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Sicher durch’s Gewitter

Leistungsfähige Konzepte für den Überspannungsschutz
Sicher durch’s Gewitter

In der Chemie- und Prozessindustrie muss die Anlagensicherheit hohen Ansprüchen genügen. Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit spielen beim kontinuierlichen Produktionsprozess eine wichtige Rolle. Um Schäden an Personen, Umwelt und Anlagen abzuwenden, ist ein Blitz- und Überspannungsschutzkonzept nach aktueller Normenlage erforderlich – für Anlagenbereiche mit und ohne Explo- sionsgefährdung.

Bernd Fritzemeier

In der Atex-Richtlinie sowie in den einschlägigen nationalen und internationalen Normen existieren zahlreiche Hinweise, die in der Praxis koordiniert werden müssen. Bei Neuanlagen geschieht dies bereits in der Planungsphase. In der Atex-Richtlinie stößt man auf die Beurteilung der Explosionsrisiken und der möglichen Zündquellen – Blitzschlag, Potenzialdifferenzen und statische Aufladungen werden genannt. Diese Schlüsselwörter stehen auch in den Regeln für die Betriebssicherheit (TRBS 2152-3 [1]) sowie in Betriebssicherheitsverordnungen. Generell reicht es aus, die für fast alle baulichen Anlagen an- zuwendende Blitzschutznorm (DIN EN 62305 [2]) zu betrachten. Im Teil 2 wird das sogenannte Risikomanagement der baulichen Anlage beschrieben, in dem die Auswirkungen bei Blitzeinschlägen betrachtet werden. Sie bezieht sich auf alle baulichen Anlagen – auch auf Anlagen mit Explosionsrisiko nach DIN EN 60079-0 (Elektrische Betriebsmittel für gasexplosionsgefährdete Bereiche [3]) sowie DIN EN 61241-10 (Elektrische Betriebsmittel zur Verwendung in Bereichen mit brennbarem Staub [4]).
Die Risikobetrachtung wird durchgeführt, um die Notwendigkeit des Blitzschutzsystems zu ermitteln und um eine technisch und wirtschaftlich angemessene Schutzmaßnahme festzulegen. Ein Blitzschutzsystem besteht aus dem äußeren Blitzschutz mit den Blitzfangstangen, den Ableitungen und der Erdungsanlage sowie dem inneren Blitz- und Überspannungsschutz. Im Teil 2 der Blitzschutznorm [2] werden zahlreiche Faktoren behandelt, um Schäden und deren Verhinderung zu kalkulieren und um das Risiko zu minimieren. Da für explosionsgefährdete bauliche Anlagen ein erhöhtes Risiko mit oftmals weitreichenden Folgen – sowohl für Personen als auch für die Umwelt – besteht, ist ein Blitz- und Überspannungsschutzkonzept unverzichtbar.
Blitzschutzpotenzialausgleich
Teil 3 der Norm [2] enthält im Anhang wichtige Informationen zur Durchführung, sowohl Informationen zur Erdungsanlage wie auch zum Potenzialausgleich. Innerhalb des Normenteils wird unter 6.2 der Blitzschutzpotenzialausgleich behandelt. Erreicht wird er durch Verbinden von folgenden Bestandteilen mittels Potenzialausgleichsleitungen, natürlichen Verbindungen und Überspannungsschutzgeräten (SPD, surge protective device):
  • dem Metallgerüst der baulichen Anlage
  • den Installationen aus Metall
  • den äußeren leitenden Teilen und Leitungen, die mit der baulichen Anlage verbunden sind
  • den elektrischen und elektronischen Systemen innerhalb der zu schützenden baulichen Anlage
Weitere detaillierte Hinweise existieren speziell zu Biogasanlagen [2, Teil 3 Bb 2], zu denen auch Informationen und Richtlinien aus verschiedenen Landesämtern vorliegen.
Nach DIN EN 60079-14 [5] ist zu prüfen, welche Maßnahmen gegen Blitz und Überspannungen zu treffen sind, wenn Anlagenbereiche in die Ex-Zone 0 hineinreichen – wie bei Tanklagern, Kläranlagen und Destillationskolonnen. Aber auch diese Norm bezieht sich unter dem Punkt 6.5 (Blitzschutz) auf die Blitzschutznorm [2], und damit ist der Kreis wieder geschlossen. Die DIN EN 60079-25 (Eigensichere Systeme [6]) bezieht sich etwas detaillierter auf eigensichere Signalstromkreise, wie sie in der Praxis häufig vorkommen. Darin sind auch Mindestwerte für Überspannungsschutzgeräte definiert. Im Anhang der Norm wird wieder auf die Risikoanalyse der Blitzschutznorm [2, Teil 2] hingewiesen und es wird ein mögliches Schutzkonzept vorgestellt.
Schutzzonenkonzept
