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Oft fehlt es an den Grundvoraussetzungen

Erfahrungen bei der Zertifizierung von HACCP-Systemen
Oft fehlt es an den Grundvoraussetzungen

Die immer noch weit verbreitete Unsicherheit „Was ist HACCP? Wie ist das Konzept betriebsspezifisch umzusetzen? Was ist an Dokumentation erforderlich und wo stehe ich mit meinem Betrieb zur Zeit?“ hat dazu geführt, daß betroffene Betriebe verstärkt externe Fachleute einbinden, um mit ihrer Hilfe eine Rückmeldung, beispielsweise in Form einer Ist-Analyse oder eines Zertifikats, über den Status Quo und die Wirksamkeit ihres HACCP-Systems zu erhalten.

Dr. oec. troph. Angela Moritz

Mit Verabschiedung der Richtlinie 93/43/EWG über Lebensmittelhygiene im Juni 1993 war absehbar, daß alle Unternehmen, die mit Lebensmitteln umgehen (Ausnahme: Urpoduzenten), zum Aufbau eines Systems betriebseigener Maßnahmen und Kontrollen verpflichtet werden würden, das seine Ursprünge in dem HACCP-System des Codex Alimentarius der FAO/WHO hat. Mit der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht durch die bundeseinheitliche Lebensmittelhygiene-Verordnung im August 1997 ist diese Verpflichtung für deutsche Unternehmen sehr konkret geworden. Die Frist, bis zu der die Betriebe ein solches System eingeführt haben müssen, läuft am 8. August 1998 ab.
Hintergrund dieser Entwicklung ist das Bestreben, die Lebensmittelhygienevorschriften EU-weit zu harmonisieren, um letztlich mit größtmöglicher Sicherheit eine gesundheitliche Unbedenklichkeit der gehandelten Lebensmittel zu gewährleisten. Die sich anbahnenden Veränderungen der Lebensmittelhygiene-Gesetzgebung haben dazu geführt, daß das Thema „HACCP“ im Kunden-Lieferantenverhältnis eine immer größere Rolle spielt. Seit geraumer Zeit ist zu beobachten, daß immer mehr Kunden (Lebensmittelproduzenten, Groß- und Einzelhandel, Krankenhäuser etc.) als Voraussetzung für die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung von ihren Zulieferanten den Nachweis eines funktionierenden HACCP-Systems verlangen. Diese Marktentwicklung hat die gesetzlichen Vorgaben und Fristen bereits überholt.
Grundlagen der Zertifizierung
Die folgenden Standards des Codex Alimentarius der FAO/WHO „Allgemeine Grundsätze der Lebensmittelhygiene“ und „HACCP-System und Leitfaden zur Anwendung des HACCP-Systems“ bildeten die Grundlage der Zertifizierung von HACCP-Systemen. Diese international anerkannten Standards sind teilweise, in mehr oder weniger modifizierter Form, in die europäischen Hygienerichtlinien und die daraus abgeleiteten nationalen Hygieneverordnungen eingeflossen. Sie beinhalten Rahmenvorgaben, die betriebsspezifisch mit konkreten Inhalten, z.B. Temperaturanforderungen, mikrobiologischen Kriterien oder Lagervorschriften, zu füllen sind.
Ein Teil dieser Rahmenvorgaben wird bereits durch rechtliche Vorgaben, wie die Fleischhygiene-Verordnung und andere produktspezifischen Hygieneverordnungen, spezifiziert. Eine Konkretisierung erfolgt darüber hinaus in branchenspezifischen Leitfäden zur guten Hygienepraxis bzw. dem HACCP-System, die bereits von einigen Verbänden erarbeitet wurden. Nicht zuletzt ist eine hohe Fachkompetenz der eingesetzten Auditoren unabdingbar, um die Anforderungen der Standards sinnvoll, praktikabel und verantwortungsbewußt auf den jeweiligen Betrieb umzusetzen.
Im Rahmen der Zertifizierungsverfahren wurde bei der Bewertung des HACCP-Systems und der hygienischen Grundvoraussetzungen nach dem Untermannschen Prinzip verfahren, das auch vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin anerkannt wird.
Voraussetzung für die Erarbeitung eines HACCP-Systems ist ein bereits funktionierendes Hygienekonzept, das die Durchführung bzw. Einhaltung der grundsätzlichen Hygienemaßnahmen und baulich-technischen Voraussetzungen sicherstellt. Erst wenn dieser hygienische Unterbau steht, kann ein effektives HACCP-System darauf aufbauen.
Die Auditierung der HACCP-Systeme in den Unternehmen umfaßte daher zum einen die hygienischen Grundvoraussetzungen und zum anderen das darauf aufbauende HACCP-System in Theorie (Dokumentenprüfung) und Praxis (intensive Betriebsbegehung und Überpüfung der Umsetzung der Vorgaben im Betrieb u.a. durch Mitarbeitergespräche und Einsichtnahme in prozeßbegleitende Unterlagen).
Erfahrungen
