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Als das Radar Schüttgut lernte

Radar-Füllstandmessumformer arbeitet mit der Frequenz 78 GHz
Als das Radar Schüttgut lernte

Mithilfe eines Füllstandmessgerätes, das die Vorteile der berührungslosen Radarmessung mit denen der geführten Mikrowelle verbindet, wird die Erfassung eines gesamten Silos bis in den Austrag hinein wesentlich einfacher. Der Weg zu dieser Lösung zeigt die rasante Entwicklung der Füllstandmesstechnik im vergangenen Jahrzehnt.

Der Autor: Holger Bohlmann Applikationsingenieur, Siemens

Bis vor etwa zehn Jahren waren Verwiegung und Ultraschalltechnik die Standardverfahren, wenn man berührungslos Schüttgut messen wollte. Allerdings sind beide Verfahren aufgrund ihrer Technik gewissen Einschränkungen unterworfen. Bei der Verwiegung spielt die mechanische Komponente eine große Rolle. Die Silos müssen entkoppelt sein, um das Produkt wiegen zu können. Das bedeutet, der Stahlbau ist ein wichtigerer Faktor als die Messtechnik selbst. Ist die mechanische Aufgabenstellung erfolgreich gelöst, kann man das zu messende Produkt ohne Einschränkung des Materialverhaltens, wie z. B. Staubentwicklung und Anbackungen, verwiegen und damit den Füllstand darstellen.
Da im Bereich der Ultraschallmesstechnik die Luft als Trägermedium genutzt wird, ist die Atmosphäre das ausschlaggebende Kriterium. Besonders die starke Staubentwicklung bei der Befüllung feinkörniger Schüttgüter setzt den maximal erfassbaren Produktabstand herab. Als Vorteile sind die mehrkanaligen Ausführungen, und damit ein günstiger Messstellenpreis, und der aktive Selbstreinigungseffekt zu nennen. Die Radarmesstechnik, ob berührend als geführte Mikrowelle oder berührungslos mit verschiedenen Frequenzen, wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich im Bereich der Flüssigkeiten eingesetzt. Besonders bei schwierigen atmosphärischen Bedingungen hat sich das Radarverfahren etabliert und es wird in der chemischen Industrie als Standardtechnik eingesetzt.
Siemens begann im Jahr 2000 Versuche im Bereich der Schüttgutmessung mit dem Füllstandmessumformer Sitrans LR400. Es handelt sich dabei um ein FMCW-Radar mit 25 GHz (Frequency Modulated Continuous Wave Radar) und man erkannte schnell, dass dieses Füllstandradar auch während staubiger Befüllungen Schüttgut in einem Abstand von 40 m messen konnte. Das war der Zeitpunkt, als das Radar (berührungslos), salopp gesagt, Schüttgut lernte. Bis dahin gab es kein berührungsloses Messinstrument, das diese Aufgabe in staubigen Silos so gut erfüllen konnte. Im Lauf der Jahre wurden die Applikationen anspruchsvoller und die Schüttgutradars wurden diesen Anforderungen mit Zusatzausstattungen gerecht.
Horn-, Parabol- und Linsenantennen
Für 25-GHz-Schüttgutradars ist die Hornantenne mit 100 mm Durchmesser eine Standardantenne. Mit ihr ist es möglich, Messbereiche bis 100 m zu realisieren. Der Einbau ist relativ problemlos und die Montageöffnungen auf den Silos reichen in der Regel aus, um diese Antenne einbauen zu können.
Eine weniger verbreitete Antennenform, die für die Radarfüllstandmessungen verwendet wird, ist die Parabolantenne. Der Vorteil dieser Antenne ist die Bündelung der Mikrowelle. Es werden Größen ab ca. 250 mm Durchmesser verwendet.
Ein bis vor Kurzem nicht verwendeter Antennentyp für Schüttgutradar ist die Linsenantenne. Es handelt sich dabei um eine relativ kleine, kompakte Bauform, mit der die Mikrowelle ähnlich wie bei einer optischen Linse fokussiert wird. Der große Vorteil ist die Bündelung der Strahlkeule auf nur 4°. Ein weiterer erheblicher Vorzug ist die Baugröße von nur 68 mm. Dadurch kann die Linsenantenne auf den meisten vorhandenen Siloöffnungen befestigt werden.
Unterschiedliche Messfrequenzen
Die Frequenz hat einen großen Anteil an der Funktionalität eines Schüttgutradars. Im Grunde geht es um den Anteil der direkt empfangenen Reflexion vom Produkt und der Ablenkung durch die schiefe Ebene eines Schüttkegels bzw. Abzugstrichters.
