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Fermentation im Griff

Abgasanalyse als Echtzeitindikator für entscheidende Prozessparameter
Fermentation im Griff

Zur Erzeugung optimaler Produktausbeuten haben biotechnologische Prozesse möglichst standardisiert abzulaufen. Die Online-Abgasanalytik ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Standardisierung, da mit dieser Methodik nicht nur wichtige Prozessparameter wie Biomasseentwicklung, Substratverwertung oder Produktentwicklung erfasst und berechnet werden können, sondern auch ein direkter Eingriff in den Prozess möglich ist.

Karin Koller

Um Fermentationen von Mikroorganismen und Zellkulturen erfolgreich zu führen, ist eine hochkomplexe Mess- und Regeltechnik erforderlich. Optimale Kulturbedingungen müssen eingestellt, der pH-Wert konstant gehalten und die Schaumbildung unterdrückt werden. Die meisten Fermentationen sind aerob. Zu jedem Zeitpunkt muss die Sauerstoffversorgung gewährleistet sein. Da Mikroorganismen nur gelöste Gase aufnehmen können, muss der Sauerstoff von der Gasblase in die Kulturbrühe übergehen. Die Sauerstofftransfer-rate OTR ist abhängig vom volumetrischen Sauerstoffübergangskoeffizienten kLa und der Sättigungskonzentration in der Flüssigphase. kLa wiederum wird beeinflusst von der Medienviskosität und dem Durchmischungsgrad. Oberflächenaktive Subs-tanzen wie Antischaummittel verringern kLa, Salze steigern es, da sie die Blasengröße verkleinern. Gleichzeitig führt eine hohe Salzkonzentration zu einer Verringerung der Sauerstofflöslichkeit im Medium.
Sauerstoffhaushalt
Für die Sauerstoffregelung ist durch diese Abhängigkeiten nicht nur der pO2-Regler zuständig. Regelkreise wie Drehzahl, Druck, Gasfluss, Gasmischstation, Mediumsdosierung und Antischaum sind ebenfalls direkt oder indirekt für die Sauerstoffversorgung verantwortlich. Bei Unterversorgung der Zellen stellt sich sofort Sauerstofflimitierung ein, das Wachstum ist nicht mehr exponentiell, sondern linear, die Produktbildungsrate verringert sich und Produkte des anaeroben Stoffwechsels bilden sich. Dies muss unter allen Umständen durch optimiertes Zusammenspiel der relevanten Messsysteme mit der Regelung der involvierten Stellglieder vermieden werden. Ausreichende Versorgung der Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen führt nur zu optimalem Zellwachstum, wenn gleichzeitig entstandene Stoffwechselgifte und Kohlendioxid in ausreichendem Ausmaß von der Zelle entfernt werden können. Eine Akkumulierung von CO2 in der Zelle inhibiert das Wachstum und führt zu verringerter Produktbildung.
Bei jeder industriellen Fermentation haben höchste Produktausbeuten oberste Priorität. Nicht bei jedem Prozess korreliert die Wachstumsrate der Zellen mit der Produktbildungsrate. In vielen Fällen werden die Zellen zuerst unter optimalen Wachstumsbedingungen angezüchtet. Danach wird deren Stoffwechsel umgestellt, um das gewünschte Produkt im Sekundärmetabolismus in großen Mengen zu erzeugen. Zum Erfolg dieses Verfahrens muss der günstigste Zeitpunkt für die Umstellung exakt bestimmt werden. Die Stoffwechselumstellung kann mit Inducern oder Inhibitoren erfolgen, durch die Limitierung eines oder mehrerer Medienbestandteile, durch Änderung der Kulturbedingungen oder durch Bereitstellung eines anderen Subs-trats. Oft ist das Ziel zur Veränderung der Bedingungen auch die Unterdrückung unerwünschter Nebenprodukte, um im Downstreamprozess die Reinigung des Produkts zu erleichtern.
