Startseite » Chemie »

Stillstandsmanagement

Realisierbar sind Einsparungen in Höhe von 25%
Stillstandsmanagement

Die finanziellen Risiken eines Stillstandes sind erheblich. Angesichts der möglichen negativen Auswirkungen auf das operative Ergebnis und die Leistungen, werden sich Unternehmer immer bewußter, daß eine optimierte Überwachung des Stillstandsprozesses notwendig ist.

Jo Reinders, Knut Viehweger

Häufig müssen Produktionsanlagen außer Betrieb gesetzt werden, um an ihnen bestimmte Tätigkeiten durchführen zu können. Dies sind nicht nur Instandhaltungstätigkeiten, die eine Außerbetriebsetzung der Anlagen erforderlich machen. Auch Sicherheitsaspekte spielen eine Rolle. Bei einer funktionierenden Anlage läßt sich nicht immer feststellen, ob die einzelnen Vorrichtungen noch einen sicheren Produktionsprozeß gewährleisten. Um dies abklären zu können, ist ein Stillstand notwendig. Wie oft ein solcher Stillstand stattzufinden hat, ist in der Regel nicht den jeweiligen Unternehmen selbst überlassen, sondern wird von der diesbezüglichen Gesetzgebung vorgeschrieben.
Kennzeichnend für einen Stillstand ist, daß in kurzer Zeit zahlreiche Arbeiten durchgeführt werden müssen, über deren Umfang jedoch bei Beginn des Stillstandes noch keine Gewißheit besteht. Schließlich kann erst dann, wenn ein Apparat vollständig demontiert wurde, festgestellt werden, welche Maßnahmen notwendig sind.
Entwicklungen
Es hat sich gezeigt, daß Produktionsunternehmen bezüglich der Bedeutung, die sie einem Stillstand im Rahmen der Betriebsführung beimessen, eine bestimmte Entwicklung durchlaufen (Abb. 2). In der ersten Phase konzentriert man sich insbesondere auf die befristete Bereitstellung von zusätzlicher Kapazität, die notwendig ist, um die Stillegung durchführen zu können. Damit hängt eng zusammen, wieviel Beachtung man dem Inhalt der Verträge widmet, die mit den mit der Durchführung beauftragten Firmen geschlossen werden. Der Absicherung gegen Ungewißheiten, die beim Vertragsabschluß mit diesen Firmen noch beträchtlich sind, kommt eine besondere Bedeutung zu: Häufig ist ein wesentlicher Bestandteil der durchzuführenden Tätigkeiten noch nicht bekannt bzw. wurde noch nicht vorbereitet, so daß das Vorhaben sowohl für die auftraggebende als auch für die ausführende Partei bestimmte Risiken birgt.
In der zweiten Phase konzentrieren sich Unternehmen auf die Überwachung des Stillstandes. Wie häufig hat sich in den letzten Jahren herausgestellt, daß die enttäuschenden finanziellen Unternehmensergebnisse auf Schwächen zurückzuführen waren, die mit einer zu geringen Überwachung der Vorgehensweise bei einem Stillstand zusammenhingen. Strukturelle Änderungen sind erforderlich. Man ist sich der Notwendigkeit einer straffen, projektmäßigen Vorgehensweise mit den entsprechenden Methoden und Hilfsmitteln, wie z.B. die Einführung eines (automatisierten) Managementsystems für Stillstände, bewußt.
Die strukturierte Analyse der historischen Daten und Kennzahlen sowie das „Scoping“ werden stärker berücksichtigt. So ist es möglich, insbesondere die Vorbereitung und Durchführung eines Stillstandes auf solche Weise zu überwachen, daß die Zeit während des Stillstandes optimal genutzt wird und die Anlage nicht länger als unbedingt notwendig außer Betrieb gesetzt werden muß. Diese Überwachung führt somit insbesondere bei den Kosten für Produktionsausfälle zu erheblichen Einsparungen und zu weniger Überschreitungen des zuvor festgelegten Budgets. Ferner ermöglicht die strukturierte Speicherung der Erfahrungen eine kürzere Vorbereitungszeit und eine bessere Vorhersehbarkeit des nächsten Stillstandes.
