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Organische Metalle gegen Korrosion

Leitfähige Polymere verschieben das elektrochemische Potential von Stahl um bis zu 800 mV
Organische Metalle gegen Korrosion

Jährlich entstehen an Außenanlagen durch Korrosion hohe finanzielle Schäden. Zur Werterhaltung ist daher der Korrosionsschutz besonders wichtig. Im Gegensatz zu bisherigen rein defensiven Barrierebeschichtungen stellen Organische Metalle einen aktiven Schutz dar.

Dr. Bernhard Weßling

Ursprünglich sollten leitfähige Polymere für den Einsatz in Batterien und Akkumulatoren mit geringem Gewicht und hoher Speicherkapazität entwickelt werden – eine Idee, die sich allerdings aus prinzipiellen Gründen nicht realisieren ließ. Dennoch wurden zahlreiche Polymere synthetisiert, die, erst einmal verarbeitet zu Kunststoffen, aufgrund ihrer inneren Struktur (intrinsisch) und nicht durch Zusätze wie Graphit oder Metallpulver, leitfähig waren. Alle entwickelten Verbindungen zeigten allerdings drei entscheidende Nachteile. Sie waren unlöslich, unschmelzbar und mehr oder weniger instabil.
Die Unlöslichkeit und Unschmelzbarkeit hängt bei dieser Verbindungsklasse eng mit der Leitfähigkeit zusammen, so daß eine Herstellung von löslichen, leitfähigen Polymeren unmöglich ist. Ein anderer Weg, diese Stoffe verarbeitbar zu machen, ist die Dispersion.
Organische Metalle sind leitfähigePolymere
Das Organische Metall Polyphenylenamin (OM) ist ein organisches Polymer, bestehend aus den Elementen C, H, N, O und S. Es ist aber dennoch ein Metall, d. h. es hat freie Elektronen in einem metallischen Leiterband. Polyphenylenamin ist wie viele andere Verbindungen dieses Typs vollständig unschmelzbar und unlöslich, kann aber sehr gut durch Dispersion verarbeitet werden. Die salzartige Verbindung ist weitestgehend temperaturstabil. Die maximale Dauergebrauchstemperatur beträgt 80 °C, kurzzeitig sind bis zu 230 °C möglich. Polyphenylenamin kann in drei Oxidationsstufen vorliegen, von denen eine metallischen Charakter besitzt. Zwei der drei Oxidationsstufen sind unter gewöhnlichen Umgebungsbedingungen stabil. Bei Oxidation und Reduktion ändert Polyphenylenamin seine Form nicht. Je nach Oxidationszustand nimmt es aber unterschiedliche Farben an, d. h. es ist elektrochrom. Die stabile metallische Form ist grün, die stabile oxidierte Form blau, die reduzierte, an Luft zurückoxidierbare Form farblos. In dünnen Schichten ist das metallische Polyphenylenamin transparent mit einer leichtgrünen Färbung.
Eigenschaften für den Korrosionsschutz
OM-Beschichtungen zeigen auf Metallen einen Korrosionsschutzeffekt. Das Organische Metall wirkt dabei wie ein Edelmetall, dessen Redoxpotential nahe beim Silber liegt. Zusätzlich zur Veredlung wandelt das Polyphenylenamin die Oberfläche des zu schützenden Metalls in eine hauchdünne, dichte Metalloxidschicht um. Bei Eisen oder Stahl entsteht in einer komplizierten Reaktionsfolge Fe2O3.
Nach der Beschichtung mit dem organischen Edelmetall ist das Korrosionspotential bei Stahl um bis zu 800 mV verschoben, wobei sich auch verzinkte Stähle sehr gut schützen lassen. Die Korrosionsgeschwindigkeit beträgt nach der Veredelung meist nur noch einen Bruchteil der vorherigen. Die Passivschicht aus Fe2O3 setzt dem Rostfraß eine zusätzliche chemische und physikalische Barriere entgegen. Nach dem gleichen Prinzip läßt sich sogar Kupfer durch das Organische Metall passivieren. Beschichtungen mit Polyphenylenamin (Handelsname: Corrpassiv®) stellen also – im Gegensatz zu den herkömmlichen rein defensiven Barrierebeschichtungen – einen aktiven Schutz dar.
Wirkung nur direkt auf derMetalloberfläche
Das Organische Metall kann seine Wirkung nur direkt auf der Metalloberfläche entfalten. Aus diesem Grund ist es in allen Corrpassiv-Grundierungen enthalten, die mit einer Schichtstärke von 20 µm auf die blanke Metalloberfläche aufgetragen werden. Um den hohen Wirkungsgrad dauerhaft zu gewährleisten, müssen die OM-Grundierungen derzeit noch mit einer Deckbeschichtung versiegelt werden. Die Auswahl dieser Beschichtungen ist abhängig von den Anforderungen und dem Einsatzzweck der zu schützenden Metalle. Für harte Korrosionsbedingungen sind 2-K-Epoxidharz- bzw. 2-K-Polyurethan-Systeme bestens geeignet.