Offline gegen Online
Die Bestimmung des Zeitpunkts für den Start der eigentlichen Produktion ist häufig mit sehr umständlichen Offlineanalysen verbunden, da beispielsweise Konzentrationen von Mediumsbestandteilen oder Stoffwechselprodukten gemessen werden müssen, die nicht mit Onlinesonden bestimmt werden können. Offlineanalysen haben den Vorteil, dass genau der für den Verlauf der Fermentation entscheidende Faktor erfasst wird. Demgegenüber stehen eine Reihe gravierender Nachteile, von denen die Kontaminationsgefahr während der Probennahme nur ein Beispiel ist. Da die Offlineanalytik oft aufwendig ist, muss nicht nur viel Arbeitszeit investiert werden, die Resultate sind außerdem immer nur mit einer signifikanten Zeitverzögerung verfügbar. Durch diese Verzögerung und die Häufigkeit einer sinnvollen Probennahme besteht die Gefahr, dass wichtige Entwicklungen im Fermentationsverlauf nicht erfasst werden. Abhilfe gegen dieses Problem schaffen Onlineanalysen. Mit entsprechender Kalibrierung und/oder mathematischer Modellbildung können eine oder mehrere geeignete Analysenmethoden in Kombination sehr präzise Aussagen über den Verlauf verschiedenster relevanter Parameter einer Fermentation liefern.
Facetten der Abgasanalyse
Die Abgasanalyse ist eine kontinuierliche Methode, die bei entsprechender Anwendung und Ausrüstung den Prozess überwachen und steuern kann. Bei dieser Methode werden die Sauerstoff- und die Kohlendioxidkonzentration der Abluft eines Fermenters gemessen. Wenn der in den Fermenter eingetragene Sauerstoff beispielsweise über einen Gasflussregler quantifiziert wird, gibt die Abgasanalyse Aufschluss über die Sauerstoffaufnahmerate (OUR) der Zellen. Diese ist ein Indikator für das Zellwachstum. Gleichzeitig wird die Kohlendioxidproduktionsrate (CPR) bei Fermentationen von Mikroorganismen bestimmt. Bei Zellkulturen muss für die Ermittlung des CPR der Zustand des Bicarbonatpuffers und der CO2-Eintrag in den Fermenter zur pH-Regelung mitberücksichtigt werden.
Aus diesen beiden Daten (OUR und CPR) wird der Respirationsquotient (RQ) ermittelt. RQ ist das Verhältnis von entstandenem CO2 und verbrauchtem Sauerstoff. Konsumiert ein Organismus in einem ae-roben Prozess Glucose, werden bei der Atmung aus jedem Glukosemolekül mit 6 O2-Molekülen 6 CO2-Moleküle gebildet. In diesem Fall ist der RQ gleich 1 und bleibt konstant, solange der Organismus die Glucose verwertet. Jede Änderung des RQ weist auf eine signifikante Änderung im Fermentationsverlauf hin. Die Ursache dieser Veränderung kann verschiedene Gründe haben: Das Substrat ist limitiert oder wird nicht mehr verwertet, die Sauerstoffversorgung ist unzureichend und der Stoffwechsel hat auf Gärung umgestellt, oder das Substrat für die Produktion im Sekundärmetabolismus kann nun verwertet werden.
In Abhängigkeit von der Art der Fermentation und des hergestellten Produkts können nun Maßnahmen getroffen werden, die den weiteren Fermentationsverlauf beeinflussen. Das sekundäre Substrat zur Produktbildung wird in der oben beschriebenen Fermentation beigegeben. Bei einem Fed-batch Prozess wird Substrat zudosiert. Ist bei einem Prozess ein limitierter Cofaktor zur Substratverwertung notwendig, muss dieser nun beigegeben werden. Setzt die Gärung ein, müssen Zusatzmaßnahmen für eine ausreichende Sauerstoffversorgung getroffen werden, beispielsweise über Kaskadenfunktionen mit Drehzahl-, Druck- oder Gasflussreglern.