In der dritten Phase ist man sich der strategischen Bedeutung eines Stillstandes für das Betriebsergebnis bewußt. In dieser Phase werden zusammenhängende Maßnahmen getroffen, mit denen einerseits die Frequenz der Stillstände verringert und andererseits der Umfang besser definiert und überwacht werden soll. So wird die Gefahr verkleinert, daß der Stillstand außer Kontrolle gerät. Zu berücksichtigen ist auch, daß der Gesetzgeber an einer Verringerung der Frequenz mitwirkt, wenn nachgewiesen werden kann, daß frühere Prüfungen positiv verlaufen sind und die betreffende Maschine oder Anlage in der vom Unternehmen angegebenen und vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Weise genutzt und instandgehalten wird. Der Umfang eines Stillstandes kann besser definiert und überwacht werden, wenn alle diesbezüglichen Tätigkeiten kritisch betrachtet werden, wobei zu prüfen ist, ob die Tätigkeiten nicht auch ohne den Stillstand stattfinden können. Die technischen und die betrieblichen Leistungen sind unter strategischen Gesichtspunkten zu gewichten. Ein wichtiges Prüfungskriterium können Benchmarking-Daten sein, die in der (petro-)chemischen Industrie bereits angewendet werden. Die Ergebnisse der dritten Phase sind ein in jeder Hinsicht besser überwachter und ausgewogener Stillstandsprozeß aufgrund der Maßstabsverringerung und durch eine optimierte Produktionsverfügbarkeit der Anlage, wodurch wiederum erhebliche Einsparungen realisiert werden.
Häufig vorkommende Fehler
Eine Analyse der Frage, warum die Stillstände bei zahlreichen Unternehmen immer noch unzureichend überwachte Prozesse sind, führt zu folgendem Ergebnis:
• Unternehmen werden mit einem stets wechselnden Personalbestand konfrontiert, so daß keine Routine entwickelt werden kann; dies ist unter anderem auf die Verringerung der Frequenz von Stillständen zurückzuführen.
• Große Unternehmen, die bis vor kurzem über eigene Abteilungen für das Stillstandsmanagement verfügten, haben diese Abteilungen geschlossen. Alle diese Faktoren führen dazu, daß es nicht mehr möglich ist, den Stillstandsprozeß besser zu überwachen, d. h. den sich stets wiederholenden Zyklus „Scoping“, Vorbereitung, Planung, Durchführung und Analyse zu schließen.
• Unternehmer sind sich nicht bewußt, daß ein Stillstand etwas völlig anderes ist als ein Projekt „auf der grünen Wiese“. Dies führt in der Praxis dazu, daß ein Stillstand von den falschen Personen mit den falschen Methoden und den falschen Mitteln durchgeführt wird. Die Folgen sind eine ineffiziente Vorbereitung und eine ineffiziente Durchführung des Stillstandes.
• Nur selten wird eingesehen, daß ein Stillstand nicht nur zu einer zusätzlichen Belastung bei der Durchführung führt, sondern daß auch die Vorbereitung, das Management und der Abschluß der Arbeiten besonders zeitaufwendig sind. Auch die quantitative und qualitative Besetzung des Managements und unterstützender Positionen muß dazu beitragen, daß ein Stillstand erfolgreich abgeschlossen werden kann.
• An einem Stillstand sind – sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung – zahlreiche Parteien beteiligt: Instandhaltung, Engineering, Produktion, Beschaffung, Auftragnehmer usw.
Wenn nicht alle beteiligten Parteien rechtzeitig und inhaltlich über die richtigen Angelegenheiten miteinander beraten, ist die Gefahr groß, daß die Kommunikationsstörungen während der Durchführung zu einer Aufschiebung der Tätigkeiten und zu unnötigen Wartezeiten und somit zu direkten Kostenerhöhungen und Produktionsausfallkosten führen.
Erfolgsfaktoren
Folgende Kriterien müssen erfüllt werden, um Stillstände erfolgreich durchführen zu können:
• Ein Stillstand muß projektmäßig angegangen werden.
• Für einen Stillstand sind die richtigen Kenntnisse, Erfahrungen, Hilfsmittel und das richtige Know-how bezüglich der Anlage und der Ausrüstung erforderlich.
• Die endgültige Festlegung des Umfangs und der Dauer eines Stillstandes hat rechtzeitig zu erfolgen.
• Die Zusammenarbeit zwischen der eigenen Organisation, den ausführenden Organisationen sowie dem auf das Stillstandsmanagement spezialisierten Unternehmen muß ergebnisorientiert sein.
• Die finanziellen Risiken eines Stillstandes müssen überschaubar und kontrollierbar sein.
• Die bei einem früheren Stillstand gesammelten Erfahrungen sind strukturiert zu speichern, so daß sie bei späteren Stillständen als Leitfaden dienen können.
Stillstandsmanagement mit Konzept