Ziel des Blitz- und Überspannungsschutzes ist es, Anlagensicherheit und Ver- fügbarkeit zu erhöhen. Auch in der IEC/EN 61511-1 (Funktionale Sicherheit [7]) werden sicherheitstechnische Systeme für die Prozessindustrie im Hinblick auf die EMV sowie auf die Gefährdung durch Blitzeinschlag betrachtet. Grundlage des Blitzschutzsystems ist das Blitzschutzzonenkonzept [2] (Bild 2). Die bauliche Anlage wird in Blitzschutzzonen (LPZ, lightning protection zone) von 0A bis 2 oder 3 eingeteilt.
Ziel ist die Reduzierung der Störeinflüsse von LPZ 0A auf 2 oder 3 bei nahen oder direkten Blitzeinschlägen auf ein für die Anwendung verträgliches Maß. Die äußeren Fangeinrichtungen oder die Konstruktionsteile um die Feldgeräte herum sollen physikalische Schäden verhindern. Der Überspannungsschutz soll Schäden an oder Einflüsse auf elektrische oder elektronische Einrichtungen verhindern.
In der Prozessindustrie gibt es großflächige Freiluftanlagen mit langen Kabelstrecken für Signaltechnik und Stromversorgung. Bei Gewitter und Blitzeinschlägen in oder nahe der Anlage muss der Betreiber mit erheblichen Potenzialdifferenzen rechnen. Überspannungen treten auch durch Schalthandlungen induktiver Lasten wie Motoren auf. In elektrischen Anlagen kommt es gelegentlich aufgrund von Kurz- oder Erdschlüssen zum abrupten Abschalten ganzer Anlagenteile. Auch die Folgen durch die Betätigung von Not-Ausschaltern und Abschalten von Betriebsmitteln unter Last muss der Anlagenbetreiber berücksichtigen. Diese Schalthandlungen können kurzzeitige Überspannungen von mehreren Tausend Volt hervorrufen. Auch wenn die Anlagen nicht sofort ausfallen, können elektronische Geräte beschädigt werden, dann später ausfallen. Ein Zusammenhang mit einem Gewitter – etwa in der letzten Woche – ist dann schwer nachzuweisen.
Schutzgeräte vorbeugend prüfen
Überspannungsschutzgeräte erhöhen die Anlagenverfügbarkeit deutlich und das Schutzzonenkonzept erleichtert die Entscheidungen. An den Schutzzonenübergängen sind entsprechende Maßnahmen des Überspannungsschutzes und des Potenzialausgleichs zu berücksichtigen. Die Überspannungsschutzgeräte für die Signaltechnik – Bussysteme, Stromschleifen, digitale E/As – sind mehrstufig aufgebaut und dadurch normativ zum Übergang über mehrere Schutzzonen geeignet. Sie bieten ein hohes Ableitvermögen und einen niedrigen Schutzpegel.
In der Praxis muss zum einen die Schnittstelle beim Feldgerät und zum anderen die Schnittstelle für die Leittechnik berücksichtigt werden. Die Überspannungsschutzgeräte für die Signaltechnik haben ein so genanntes Fail-safe-short-Verhalten. Sie gehen bei Überbeanspruchung auf Kurzschluss und schützen somit auch das jeweilige Interface. Bei einigen Ableitern für den Schaltschrankeinbau können die Schutzgeräte mittels Prüfgerät vorbeugend gewartet und geprüft werden.
Die Beanspruchung wird ermittelt und die Geräte können rechtzeitig ausgetauscht werden. Geprüft werden kann jederzeit, da beim Herausziehen der Schutzstecker aus dem Basiselement keine Unterbrechung oder Veränderung im Signalstromkreis erfolgt. Phoenix Contact bietet auch Überspannungsschutzgeräte für die Signaltechnik mit integriertem Fernmeldekontakt an. Die Ableiter besitzen eine rote und eine grüne Status-LED. So lässt sich ein defekter Ableiter unter vielen schnell finden und austauschen.
Schrifttum
  • 1. Regeln für die Betriebssicherheit TRBS 2152-3
  • 2. DINVDE 0185-305 – Teil 1 bis 4 / IEC 62305 Blitzschutz
  • 3. DINEN 60079-0 – Elektrische Betriebsmittel für gasexplosionsgefährdete Bereiche
  • 4. DINEN 61241-10 – Elektrische Betriebsmittel zur Verwendung in Bereichen mit brennbarem Staub
  • 5. DINEN 60079-14 – Explosionsfähige Atmosphäre, Projektierung, Auswahl und Einrichtung elektrischer Anlagen
  • 6. DINEN 60079-25 – Elektrische Betriebsmittel für gasexplosionsgefährdete Bereiche, Eigensichere Systeme
  • 7. IEC/EN 61511-1 – Funktionale Sicherheit, Sicherheitstechnische Systeme für die Prozessindustrie
Online-Info www.cav.de/1210417
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