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Umsetzung bereitet Schwierigkeiten

Hygieneverordnung fordert Eigenkontrollsystem
Umsetzung bereitet Schwierigkeiten

Schon in der Vergangenheit wurden besondere Hygieneanforderungen an Lebensmittelbetriebe gestellt. Was jedoch seit diesem Monat neu ist, ist die Systematisierung der Vorgehensweise und die Pflicht, alle Mitarbeiter, die mit Lebensmitteln umgehen, in Fragen der Lebensmittelhygiene regelmäßig zu schulen. Die IST-Situation in der Praxis zeigt deutlich, daß vor allem kleine und mittlere Unternehmen noch Probleme bei der Umsetzung sowie einen Aufklärungs- und Informationsbedarf haben.

Dipl.-Ing. (FH) Beate Keller

Anfang August trat §4 der Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) in Kraft, der die Betriebe zu mehr Eigenverantwortung verpflichtet. Sie müssen nun eine Risikobetrachtung ihrer Produkte durchführen, um zu erkennen, wo mögliche Gefahren in bezug auf Rohstoffe, die Herstellung und den weiteren Umgang mit den Produkten bis zu ihrem Verbrauch liegen. Dort, wo Gefahren bestehen, müssen sie diese bewerten und die kritischen Punkte darunter identifizieren. Kritische Punkte sind in Zukunft zu überwachen. Die Betriebe müssen auch festlegen, wie sie bei Abweichungen an diesen Punkten verfahren und sie müssen ihr System regelmäßig auf Funktion überprüfen. Diese Vorgehensweise basiert auf den Grundsätzen des international anerkannten HACCP-Systems (Abb. 1). Vor allem bei mittleren und kleineren Lebensmittelbetrieben klopfen die Überwachungsbehörden an und fragen nach dem Stand der Umsetzung. Dabei zeigt sich, daß die mittleren Betriebe bis zu einer Größe von 100 Mitarbeitern sich ihrer im Zuge der LMHV entstandenen Aufgaben im allgemeinen bewußt sind und nun dabei sind, diese umzusetzen. Auch bisher wurden die allgemeinen Hygieneregelungen dort in irgendeiner Weise umgesetzt. Was gefehlt hatte, war ein System und die Dokumentation der Maßnahmen. Davor hatte man zurückgeschreckt, weil man zum einen Angst hatte, daß dadurch künftig jeder Handgriff aufgeschrieben und dokumentiert werden muß und zum anderen, weil meist entweder zu wenig Fachwissen oder zu wenig Zeit vorhanden war, um sich mit der LMHV zu beschäftigen.
Kleine Betriebe haben Nachholbedarf
Dagegen erkennen die kleinen Betriebe mit bis zu 30 Mitarbeitern erst langsam den Handlungsbedarf. Bisher hatten viele gehofft, daß man sie mit der LMHV nicht gemeint hat. Da in der letzten Zeit die Behörden immer häufiger nach dem Stand der Umsetzung fragen und auch die Verbände Tips gegeben haben, beschäftigen sich immer mehr Betriebsinhaber mit der Problematik. Man muß allerdings davon ausgehen, daß die meisten kleinen Betriebe im August noch nicht in der Umsetzungsphase sein werden. Das heißt nicht, daß bei den kleinen Betrieben unhygienisch gearbeitet wird. Es fehlt nur meist eine Systematisierung der vorhandenen Abläufe. Regelungen sind zum Teil vorhanden, aber sie sind nicht dokumentiert. Die klare Zuordnung von Aufgaben fehlt. Die Ausführung der Regelungen erfolgt durch den, der gerade Zeit hat oder durch den, der gerade mit der Aufgabe betraut ist. Dadurch besteht die Gefahr, daß etwas vergessen bzw. nicht richtig ausgeführt wird. Dazu gehören insbesondere Regelungen zur Reinigung und Desinfektion. Die tägliche Reinigung funktioniert in den meisten Fällen. Doch durch die fehlende Systematisierung findet in vielen Betrieben nicht regelmäßig genug eine Tiefenreinigung statt. Die Schädlingsüberwachung wird meist fremd vergeben. Die Schädlingsbekämpfer haben sich auf die Anforderungen der LMHV bereits eingestellt und liefern die notwendige Dokumentation gleich mit.
Schwachstellen im Betrieb
Die Abfallentsorgung ist meist geregelt. Wo es häufig mangelt, ist der richtige Umgang mit Abfällen durch die Mitarbeiter. Dies ist durch Schulungen in den Griff zu bekommen. Der bauliche Zustand der Gebäude und der Räume wird meist nur sporadisch oder gar nicht überprüft. Wenn Mängel auffallen, werden sie meist behoben. Der Wareneingang ist nur selten geregelt. Findet eine Wareneingangsprüfung statt, dann beschränkt sie sich normalerweise auf den Abgleich des Lieferscheines mit der gelieferten Ware. Qualitätsprüfungen und Temperaturüberwachung finden nur selten statt. Schulungen der Mitarbeiter finden sich gewöhnlich nur in Form einer Einweisung bei der Arbeitsaufnahme und beschränken sich meist auf die arbeitstechnischen Probleme. Hygiene wird selten angesprochen. Wiederholungsschulungen gibt es kaum. Das wird damit begründet, daß in den meisten Betrieben nur Fachleute beschäftigt werden. Gefahrenanalysen wurden in den kleinen Betrieben bisher kaum durchgeführt. Diejenigen, die sich nun für die LMHV interessieren, sind meist der Meinung, daß es reicht, die inzwischen vorhandenen Musterbücher der Verbände zu besorgen und die dort vorhandenen Checklisten zu übernehmen. Das gleiche gilt für die Identifizierung der kritischen Punkte.
