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Genau hingeschaut

Einbau elektropneumatischer Systeme mit Atex-Zulassung in den Schaltschrank
Genau hingeschaut

Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass Pneumatik und Elektronik in der Prozessautomation immer mehr zusammenwachsen. Diese Entwicklung setzt sich auch bei Geräten zur Verwendung in Ex-Bereichen durch. Ex-Remote-I/O-Systeme mit pneumatischen Ausgängen stellen jedoch für den klassischen Schaltschrankbau eine neue Herausforderung dar. Allein die Verwendung von Atex-zugelassenen Komponenten reicht in der Regel nicht aus, um ein zulässiges Gesamtsystem zu erhalten.

Werner Bennek

Stellt man Pneumatik und Elektronik in einem Schaltschrank zusammen, wird man gelegentlich noch auf den Abschnitt 12.2.2 der DIN EN 60204–1 verwiesen, in dem empfohlen bzw. beschrieben ist, dass Magnetventile von der übrigen elektrischen Ausrüstung getrennt werden sollten. Schaut man einige Jahr zurück, so sind die Gründe für diese Empfehlung verständlich. Früher wurde die Druckluft nur unzureichend oder überhaupt nicht getrocknet. Damit das Kondenswasser in dem Druckluftnetz, den Ventilen und in der Aktorik nicht zu viel Schaden anrichtete, wurde der Luft dann noch Öl hinzugefügt. Bei Leckagen am Ventilblock hatten solche Wasser-Öl-Gemische für die Elektronik fatale Folgen. Heute findet man im Allgemeinen Druckluftqualitäten mit einem Drucktaupunkt von weniger als -20 °C (Restfeuchte von ~0,88 g/m³) und einem Restölgehalt von weniger als 1 mg/m³. Speziell in Bereichen der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie und auch Pharmazie darf man von um nochmals ein bis zwei Zehnerpotenzen besseren Luftqualitäten ausgehen.
Elektrische I/O-Systeme mit der Option pneumatischer Ausgänge sind für den sicheren Bereich und auch für die Zone 2 seit Jahren auf dem Markt. Die elektropneumatischen Systeme bilden Knotenpunkte, die eine Vielzahl unterschiedlicher elektrischer Signale und pneumatische Ausgänge über eine Bus-Schnittstelle mit dem übergeordneten Automatisierungssystem verbinden. Für die Installation in explosionsgefährdeten Umgebungen der Zone 1 gibt es eine hybride Lösung, die auf der Simatic ET 200iSP und AirLine Ex Typ 8650 basiert und im Schaltschrankbau besondere Aufmerksamkeit erfordert.
In der Regel erfolgt die pneumatische Ansteuerung von Zylindern und Prozessventilen in explosionsgefährdeten Bereichen der Zone 1 über Ex-geschützte Ventile, die als Einzelventil direkt an den Aktor (Namurflanschbild) montiert sind oder über Ex-geschützte Ventilblöcke, die über Stammkabel auf das Remote-I/O verdrahtet sind. Die pneumatische Ansteuerung aus dem sicheren Bereich heraus ist in der Prozessautomation in den meisten Fällen nicht möglich. Zu große Distanzen zwischen den Ventilen und der Aktorik, und dadurch entsprechend große Schlauchlängen, lassen die Schaltzeiten der Aktoren für die Anwendung unzulässig werden. Die in explosionsgeschützte I/O-Systeme integrierte Pneumatik wird von Planern sowie Anwendern deshalb besonders begrüßt, weil sie sich prozessnah installieren lässt. Doch ist dies nicht der einzige Grund, der für eine solche Kombination spricht. Weitere Vorteile dieser Lösung sind:
  • verringerter Verdrahtungsaufwand
  • kompaktere Bauform
  • vereinfachte Dokumentation
  • Nachweis der Eigensicherheit für die Ventile ist gegeben
  • geringere Stromaufnahme und dadurch geringere Abwärme
  • Kostenersparnis
Elektrische Geräte, die in der Zone 1 installiert werden sollen und deren Stromkreise nicht eigensicher sind, müssen mindestens der Schutzart IP 54 entsprechen. Das gilt auch für ET 200iSP und AirLine Ex. Für den Einbau in einen Schaltschrank sind nachfolgend einige der wichtigsten Punkte genannt, die immer berücksichtigt werden müssen.
Einhaltung der Schutzart