Die Abgasanalyse eignet sich nicht nur für die Überwachung der Biomasse, der Wachstumsrate, der Substratverwertung und damit der Produktbildungsrate, sondern auch zur Kontrolle der Funkti-onalität der pO2-Sonde, für Upscalingversuche und zur Dokumentation von Sterilitätstests.
Komponenten zur Gasanalyse
Verschiedene modulare Komponenten sind bei Bioengineering zur Gasanalyse erhältlich. Ihre Zusammenstellung zu einem Gasanalyzer erfolgt in Abhängigkeit von der Größe der Anlage, von der Art des Prozesses und den zu erfassenden Kulturparametern. CO2- und O2-Analytik werden entweder in einem Gerät kombiniert oder separat in zwei Analysegeräten durchgeführt. In beiden Fällen wird die CO2-Konzentration durch Infrarotmessung bestimmt. Dabei wird die vom Messgerät ausgesendete Infrarotstrahlung durch die charakteristischen Absorptionswellen des Gases abgeschwächt und detektiert.
Der Sauerstoffgehalt im Abgas wird in den Kombinationsgeräten chemoelektrisch nach Clark mit einer Silberanode und einer Platinkathode durch Anlegen von Spannung und Reduktion des eindiffundierenden Sauerstoffs gemessen. In den Geräten mit separater Messung wird der Sauerstoffgehalt durch paramagnetische Messung bestimmt. Diese nutzt die durch die Elektronenbewegung erzeugten magnetischen Momente der Sauerstoffmoleküle aus und misst deren Stärke in einem Magnetfeld.
In der 8-Kanal-Gasaufbereitungseinheit kann die Abluft von bis zu acht Fermentern gleichzeitig bestimmt werden. Für kleinere Anlagen wird die 4-Kanal-Gasaufbereitungseinheit verwendet. Am Gerät kann zwischen automatischem und manuellem Betrieb gewählt werden.
Die Messergebnisse werden in standardisierte elektrische Signale umgewandelt, die zur Weiterverarbeitung zur Verfügung stehen. Dieser Datentransfer beschränkt sich nicht auf die Datenerfassung zur Dokumentation des Prozessablaufs, sondern kann auch zum Berechnen von Faktoren verwendet werden, mit denen der gemessene Gasgehalt korreliert. Ist der Gasanalyzer in die Steuerungssoftware der Anlage integriert, ermöglicht dies ein direktes Eingreifen in den Prozess aufgrund der gewonnenen und weitergeleiteten Daten. Im Rahmen einer Schrittkettenprogrammierung kann mit allen verfügbaren Reglern auf Veränderungen der Messwerte des Gasanalyzers reagiert werden. Als aktionsauslösendes Kriterium wird dabei ein Über- oder Unterschreiten eines bestimmten Messwerts programmiert. Alternativ dazu berechnet die Steuerungssoftware von Bioengineering den Kurvenverlauf des Messwerts und löst eine Aktion aus, sobald der Beugepunkt der Kurve erreicht ist. Die Aktionen können je nach Prozess und Ereignis die Dosierung von Medienbestandteilen oder Korrekturmitteln, Unterstützung der Sauerstoffversorgung, die Steuerung von kontinuierlichen oder Fed-batch Prozessen oder die Ernte der Fermentationsbrühe sein.
Die beschriebenen Anwendungen zeigen deutlich, dass eine auf den ersten Blick relativ unspektakulär wirkende Onlinemessung wie die Abgasanalyse in Bioreaktoren durch Integration in das Mess- und Regelsystem der Anlage und durch sinnvolle Korrelation mit kritischen Prozesswerten ein leistungsfähiges Instrument zur Prozesssteuerung werden kann. Denn auch bei Bioprozessen gilt: Jeder Prozesswert, der in Echtzeit bestimmt und mit anderen Parametern verknüpft werden kann, hebt den Standardisierungsgrad des Verfahrens.
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