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Auf harte Bedingungen eingestellt

Dichtungssysteme in der Acrylsäureherstellung
Auf harte Bedingungen eingestellt

Eine hohe Lebensdauer der Wellenabdichtung hängt nicht nur von der richtigen Auswahl der Dichtung und der Werkstoffe ab, sondern auch von der Betriebsweise. Werden hierbei die Besonderheiten des Herstellungsprozesses wie Reinigung, Stand-By-Betrieb usw. mit einbezogen, können die Instandhaltungskosten gering gehalten und die Verfügbarkeit der Anlage deutlich erhöht werden. Die Acrylsäureherstellung ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Lebensdauer von Dichtungssystemen durch eine solche Vorgehensweise optimiert werden kann.

Dipl.-Ing. (TU) Kerstin Bechtel

Acrylsäure, auch 2-Propensäure, ist eine farblose Flüssigkeit, deren wässrige Lösung stark sauer reagiert und die als ätzend und umweltgefährlich eingestuft ist. Deshalb fällt Acrylsäure in Deutschland auch unter die TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft). Darüber hinaus ist Acrylsäure chemisch sehr instabil und neigt zu spontaner Polymerisation (exotherm verlaufend), weshalb sie immer mit sogenannten Stabilisatoren versetzt wird. Die Hauptanwendungsgebiete sind Acrylsäureester, Acrylate für die Farben-, Lack-, Papier- und Klebstoffindustrie, Superabsorber in Babywindeln, Reinigungspolymere und Polyacrylate als Verdicker oder Dispersionsmittel. Das häufigste Herstellungsverfahren beruht auf der zweistufigen katalytischen Gasphasenreaktion von Propen über Acrolein. Gemäß den Anforderungen der TA Luft ist in Deutschland die Verwendung von technisch dichten Pumpen vorgeschrieben. Pumpen mit einer gesperrten Mehrfachgleitringdichtung erfüllen diese Vorgabe. Auch die Explosionsschutzrichtlinie 94/9/EG (ATEX 95) kann in einigen Bereichen zur Anwendung kommen, vor allem beim Einsatz von Lösemitteln.
Gefahr der Polymerisation
Bei der Auswahl der geeigneten Wellenabdichtung sind verschiedene Punkte zu beachten. Dies sind zum einen die Eigenschaften des Mediums Acrylsäure und zum anderen der Herstellungsprozess selbst. Auch die Beurteilung der Werkstoffbeständigkeit ist nicht ganz unkritisch. Acrylsäure hat bei höheren Temperaturen eine starke Neigung zur Polymerisation, aber auch bei Temperaturen nahe dem Schmelzpunkt (<15 °C) besteht die Gefahr der Polymerisation, bedingt durch eine örtliche Verarmung an Stabilisatoren. Dringt Acrylsäure in die Gleitflächen ein, kann es durch Polymerisation zum Verkleben der Gleitflächen kommen. Dies ist vor allem beim Anfahren kritisch, da das Losbrechmoment sehr hoch werden kann und damit die Gefahr besteht, dass die Gleitringe brechen. Auch die Federn können durch die polymerisierte Acrylsäure blockiert werden und im Bereich des dynamischen O-Rings kann es zu Ablagerungen kommen, die ein Nachsetzen desselben verhindern. Die Dichtung fällt dann nach kurzer Zeit aus. Deshalb wird hier der Einsatz von gesperrten Mehrfachgleitringdichtungen empfohlen. Außerdem sollten robuste Dichtungen bevorzugt werden und die Federn sollten nicht im Produkt liegen, um ein Verkleben zu verhindern.
Ebenfalls Vorteile hat der Einsatz einer doppeldruckentlasteten Dichtung, d. h. die Dichtung bleibt bei Sperrdruckausfall bzw. Druckumkehr geschlossen und damit kann kein Prozessmedium in die Dichtung gelangen. Um die Reibungswärme der Dichtung zu reduzieren und damit auch die Temperatur im Bereich der Dichtung, wird der Einsatz einer entlasteten Dichtung empfohlen, obwohl die abzudichtenden Drücke dies nicht unbedingt erforderlich machen.
