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Nanotechnologie in Lebensmitteln

Noch zahlreiche Wissenslücken vorhanden
Nanotechnologie in Lebensmitteln

Nanotechnologie in Lebensmitteln
Die Konferenz „Nanotechnology in Food“ von der Akademie Fresenius, die am 19. und 20. Mai 2014 in Mainz stattfand, präsentierte den aktuellen Forschungsstand (Bild: fotoliaxrender – Fotolia.com)
Der Einsatz von Nanotechnologie bei Lebensmitteln ist stark umstritten: Während die Industrie daran interessiert ist, spezifische Eigenschaften ihrer Produkte (wie etwa deren Haltbarkeit) zu verbessern, warnen Kritiker vor möglichen Gesundheitsschäden. Die Frage nach der Bedenklichkeit des neuen Nano-Foods wurde von der Akademie Fresenius nun erstmals in Form einer eigenen Fachveranstaltung aufgegriffen. Die Konferenz „Nanotechnology in Food“, die am 19. und 20. Mai 2014 in Mainz stattfand, präsentierte den aktuellen Forschungsstand.

Nanopartikel können über Inhalation, Hautkontakt oder die Aufnahme über den Mund in den menschlichen Körper gelangen. Als besonders gefährdet gelten bislang Personen, die im Arbeitsumfeld mit den Partikeln in Kontakt kommen können. Vergleichsweise intensiv wurde bislang die Expositionsroute der Inhalation untersucht: Abhängig von ihrer Größe, können sich Nanopartikel, die über die Atemluft aufgenommen werden, in den Atemwegen ablagern und in den Blutkreislauf gelangen, über den sie andere Organe erreichen. Auf diesem Weg seien bestimmte (nicht alle!) Partikel dazu in der Lage, Krankheiten wie Herz-Kreislaufstörungen, Lungenfibrose oder sogar Krebs auszulösen, erklärte Kristen M. Kulinowski (IDA-Science and Technology Police Institute, USA) im Rahmen ihres Vortrags im Fachgebiet „Medical issues and consumer safety“.