Bei einem Stillstand wird mit einem einzigen Projektteam gearbeitet, in dem alle beteiligten Abteilungen vertreten sind und bei dem nicht zwischen der Vorbereitungs- und der Durchführungsphase unterschieden wird. Auf der Grundlage des Umfangs kann mit Hilfe von Kennzahlen innerhalb kürzester Zeit die notwendige Personenanzahl für das Projektteam ermittelt werden. Qualitativ wird die Besetzung des Projektteams anhand von Kriterien wie Anlagenerfahrung, Flexibilität und Erfahrung mit der Arbeitsweise und Organisation des Auftraggebers bestimmt. Das Stillstandsprojekt wird in mehreren Phasen durchgeführt. In Abbildung 5 werden pro Phase die einzelnen Prozeßschritte und ihre Zusammenhänge dargestellt. Grundlage des Stillstandsmanagements ist der Prüffolgeplan, in dem pro Prüfpunkt (Maschine oder Gruppe von Maschinen) festgehalten wird, welche Tätigkeiten durchzuführen sind. Dies bildet die Grundlage für die folgenden Prozeßschritte wie technische Aufgabenstellung, Vorbereitung, Planung und Durchführung. Die Festlegung der Verfahren ist eine wesentliche Voraussetzung für das Stillstandsmanagement.
Die richtige Besetzung eines Stillstandsprojekts kann erfahrungsgemäß nur realisiert werden, wenn die Aufgaben des Projektteams im Auftrag genau definiert werden. Es ist besser, ein darauf spezialisiertes Unternehmen zu beauftragen, das mehrmals pro Jahr Stillegungsprojekte leitet und unterstützt, als selber zu versuchen, ein solches Projekt alle paar Jahre einmal zu leiten und zu koordinieren.
Es gelten straffe Zeitpläne. Der vorläufige Umfang eines Stillstandes wird spätestens 12 Monate vor der Durchführung definiert. Spätestens drei Monate vor Beginn wird dann der endgültige Umfang festgelegt. Treten danach noch Änderungen auf, so können deren Konsequenzen mit den von dem beauftragten Unternehmen entwickelten Hilfsmitteln analysiert werden – und zwar die Kosten und die Dauer als auch die kritische Phase. So kann wohlüberlegt entschieden werden, ob die beantragte „Umfangsänderung“ berücksichtigt wird oder nicht.
Die ausführenden Auftragnehmer und Zulieferer von Materialien müssen möglichst in einem frühen Stadium an dem Projekt beteiligt werden, so daß der Umfang und die Dauer gemeinsam mit ihnen in regelmäßigen Abständen besprochen werden können. Für alle Parteien muß die Rollenverteilung mit den zugehörigen Aufgaben klar umschrieben sein.
Die Kostenverwaltung erfolgt mittels einer einheitlichen Budgetplanung mit eindeutigen Kalkulationssystematiken. Die Budgetüberwachung geschieht mit Hilfe von „Cost Monitoring“, wobei das ursprüngliche Budget als Vergleichgrundlage dient. Auf dieselbe Weise lassen sich während der Durchführung die tatsächlichen Kosten überwachen. Für Mehr- und Minderarbeit werden genau festgelegte Verfahren durchlaufen.
Hilfsmittel
Um alle Aspekte eines Stillstandes überwachen zu können, sind Hilfsmittel wie Prüfmethoden, Kalkulationsmethoden einschließlich Normen und ein adäquates Informationssystem notwendig. Es hat sich herausgestellt, daß auf dem Markt noch keine Standard-Managementtools verfügbar sind, die den in Abbildung 5 dargestellten Prozeß integral unterstützen. Deshalb wurde in Zusammenarbeit mit und für große Industrieunternehmen ein Shutdown (Stillstand)- Managementtool entwickelt, in dem insbesondere Aspekte wie Budgetplanung, Auftragsvergabe, Planung, Cost Monitoring, Mehr- und Minderarbeit, Gewährleistungen und Beurteilungen berücksichtigt werden. Der Vorteil einer strukturierten Gliederung eines Gesamtnetzwerks ist, daß jederzeit Einblicke in die Dauer eines Stillstandes geboten werden können und diese Dauer analysiert und möglicherweise verkürzt werden kann. Dies wird erreicht, indem aus einheitlichen und konsistenten Eckdaten konsolidierte Informationen für die in Abbildung 5 aufgeführten Prozeßschritte herausgefiltert werden.
Das System hat in der Praxis – ausgehend von der ersten der drei genannten Phasen – gezeigt, daß im Vergleich zu früheren Vorbereitungen mit anderen Hilfsmitteln bei der ersten Vorbereitung einer Anlage auf einen Stillstand Einsparungen in Höhe von 25% realisiert werden. Diese Einsparungen beziehen sich auf die Gesamtkosten für Vorbereitung, Instandhaltung, Engineering und Stillegungsmanagement. Dabei wurden Einsparungen infolge der Verkürzung der Laufzeit („Stillstandsdauer“) und der Verbesserung der Effizienz bei der Durchführung noch nicht einmal berücksichtigt. Von einer solchen strukturierten Datenspeicherung wird ferner erwartet, daß bei der nächsten Vorbereitung weitere 25% eingespart werden können, insgesamt also 50% im Vergleich zur ursprünglichen Situation.
Weitere
Informationen
cav-312
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de