Bedingt durch die hohe Neigung der Acrylsäure zur Polymerisation, die nie ganz unterdrückt werden kann, werden regelmäßige Reinigungen der Anlage durchgeführt. Da die Anlage dabei nicht demontiert wird, spricht man hier von einer CIP-Reinigung (Cleaning in Place). Das heißt, die Dichtung sollte im eingebauten Zustand leicht zu reinigen und im Produktstrom angeordnet sein. Tote Zonen in der Pumpe sind zu vermeiden. Die eingesetzten Elastomere und Gleitwerkstoffe sollten gegen das Reinigungsmedium beständig sein. Übliche Reinigungsmedien sind Natronlauge oder anorganische Säuren wie Salpetersäure.
Hohe Sperrdrücke
Bei den meist redundant ausgeführten Prozesspumpen ist eine Pumpe immer im Stand-by-Betrieb. Hier ist darauf zu achten, dass der Sperrdruck in dieser Zeit immer ansteht, um zu verhindern, dass Prozessmedium in die Dichtung diffundiert. Während des Stand-by-Betriebs kann auch der zusätzliche Einsatz einer Spülung sinnvoll sein. Erfahrungen zeigen, dass Acrylsäure sogar gegen den Sperrdruck in die Dichtung und ins Versorgungssystem diffundiert, weshalb hier höhere Sperrdrücke als gewöhnlich empfohlen werden. Als Sperrmedium kann normalerweise Wasser eingesetzt werden, da dieses im Prozess ebenfalls verwendet wird. Sind die Pumpen allerdings draußen aufgestellt, ist die Gefahr von Frost gegeben und das Wasser kann einfrieren. Hier ist zu prüfen, ob ein Einsatz von Wasser-Glykol-Mischungen als Sperrmedium möglich ist. Die Viskosität ist dann allerdings höher als bei Wasser und zusätzlich steigt diese mit sinkender Temperatur. Eine Umwälzung mittels Thermosiphoneffekt ist damit nur bedingt möglich. Gegebenenfalls ist es dann sinnvoll, ein Fördergewinde oder eine Umwälzpumpe einzusetzen und durch die Isolation des Versorgungssystems die Viskosität des Sperrmediums zu reduzieren.
Bei der Auswahl der Dichtungswerkstoffe ist zu beachten, dass Acrylsäure in höheren Konzentrationen und vor allem bei höheren Temperaturen sehr korrosiv ist, so dass Standardedelstähle nur noch bedingt beständig sind. Auch das Reaktionsnebenprodukt Essigsäure kann in höheren Konzentrationen sehr korrosiv sein. Darüber hinaus sind viele Elastomere nicht gegen Acrylsäure beständig. Kritisch sind auch die Stabilisatoren wie Hydrochinon oder Hydrochinonmonomethylether und diverse Lösemittel, die im Prozess eingesetzt werden. Perfluorelastomere haben sich hier als eine gute Wahl erwiesen.
Lösungen für die Praxis
Eine sehr gut geeignete Dichtung für die Prozesspumpen einer Acrylsäureanlage ist die entlastete Mehrfachgleitringdichtung HRC in Cartridge-Bauweise von EagleBurgmann, die dadurch sehr einfach zu montieren ist. Sie passt in alle gängigen Chemienormpumpen gemäß DIN 24960 C. Die Dichtung kann bis zu Drücken von 25 bar, Gleitgeschwindigkeiten bis 20 m/s und bei Temperaturen zwischen -20 und +160 °C eingesetzt werden. Sollte die HRC zu groß für den Pumpeneinbauraum sein, ist z. B. auch eine Cartex-DN geeignet. Diese Mehrfachgleitringdichtung in Cartridge-Bauweise ist ebenfalls entlastet. Sie wurde so konzipiert, dass sie auch bei kleineren Pumpeneinbauräumen bis zu Drücken von 20 bar und Gleitgeschwindigkeiten bis 10 m/s eingesetzt werden kann. Grundsätzlich kann die Dichtung bei Temperaturen zwischen -40 und +220 °C verwendet werden. Die hier angegebenen Einsatzgrenzen sind Orientierungswerte und abhängig von der verwendeten Werkstoffpaarung, den eingesetzten Elastomeren und der Fahrweise der Dichtung, d. h. welche Hilfspläne eingesetzt werden. Beide Dichtungstypen sind doppeldruckentlastet und zum Einsatz bei feststoffhaltigen Medien geeignet. Dies macht sie zu universell einsetzbaren Wellenabdichtungen in der chemischen Industrie.
Online-Info www.cav.de/0609424
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