Entscheidend für höchsten Korrosionsschutz von Beschichtungssystemen ist die Verträglichkeit der Lacke miteinander. In erster Linie ist auf eine optimale Haftung der verschiedenen Produkte untereinander zu achten. Die OM-Grundierungen sind zwar universell einsetzbar, aber dennoch nicht beliebig mit jeder anderen Beschichtung kompatibel.
Breites Anwendungsspektrum
Die Beschichtungstechnologie läßt sich bei nahezu allen Korrosionsaufgabenstellungen mit großer Aussicht auf Erfolg einsetzen. In der Praxis sind daher alle Korrosionsprobleme, die aufgrund starker Korrosionsbeanspruchungen auftreten, für OM geeignet. Der Schichtaufbau dieser Systeme ist für den Einsatz in stark belasteten Bereichen wie im Stahl- und Wasserbau, in Hafenanlagen, Raffinerien, auf Brücken, Rohrleitungen oder Behältern entwickelt worden.
Auch in der Abwassertechnik hat sich eine Beschichtung auf Basis des Organischen Metalls bewährt. Für die Modernisierung von Abwassernetzen hat ein mittelständisches Unternehmen neuartige, hydraulische Wehr- und Filtersysteme für eine kosteneffiziente Lösung entwickelt. Der Ersatz von Edelstahlkomponenten durch normalen Stahl gelang durch eine OM-Beschichtung. Interne Labor- und externe Praxistests über mehr als 2 Jahre haben gezeigt, daß sich die geforderten Eigenschaften durch das Aufbringen einer OM-Grundierung und einer vom Hersteller vorgegebenen, verschleißfesten 2-K-Kunstharz-Deckbeschichtung erreichen lassen. Die so behandelten Bauteile sind mit den aus Edelstahl gefertigten Teilen im Korrosionsverhalten voll vergleichbar, bieten zusätzlich aber einen erheblichen Kostenvorteil.
Auch für aggressive Umgebungengeeignet
Durch die aggressive Atmosphäre bei der Herstellung von Ammoniak und Harnstoff in einem norddeutschen Chemieunternehmen wiesen u. a. die Stahlträger von Rohrbrücken starke Korrosionsschäden auf. In Intervallen von ca. fünf Jahren wurde eine Instandhaltung durch Entrostung und Auftrag eines Korrosionsschutz-Beschichtungssystems durchgeführt. Mit der Zielsetzung, diesen Zeitabstand zu vergrößern, wurde bei einer Rohrbrücke das Beschichtungssystem Corrpassiv 4903 verwendet (Abb. 2). Die Vorbereitung der Oberfläche erfolgte gemäß einer Anforderung des Betriebes durch Sandstrahlen. Das vorherige Sandstrahlen ist aber nicht unbedingt erforderlich, wie ein anderer Fall zeigte. Hier wurde lediglich der lose Rost mechanisch entfernt und eine oberflächentolerante Version des Beschichtungssystems aufgetragen.
Einsatz bei Rohrleitungen
Durch das Küstenklima am Elbehafen Brunsbüttel traten an der Rohölpipeline einer Raffinerie im Bereich der Schweißnähte immer wieder Korrosionserscheinungen auf. Um die Oberfläche gegen mineralische Öle und Seewasser zu schützen, wurden die Rohrleitungen in regelmäßigen Abständen untersucht. Schadhafte Stellen wurden im Zuge der Sanierung sandgestrahlt und mit einem Beschichtungsaufbau, bestehend aus Rostschutzprimer, Zwischen- und Decklackierung, ausgebessert. Mit dem Ziel, das Auftreten von Roststellen dauerhafter zu vermeiden, setzte man bei den Ausbesserungsarbeiten an der Pipeline nun erstmals ein Corrpassiv-System ein.
Fertig beschichtete Rohre, die erst auf der Baustelle den Erfordernissen entsprechend verbogen werden, weisen nach dem Biegevorgang oft Mikrorisse auf. Dies gilt insbesondere für Zinkstaubgrundierungen, die zum Teil sogar großflächig abplatzen. Die Corpassiv-Grundierungen und -Decklacke machen dagegen jegliche Verformungen problemlos mit. Die an den Dehnungs- und Stauchungsstellen ansonsten schnell zu beobachtende Korrosion entfällt.
Ein Anlagenbauunternehmen hat sich kürzlich entschieden, in Kläranlagen verwendete Edelstahlrohre, die in diesem Fall innerhalb des Systems mit direktem Kontakt zum korrosiven Medium verlegt werden, durch beschichtete Normalstahlrohre zu ersetzen. Vorversuche und auch eine Anwendung bei der DASA in Finkenwerder bei Hamburg haben gezeigt, daß dies auch problemlos möglich ist.
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