IP 54 heißt „Staubgeschützt“ und „Schutz gegen Spritzwasser“. Nach DIN EN 60079–0 Abschn. 26.4.5.1 ist ein Schaltschrank definiert als ein Kategorie-1-Gerät. Diese Angabe der Kategorie bezieht sich jedoch auf die EN 60529 Abschn. 13.4 und nicht auf die Atex-Richtline. Daraus folgt für die Staubprüfung IP 5x, dass der Innenraum des Prüflings für die Dauer der Prüfung mit einem definierten Unterdruck betrieben wird, wie man es normalerweise nur für IP 6x erwartet hätte.
Bei ausschließlicher Verwendung von Ex-e-bescheinigten Komponenten für Montagen durch die Gehäusewand ist eine explizite Prüfung nicht erforderlich, wenn sie bereits als IP 54-Komponente oder besser bescheinigt sind. Kommen nichtbescheinigte Teile ins Spiel, wie es beim vorgenannten elektropneumatischen System mit den fluidischen Verschraubungen der Fall war, so ist für diese die mechanische Schlagprüfung mit 7 J und danach die IP-Prüfung (IP 54) obligatorisch.
Nach der EN 60079–11 Abschn. 12.2 ist es zwingend erforderlich, dass eigensichere Anschlussteile wie Klemmen oder Stecker eine eindeutige Kennzeichnung erhalten, um sie von nicht-eigensicheren Stromkreisen zu unterscheiden. Hierfür wird üblicherweise die Farbe hellblau verwendet. Werden Ex-bescheinigte Klemmen verwendet, so sind diese immer so konstruiert, dass sie die Mindestabstände einhalten, wie sie für zwei eigensichere oder auch zwei nicht-eigensichere Stromkreise gefordert sind. Beim Aufbau von Klemmleisten, auf denen eigensichere und nicht-eigensichere Stromkreise parallel geführt werden, muss der Monteur bei der Montage selbst darauf achten und sicherstellen, dass blanke Spannung führende Teile der unterschiedlichen Stromkreise im Abstand von 50 mm aufgebaut werden.
Temperatur im Blick
Die Einbauten eines Schaltschrankes sind jede für sich für eine Temperaturklasse bei einer entsprechenden Umgebungstemperatur zugelassen. Werden sie bei höheren Umgebungstemperaturen betrieben, so kann es durchaus sein, dass sie über Jahre ohne Beeinträchtigung ihrer Funktionen arbeiten, jedoch in Bezug auf den Explosionsschutz ein Sicherheitsrisiko darstellen. Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Eine elektrische Komponente mit einer Verlustleistung von 5 W kann beispielsweise bei einer Umgebungstemperatur von bis zu 50 °C die Temperaturklasse T4 einhalten. D. h., die Oberfläche des Geräts, mit der die zündfähige Atmosphäre in Berührung kommen kann, wird nicht heißer als 135 °C. Erhöht sich für diese Komponente bei sonst gleichen Betriebsbedingungen die Umgebungstemperatur auf 60 °C, so wird auch die Oberflächentemperatur dieser Komponente um 10 K auf 145 °C ansteigen, um die entstehende Verlustleistung über Konvektion oder Strahlung an die Umgebung abzugeben. Für den Schaltschrankbau bedeutet dies, dass bereits bei der Projektierung die im Schaltschrank entstehende Verlustleistung mit der Oberflächengröße des Gehäuses, der maximalen Umgebungstemperatur der schwächsten eingebauten Komponente und der am Ort der Installation maximalen vorherrschenden Umgebungstemperaturen abgestimmt sein sollte. Nach Aufbau des Schranks muss eine Temperaturmessung in der Nähe der schwächsten eingebauten Komponenten erfolgen.
Auch wenn in Ex-Systemen nur bereits zugelassene und geprüfte Komponenten zum Einsatz kommen sollten, so muss doch das Gesamtsystem sorgfältig nach möglichen neu gebildeten Gefahrenquellen untersucht werden. Wie verhält es sich beispielsweise mit dem IP-Schutz des Gehäuses, wenn im Inneren ein Schlauch abreißt? Oder dürfen die Ventile tatsächlich noch mit Vakuum betrieben werden, obwohl der Anwender seinen Schlauch vom Ventil doch bis in die Zone 0 geführt hat? Zertifizierte Teilsysteme gewinnen daher im Anlagen- und Maschinenbau immer mehr an Bedeutung, da sie den Planern und Endanwendern den nötigen Freiraum verschaffen, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren.
cav 452