Musterlösungen nicht einfach übertragbar
Viele Fachverbände bieten inzwischen ihren Mitgliedern Musterlösungen an. Für eine erfolgreiche Umsetzung der LMHV ist es jedoch sehr wichtig, diese Musterlösungen nicht einfach zu übernehmen. Sie sind in jedem Fall an die betriebsspezifischen Gegebenheiten anzupassen. So berücksichtigen Musterlösungen zwar Branchenprobleme, nicht aber die Größe des Betriebes, die Ausstattung mit Maschinen und Anlagen, die räumlichen Gegebenheiten, die Kenntnisse und Erfahrungen der Mitarbeiter, die Produktpalette, die Rezepturen usw. Dadurch läuft der Betrieb Gefahr, in manchen Bereichen zu viel umzusetzen, andere Bereiche aber zu vernachlässigen.
Das bedeutet konkret, daß sich bei der Überprüfung der allgemeinen Hygieneanforderungen viele Betriebe auf die gelieferten Checklisten für Warenannahme, Reinigungspläne etc. verlassen. Dabei übernehmen sie Regelungen, die für ihren Betrieb nicht sinnvoll sind. Folge ist, daß die Mitarbeiter die Regelungen nicht einsehen, diese nur halbherzig ausführen oder sich gar nicht daran halten. Bei der Gefahrenanalyse und der Festlegung der kritischen Punkte gilt ebenfalls, daß die Musterlösungen eine wertvolle Hilfe darstellen, aber keine fertigen Konzepte liefern können. So werden hier die am häufigsten identifizierten Gefahren und kritischen Punkte als Beispiele behandelt. In der Praxis gibt es jedoch in der Regel aufgrund anderer Rezepturen, Herstellungsverfahren, Ausbildungsstände der Mitarbeiter, räumlicher Gegebenheiten etc. in jedem Unternehmen andere kritische Punkte.
Schwierigkeiten bei der Umsetzung
Selbstverständlich sollte ein Betrieb die für die Überwachung zuständigen Behörden zu Rate ziehen. Dadurch können allerdings neue Probleme entstehen. Zum einen besteht bei den Betrieben die nicht immer unbegründete Angst, daß wenn man sich erst einmal an eine Behörde gewandt hat, diese auf ein Problem aufmerksam wird, das mit neuen Auflagen verbunden ist. Zum anderen dient den Überwachungsbehörden als Grundlage für ihre Forderungen und Entscheidungen ebenfalls nur die Lebensmittelhygieneverordnung und falls vorhanden, die speziellen Branchenvorschriften. Die entsprechend Art. 5 der EU-RL 93/43/EWG geforderten Leitlinien für eine gute Lebensmittelhygienepraxis, die von den Betrieben auf freiwilliger Basis berücksichtigt werden sollen, sind noch nicht ausgearbeitet. Damit beschäftigt sich zur Zeit ein DIN-Ausschuß. Dadurch kommt es nicht selten vor, daß vergleichbare Betriebe durch die Überwachungsbehörden zum Teil sehr kontroverse Auflagen bekommen, und das nur, weil für die Betriebe aufgrund ihrer geographischen Lage eine andere Behörde zuständig ist. In diesen Fällen kann nur dazu geraten werden, sich mit den Behörden sachlich auseinanderzusetzen und den eigenen Standpunkt zu begründen.
Zur Umsetzung der LMHV bieten sich einige sinnvolle Orientierungshilfen an, so zum Beispiel der Besuch eines Seminars. Doch wer nicht nur oberflächlich informiert werden will, sollte bei dessen Auswahl darauf achten, daß es auf seine spezielle Branche zugeschnitten ist. Wer über das erforderliche Grundwissen verfügt und genügend Zeit hat, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen, kann sich mittlerweile in eine breite Palette von Fachbüchern einarbeiten. Auch die zuständigen Verbände sind, was Aufklärungsarbeit angeht, sehr aktiv.
Eine etwas teurere, aber durchaus effektive Möglichkeit zur Hilfestellung bei der Umsetzung ist es, ein externes Beratungsunternehmen zu engagieren. Dieses Angebot wird v.a. von mittelständischen, in zunehmendem Maße aber auch von kleinen Betrieben genutzt. Diese haben in der Regel nicht die Zeit und das Personal, um sich mit dem Thema LMHV intensiv zu beschäftigen. Gute Berater bieten in der Regel sowohl eine betriebsspezifische Konzepterstellung und Umsetzung als auch kleinere Lösungen an. So können anhand konkreter Beispiele aus dem Betrieb Lösungen erarbeitet werden. Häufig übernehmen die Berater die vorgeschriebenen Hygieneschulungen der Mitarbeiter. Dabei sollten sich die Schulungen nicht nur auf Anweisungen beschränken, sondern die Hintergrundinformationen liefern, die den Mitarbeitern die Folgen von Fehlern und Unachtsamkeiten für die Qualität und Beschaffenheit der Produkte verdeutlichen (Abb. 2). Erst dadurch werden sie den Sinn der betriebsspezifischen Hygieneregelungen verstehen und diese befolgen.
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