Die Angst geht um: kein Tag, an dem nicht ein Klimaexperte vor Dürren, Stürmen und Überschwemmungen warnt. Die Menschen müssten die CO2-Emissionen drastisch reduzieren und sich zugleich an den Klimawandel anpassen, so gut es geht. Darin sind sich fast alle Experten einig. Doch manchen ist das zu wenig. Sie suchen Wege, um die Erderwärmung durch „Geo-Engineering“ zu bremsen – durch Maßnahmen zur Veränderung von Stoffkreisläufen der Erde im großen Maßstab. Die Rede ist von Sonnenschirmen im Weltall, um die Atmosphäre abzukühlen, oder von künstlichen Bäumen, die CO2 aus der Luft filtern sollen. Doch wie bewertet und vergleicht man Geo-Engineering-Methoden? Eine Antwort darauf gibt Tim Lenton, Experte für Erdsystemforschung an der University of East Anglia im britischen Norwich. Er hat gemeinsam mit seiner Studentin Naomi Vaughan Modellrechnungen für verschiedene Szenarien von CO2-Kreisläufen vorgelegt. Dabei ermittelten die Forscher erstmals Vergleichswerte für die Menge an wärmender Energie, die dem Klimasystem Erde bei den unterschiedlichen Maßnahmen erspart bleibt. Das ernüchternde Ergebnis: Die effektivsten Geo-Engineering-Verfahren sind auch die gefährlichsten. Bei ihnen wird das Sonnenlicht abgeschirmt – durch Schwefelpartikel in der Atmosphäre, Sonnensegel im All oder Wolken aus Meerwasser. Weniger wirkungsvoll, dafür auch weniger problematisch ist es laut Lenton, CO2 mit künstlichen Bäumen aus der Atmosphäre zu holen oder Wüsten mit weißer Plastikfolie abzudecken.
Derzeit sieht der Forscher nur zwei vertretbare Ansätze zum Geo-Engineering: Zum einen könnte eine klimafreundliche Waldwirtschaft einen wichtigen Beitrag dazu leisten, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Zum anderen bietet die Verkohlung von Biomasse eine Chance: Wenn man Holz oder landwirtschaftliche Abfälle in Kohle umwandelt, wird Kohlenstoff langfristig gebunden. Und so lange man die Kohle nicht wieder verbrennt, sondern anderweitig verwendet, bleibt die Atmosphäre entlastet. Es gibt ein neues, sehr effizientes Verfahren zur Herstellung solcher „Pflanzenkohle“, die Hydrothermale Karbonisierung (HTC). Ihr Vorteil: Man kann auch flüssiges Material verwenden. Das funktioniert zumindest im Labor und verbraucht dort unterm Strich keine Energie. Damit lässt sich auch aus Abfall-Biomasse, Gartenmüll oder Klärschlämmen Kohle erzeugen, die man entweder für neue Produkte verwenden oder über Felder ausstreuen könnte. In der Landwirtschaft wäre die Kohle als Bodenverbesserer von Nutzen. Ähnlich wie Torf würde sie Wasser und Nährstoffe speichern. „Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein“, schwärmt der Erfinder des neuen Verfahrens, Markus Antonietti vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Golm. „Das Verfahren ist im Prinzip geeignet, unsere CO2-Probleme mittelfristig zu lösen.“ Inzwischen befassen sich Agraringenieure, Chemiker, Fachleute für Energie- und Stoffkreisläufe sowie Industrievertreter intensiv damit. Allerdings sind noch viele Fragen offen. Zum Beispiel: Lässt sich die Hydrothermale Karbonisierung aus dem Labor in die Industrie übertragen? In welche Produkte mit negativer CO2-Bilanz kann man die Pflanzenkohle verwandeln? Wie wird das Verfahren rentabel?
Antworten darauf sucht Volker Zwing von CS carbonSolutions. Der Geschäftsführer des Start-up-Unternehmens hat die Lizenzrechte am HTC-Verfahren von der Max-Planck-Gesellschaft erworben. Mit seinen Kollegen hat er eine Pilotanlage aufgebaut, die noch 2010 in Betrieb gehen und in der Lage sein soll, eine Tonne Biomasse pro Stunde in Kohle zu verwandeln – in einem kontinuierlichen Prozess. „Wirtschaftlich ist es für uns am attraktivsten, hochwertige Kohleprodukte herzustellen, zum Beispiel Filterkohle oder Zusatzstoffe für die Reifenindustrie“, sagt Zwing. Doch auch für Kohle als Dünger und CO2-neutralen Ersatzbrennstoff sieht er einen Markt. Jan Lublinski
Internet
Das Unternehmen CS carbonSolutions:
Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung:
LESEN
Günter Altner, „Die Klima-Manipulateure: Rettet uns Politik oder Geo-Engineering?“, Jahrbuch Ökologie 2011, S. Hirzel, Stuttgart 2010, Euro 19,80
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