An einem anschaulichen Beispiel kann dieser sogenannte Skip-Effekt folgendermaßen erklärt werden. Vergleicht man die schiefe Ebene der Schüttgutoberfläche mit einer Treppe und die unterschiedlichen Messfrequenzen bzw. Wellenlängen mit Bällen kann man vereinfacht Folgendes versuchen:
Würde man Bälle verschiedener Durchmesser (Wasser-, Hand- und Tennisball) aus einer Höhe von z. B. 15 m auf eine Treppe senkrecht nach unten werfen, wird der Durchmesser des Balles darüber entscheiden, ob er wieder nach oben springt oder nicht. Ein Wasserball würde so gut wie gar nicht zurückspringen – bestenfalls schräg nach oben. Ein Handball hätte schon einen höheren Anteil an den direkten Sprüngen (Reflexionen) zur Abwurfstelle. Noch häufiger und damit einfacher wäre es bei einem Tennisball. Für die berührungslose Radarmessung bedeutet die Erhöhung des Verhältnisses direkter Reflexion (Produktsignal) zu indirekter Reflexion (Ablenkung gegen Silowand) einen Anstieg der Signalgüte bzw. Qualität des Produktsignales.
Strahlkeule auf wenige Grad begrenzt
Die Strahlkeule oder der Ausbreitungswinkel einer Füllstandmessung hat direkten Einfluss auf Installations- und Inbetriebnahmekosten.
Für Silos mit konischem Auslauf ist die Messfähigkeit bis zum Auslauf mit den üblichen Radarmessungen nur bedingt möglich. Geführte Mikrowellen enden oft ca. 1 m über dem Austrag. Das bedeutet, dass, abhängig von Installation und Produktverhalten, dieser Bereich nicht erfasst wird. Zusätzlich bedeutet ein eventuelles Abspannen des Seils im Konus erheblichen Mehraufwand. Für die bislang herkömmlichen 25-GHz-Radarmessungen ist es, je nach Antennenform, auch nur bedingt möglich, bis zum Nullpunkt des Silos zu messen. Die breitere Strahlkeule bei den Hornantennen kann besonders im Übergang vom zylindrischen zum konischen Teil – durch Überlagerung von Signalen – die Erfassung von Produkt im unteren Bereich erschweren.
Durch die Kombination einer auf 78 GHz erhöhten Frequenz und der Linsenantenne wird die Strahlkeule auf wenige Grad begrenzt und die Erfassung des gesamten Silos bis in den Austrag hinein wird wesentlich einfacher. Selbst die Erfassung von Produkt bis in die Austragsschnecken ist möglich.
Störsignale minimiert
Eine Vielzahl von Schüttgutsilos ist im Inneren mit Einbauten versehen und nicht glatt geformt. So sind z. B. Schweißnähte, Verstrebungen, Wandprofile und Produktanhaftungen durchaus üblich und je breiter der Abstrahlwinkel, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Störsignale einen Einfluss auf die Messung haben. Je kleiner der Abstrahlwinkel, umso einfacher ist es, an den Einbauten „vorbei zu schauen“. Dieser Vorteil gereicht den geführten Mikrowellen mit ihrem kleinen Abstrahlwinkel zu ihrem weitverbreiteten Einsatz. Beim Sitrans LR560 kombiniert man die Eigenschaft des „Vorbeischauens“ mit dem Vorteil des berührungslosen Messverfahrens.
Um die negativen Einflüsse von Stutzenreflexionen bei 25-GHz-Füllstandradarmessungen zu vermeiden, ist die ordentliche Auslegung der Antennengröße und -länge unerlässlich. Daher sollte bei den herkömmlichen 25-GHz-Geräten die Hornantenne in den Behälter ragen, um störende Einflüsse des Stutzens zu minimieren. Ist der Stutzen länger als gedacht und die Hornantenne endet innerhalb des Stutzens kann das ungestörte Austreten der Mikrowelle beeinträchtigt werden, was sich direkt auf die Messsicherheit auswirkt. Um die Hornantenne in den Silo hineinragen zu lassen, werden im Allgemeinen Antennenverlängerungen verwendet.
Als vorteilhaft erweist sich die Kombination von 78 GHz und Linsenantenne. Durch die schmale Strahlkeule sind die Störeinflüsse äußerst gering – selbst bei Stutzenhöhen von größer 50 cm wurden nur geringste Störungen gemessen. Das bringt den Anwender in die glückliche Situation, ein Standardgerät verwenden zu können, und die Konfektionierung aufgrund von Stutzenhöhen ist nicht mehr notwendig.
Online-Info: www.cav.de/0411403
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