cav: Bürkert hat das elektropneumatische System AirLine Ex Typ 8650 bereits vor mehreren Jahren auf den Markt gebracht. Wie sind die Erfahrungen der Anwender?
Bennek: 2006, zum Zeitpunkt der Markteinführung, gab es noch ein Defizit im Bereich Software. Zur Inbetriebnahme standen damals nur EDD und GSD zur Verfügung. Damit konnte man die vielfältigen Funktionen der ET200iSP innerhalb STEP7 und PCS7 nur eingeschränkt nutzen. Dieser Mangel war jedoch schnell erkannt, und in Zusammenarbeit mit Siemens wurden den Anwendern kurzfristig Updates bereitgestellt. Ende 2008 kann man die Erfahrungen der Anwender in drei Worten zusammenfassen: Sie sind gut. Positive Rückmeldungen erhielten wir zum Thema Projektierung und Inbetriebnahme, da gerade hier das durchgängige System große Vorteile bietet. Dort, wo komplette Schaltschränke geliefert wurden, liegen die Pluspunkte beim Thema Zulassung und Dokumentation: ein Zertifikat statt stundenlanger Eigensicherheitsnachweise.
cav: Welche Lösung bietet Bürkert, um Elektrik und Pneumatik in explosionsgefährdeten Bereichen sicher im Schaltschrank zu integrieren?
Bennek: Hier muss man zwischen den unterschiedlichen explosionsgefährdeten Bereichen differenzieren. Für den Einsatz in der Zone 2/22 bieten wir seit Jahren auch integrierte Lösungen, bestehend aus unserem AirLine System Typ 8644 und den I/O-Systemen von Siemens (ET 200S) und auch Wago (Typ 750). Alternativ dazu wurden auch schon I/O-Systeme anderer Hersteller zusammen mit den unterschiedlichsten Ventiltypen als Einzelventil oder Ventilblock kombiniert. Die Sicherheit solcher Aufbauten wird nur über die Temperaturmessung innerhalb des Schaltschranks und die entsprechenden Nachweise der maximalen Umgebungstemperaturen der Einbauten dokumentiert. Der Anwender erhält schließlich nur eine Herstellererklärung mit den entsprechenden Ex-relevanten Angaben wie Temperaturklasse, Umgebungstemperaturbereich, Zündschutzart usw. Seit Beginn 2008 haben wir für unseren Schaltschrankbau die entsprechenden Zertifikate, um auch Systeme für die Zone 1 anbieten zu können. Alle oben genannte Schaltschranklösungen sind für die Temperaturklassen T1 bis T4 einsetzbar.
cav: Sind für das Jahr 2009 Weiterentwicklungen der elektropneumatischen Automatisierungslösungen zu erwarten?
Bennek: Zur Zeit arbeiten wir daran, unser Angebot auch auf Anwendungen für die Zone 21 auszuweiten. Weitere Schritte sind auf diesem Gebiet im Moment nicht geplant.
cav: Welche Produkte wird Bürkert auf der Achema 2009 in den Fokus stellen?
Bennek: Im Gegensatz zur HMI werden wir auf der Achema natürlich versuchen, den Erwartungen der Besucher mit neuen Lösungen für die Prozessindustrie gerecht zu werden. Wir können dieses Mal erheblich mehr Produkte und Lösungen für die pharmazeutische Prozessindustrie anbieten, als es uns noch vor drei Jahren möglich war.

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