Im Anschluss an die Inhalation könne es zudem zum unbeabsichtigten Hinunterschlucken von Nanopartikeln kommen, so die Expertin. Begünstigt werde dies durch schlechte Angewohnheiten wie das Essen oder Rauchen direkt am Arbeitsplatz, die zu einem Transfer der Partikel von den Händen in den Mund führe. Auch über den Rachenraum aufgenommene Partikel – der Verzehr von Nano-Food fällt ebenfalls in diesen Bereich – könnten sich in verschiedenen Organen ablagern, betonte Kulinowski. Abhängig sei dies von der Eigenschaft eines Nanopartikels, im Körper umherzuwandern.
Zu den bereits nachgewiesenen Effekten von Nanopartikeln gehörten zum Beispiel genotoxische Veränderungen an Leber und Lunge sowie eine zytotoxische Wirkung auf die menschlichen Darmzellen. Im Hinblick auf die dermale Exposition, für die momentan nur wenige Studienergebnisse vorliegen, wurden ähnliche Auswirkungen beobachtet. Verschiedene Nanopartikel zeigten hier Einflüsse auf die Zellmorphologie, schädigten deren Membran oder riefen Schäden an der DNA hervor, so die Expertin. Kulinowski resümierte, dass es momentan in Bezug auf Nanopartikel noch in vielen Bereichen an Wissen und geeigneten Methoden fehle. Es gäbe sowohl Bedarf an Daten zur Produktion und zum Verzehr der Partikel als auch an Methoden zur Expositionsbewertung und zur Messung von Nanopartikeln in Biosystem und Lebensmittelmatrizen. Darüber hinaus könne man die vorhandenen Daten zur Absorption, Verteilung und Ausscheidung der Partikel sowie zu ihrem Stoffwechsel derzeit nur als begrenzt bezeichnen.
Auswirkungen auf Magen-Darm-Trakt noch nicht erforscht
Auch Martin A. Philbert (Universität Michigan, USA) unterstrich die derzeit herrschenden Defizite in der Erforschung von Nanopartikeln. Eine akkurate, quantitative Methode zur Messung der Partikel in komplexen Systemen (z.B. Lebensmittel) sei praktisch nicht vorhanden, so der Experte. Dazu seien zahlreiche wichtige Informationen rund um die Eigenschaften und Wirkungsweise der Partikel noch nicht bekannt. Zu diesen gehörten unter anderem die Langzeitstabilität von nano-fähigen Nahrungsergänzungsmitteln oder die subakuten und chronischen Interaktionen zwischen Nanomaterialien und allen Elementen des differenzierten Immunsystems. Auch die Dosimetrie bei Nanomaterialien sei noch nicht vollständig geklärt, mache aber Fortschritte. Philbert wies darauf hin, dass es von besonders hoher Relevanz sei, die Auswirkungen der Materialien auf den Magen-Darm-Trakt und die Ernährungsgewohnheiten zu bestimmen.
Erdreich von Nanopartikeln beeinflusst
Nicht nur verarbeitete Lebensmittel können von Nanopartikeln beeinflusst sein. Auch Kulturpflanzen kommen mit ihnen in Kontakt. Géraldine Sarret (National Center for Scientific Research. CNRS, Frankreich) befasste sich auf der Konferenz mit der Aufnahme von Nanopartikeln in Pflanzen und den daraus folgenden Auswirkungen auf die Qualität der Lebensmittel und des Erdreichs. Kulturpflanzen könnten über das Aufbringen von Klärschlamm und Pflanzenschutzmitteln und Ablagerungen aus der Atmosphäre mit Nanopartikeln in Berührung kommen, erläuterte sie. Physikalische Verfahren unter Verwendung von Elektronen, Röntgenstrahlung und Teilchen seien besonders gut geeignet, um Metalle aufzuspüren und chemikalische Transformationen im Mikrometerbereich zu verfolgen. Eine Studie zu Titandioxid- (TiO2) und Silbernanopartikeln (Ag) in Kopfsalat habe gezeigt, dass eindeutig ein Eintrag von Nano- und Mikropartikeln stattfinde. Es wurde sowohl ein Transfer in die Blätter als auch in die Wurzeln der Pflanze nachgewiesen. Allerdings habe man kein Anzeichen von Phytotoxizität gefunden, betonte Sarret.
Es sei sehr schwierig vorherzusagen, wie viele Nanopartikel der Mensch beim Verzehr einer betroffenen Pflanze aufnehme. Wahrscheinlich sei die Menge jedoch wesentlich geringer als in verarbeiteten Nahrungsmitteln und Verpackungen. Sarret ergänzte, dass Nanopartikel Einfluss auf die mikrobielle Aktivität des Bodens haben könnten, sodass Auswirkungen auf dessen Qualität und Fruchtbarkeit möglich seien. Dieser Aspekt müsse daher evaluiert werden, so die Expertin.
Nanopartikel nicht per se gefährlich
Abseits der gezielten Bearbeitung mit Nanotechnologie und dem Eintrag von Nanopartikeln als Nebeneffekt gibt es noch eine dritte Komponente im Zusammenhang mit Lebensmitteln: das natürliche Vorkommen. Michael E. Knowles (FoodDrinkEurope) zeigte auf, dass Nanopartikel ein traditioneller Bestandteil von Nahrungsmitteln sind (z.B. als Nanostrukturen in Proteinen). Der Mensch sei Partikeln dieser Größenordnung dementsprechend schon immer ausgesetzt gewesen. Dazu komme, dass Nanopartikel auch bei Verarbeitungsprozessen wie dem Mahlen von alleine auftreten würden. Aus diesem Grund könne man nicht behaupten, die Partikel seien per se gefährlich oder ihre Größe allein deute auf spezifische Risiken hin. Für die Industrie besitze das Thema nichtsdestotrotz oberste Priorität. Knowles merkte an, dass eine adäquate Sicherheitsbewertung immer dann angebracht sei, wenn der Gebrauch von Nanotechnologie Veränderungen in bereits existierenden Produkten oder Prozessen hervorrufe.
Keine Daten über Vorteile, Risiken oder Wettbewerbsfähigkeit
Abschließend präsentierte Ralf Greiner (Max-Rubner-Institut, MRI) auf der Konferenz einige Fakten zur derzeitigen Marktsituation von Nanomaterialien, die für den Lebensmittelbereich vorgesehen sind: 2006 hätten bis zu 400 Firmen weltweit aktiv an der Erforschung und Entwicklung von Nanomaterialien für den Lebensmittelsektor gearbeitet. Für das Jahr 2015 gehe man davon aus, dass die Zahl auf über 1000 angewachsen sein werde, so Greiner. Zusätzlich erwarte man, dass sich der Markt für entsprechende Produkte in den kommenden Jahren zügig vergrößere. Bei den europäischen Firmen herrsche allerdings aktuell noch Zurückhaltung – praktisch alle bekannten Nano-Anwendungen für Lebensmittel und Verpackungen kämen aus den USA, Australien, Neuseeland, Südkorea, Taiwan, China oder Israel. Viele Anwendungen seien derzeit noch in der Entwicklung oder stünden kurz vor der Marktreife. Allerdings gäbe es im Moment so gut wie keine Daten darüber, welche Vorteile, Verbesserungen oder Risiken die Anwendung von Nanomaterialien bei Lebensmitteln mit sich bringe. Auch über die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Nano-Produkte sei praktisch nichts bekannt.
Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius-Konferenz können zum Preis von 295,- EUR zzgl. MwSt. bei der Akademie Fresenius bezogen werden.
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