Die nachfolgend dargestellten und ausgewerteten Ergebnisse basieren auf Erfahrungen, die im Rahmen von HACCP-Zertifizierungsverfahren und einer Reihe von Zertifizierungsverfahren nach DIN EN ISO 9000 ff. gesammelt wurden. Dabei handelte es sich um Betriebe der folgenden Sparten: Getränke (Brauerei, Fruchtsaft, Soft-drinks), Fleischwaren, Backwaren, Gastronomie, Gewürze, Fette, Verpackungsmittel für die Lebensmittelindustrie.
Verpackungsmittelhersteller sind zwar von der Lebensmittelhygienegesetzgebung und dem HACCP-System nicht direkt betroffen, jedoch wird gerade diese Branche zunehmend von ihren Großkunden zur Einrichtung eines HACCP-Systems verpflichtet. Vor diesem Hintergrund erschien es sinnvoll, diese Sparte in den Erfahrungsbericht einzubeziehen. Das Datenmaterial kann zwar nicht als repräsentativ gewertet werden, jedoch lassen sich daraus einige Hinweise darauf ableiten, wo die meisten Schwierigkeiten bei Umsetzung der Hygieneforderungen liegen.
Die im Rahmen der Audits und Dokumentenprüfung festgestellten Abweichungen wurden verschiedenen Fehlerkategorien zugeordnet. Wie Abbildung 1 verdeutlicht, fiel der mit Abstand höchste Anteil (48%) der festgestellten Abweichungen in die Fehlerkategorie „Grundsätzliche Hygienemaßnahmen“, gefolgt von Mängeln in den Bereichen „Räumliche und technische Voraussetzungen“ (20%) und „Produkt- und produktionsspezifische Maßnahmen“ (17%).
Die Dokumentation und das erarbeitete HACCP-System boten seltener Anlaß zu Kritik. Bei den Unternehmen, die bereits ein Qualitätsmanagement-System (QM-System) nach ISO 9000 ff. besaßen bzw. den Aufbau des HACCP-Systems parallel zum Aufbau des QM-Systems betrieben, waren deutlich weniger Mängel in bezug auf die Dokumentation feststellbar.
Bei Aufschlüsselung der Fehlerkategorie „Grundsätzliche Hygienemaßnahmen“ (Abb. 2) wird deutlich, daß die festgestellten Abweichungen vor allem den Bereichen „Reinigung und Desinfektion“ sowie „Personalhygiene“ zuzuordnen waren. Ein nicht unerheblicher Anteil entfiel jedoch auch auf die Kategorien „Ausreichende Trennung von Arbeitsgängen und Produktionslinien (Kreuzkontamination)“ und „Schädlingsbekämpfung“.
Interessanterweise wurden die Anforderungen an Temperatur und relative Luftfeuchte von Arbeits- und Lagerräumen von den hier erfaßten Betrieben durchgängig erfüllt. Beispiele für festgestellte Abweichungen sind der Tabelle zu entnehmen.
Resümee
Die größte Auffälligkeit bestand darin, daß die Hauptschwierigkeiten nicht – wie zu erwarten gewesen wäre – in bezug auf die Dokumentation oder Erarbeitung und Anwendung des HACCP-Systems zu verzeichnen waren, sondern vielmehr in den Kategorien „Grundsätzliche Hygienemaßnahmen“ und „Räumliche und technische Voraussetzungen“. Auffällig ist dies um so mehr, als gesetzliche Anforderungen in diesen Bereichen, z.B. für die Fleischverarbeitung, nicht erst seit Verabschiedung der Lebensmittelhygiene-Verordnung existieren.
In bezug auf die Erarbeitung der HACCP-Pläne war erfreulicherweise feststellbar, daß der Trend, sich aufgrund mangelhafter Differenzierung zwischen hygienischen Grundvoraussetzungen und HACCP-System mit kritischen Punkten (CCPs) zu überfrachten, keine Fortsetzung gefunden hat.
Die klare Trennung zwischen grundsätzlichen Hygienemaßnahmen, räumlichen und technischen Voraussetzungen, produkt- und produktionsspezifischen Verfahren gemäß der guten Herstellungspraxis einerseits und dem darauf aufbauenden HACCP-System andererseits, war fast durchgängig nachvollziehbar. Bei dieser Vorgehensweise kann ein HACCP-System aber nur dann wirksam sein, wenn die Erfüllung der hygienischen Voraussetzungen nachvollziehbar sichergestellt ist. Dies war, wie die Ergebnisse zeigen, bei den begutachteten Betrieben noch nicht in vollem Umfang der Fall.
Bei der Mehrzahl der Unternehmen konnte darüberhinaus festgestellt werden, daß die Sensibilität der Mitarbeiter für das Thema „Lebensmittelhygiene“ noch nicht in dem erforderlichen Ausmaß ausgepägt war, ein Umstand, der letztlich auch die Ergebnisse in den Fehlerkategorien „Reinigung und Desinfektion“, „Räumliche und technische Voraussetzungen“ und „Abfallmanagement“ beeinflußt. Vor diesem Hintergrund erscheint die Durchführung der geforderten „Personalhygieneschulungen“ in bezug auf die Umsetzung eines wirksamen Hygiene-managementsystems die größte Bedeutung zu haben.
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