die Korngrößenverteilung einer mit dem PCA-Verfahren umkristallisierten Substanz (Ascorbinsäure = Vitamin C, s. Abb. 1). Typisch für den Prozeß ist die Feinheit der Partikel (95% 2 µm) und die enge Korngrößenverteilung.
Abbildung 4 zeigt den schematischen Aufbau einer GASR/PCA-Anlage. Im Fall einer GASR-Anwendung wird die gesättigte Lösung in einem temperierten Autoklaven vorgelegt und das als Fällungsmittel (= Antisolvent) dienende Gas wahlweise von oben oder von unten in den Behälter eingeleitet. Nach Erreichen des gewünschten Enddrucks und nach Ablauf einer gewissen Haltezeit ist der Fällungsprozeß abgeschlossen, und das Lösemittel kann aus dem Druckbehälter abgelassen werden. Ein Filter hält dabei die auskristallisierten Feststoffe zurück. Im nachfolgenden Abscheider wird durch geeignete Druck- und Temperaturbedingungen das Lösemittel vom Gas getrennt. Das Gas gelangt zurück in den Arbeitstank, das Lösemittel kann dem Abscheider entnommen und wiederverwendet werden.
Beim PCA-Prozeß wird zunächst der Autoklav mit dem verdichteten Gas gefüllt und anschließend das Lösemittel eingesprüht. Die Trennung von Feststoff, Lösemittel und Gas erfolgt danach wie bei dem GASR-Prozeß. Eventuell noch vorhandene Restlösemittelanteile lassen sich durch eine anschließende CO2-Extraktion bis auf geringste Restbeladungen, zum Teil sogar bis unterhalb der Nachweisgrenze, aus den Feststoffen entfernen.
Halle 9, Stand 9-180
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