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Rouging im Pharmawasser-Anlagenbau
Viel diskutiert

Pharmawasser und Reinstdampfanlagen sind kritische Systeme und erfordern von der Planung über die Realisierung bis zum Betrieb und der Wartung besondere Aufmerksamkeit. Bei Heißsystemen, im Speziellen bei WFI- und Reinstdampfanlagen, muss man sich mit dem Thema Rouging anhaltend befassen. Dies liegt in starkem Maße an den hohen Betriebstemperaturen.

Dipl.-Ing. Achim Kudernatsch

Das Thema Rouging wurde in mehreren Seminaren und Workshops vor allem in den Jahren 2006 und 2007 intensiv behandelt. Einen umfassenden Überblick hat die Fachdiskussion der ISPE mit dem Thema Pharmawasser und -dampf im September 2006 ergeben. Die Diskussionsinhalte und -ergebnisse dieses Workshops wurden als ISPE Newsletter Rouging im April 2007 zusammengefasst. Aus den Seminaren und Workshops lassen sich folgende Ergebnisse festhalten:
  • Mit der Oberflächenverfärbung von Chrom-Nickel-Stählen werden wir bei Reinstwasseranlagen vor allem im höheren Temperaturbereich in der nächsten Zeit weiterhin leben müssen.
  • Durch Planung, Designmaßnahmen und Werkstoffspezifikationen kann Rouging allenfalls verzögert, eventuell minimiert, aber nicht eliminiert werden.
  • Anlagenbauer, Betreiber, Qualitätssicherer und die Behörden sollten dieses Thema mit Augenmaß und ohne übertriebene Aufgeregtheit betrachten.
Bisher konnte ein Einfluss auf die Qualität des erzeugten Reinstmediums praktisch nicht nachgewiesen werden. Es wurden bisher keine Untersuchungen bekannt, die über Überschreitungen der Schwermetallgrenzwerte der Arzneibuchvorgaben berichten.
Vorausschauen und vorbeugen
Vor allem durch eine publizierte wissenschaftliche Untersuchung sind grundlegende Ursachen für Oberflächenverfärbungen auf Chrom-Nickel-Stählen von hellrot über dunkelrot bis schwarz aufgedeckt worden. Aus dieser Veröffentlichung und vielen weiteren Beiträgen gelten folgende Einflüsse auf die Bildung von Rouging als gesichert:
  • Mit Temperaturerhöhung wird der Rougingeffekt verstärkt.
  • Die Absenkung des pH-Wertes fördert im Zusammenhang mit erhöhter Temperatur den Abbau der Passivschicht.
  • Speisewasser für Mehrstufendestillationsanlagen und Reinstdampferzeuger sollte einen möglichst geringen CO2-Anteil enthalten. Wird PW in Arzneibuchqualität eingespeist und ist die Aufbereitung mit einer EDI-Stufe versehen, ist der CO2-Gehalt sehr gering, so dass eine zusätzliche thermische Entgasung zur Stabilisierung der Passivschicht nicht notwendig ist.
  • Nur in Gegenwart von ausreichend Sauerstoff wird eine Passivschicht ausgebildet bzw. findet eine Repassivierung statt. Die Passivschicht von Chrom-Nickel-Stählen unterliegt einer ständigen Beeinflussung durch die Eigenschaften des beaufschlagten Mediums. Durch ein saures Milieu (CO2-Einfluss) wird ein Redoxpotenzial geschaffen, das die Passivschicht wieder abbaut.
  • Durch die bisher teilweise praktizierte Überlagerung eines Systems mit Stickstoff wird der Sauerstoffgehalt verringert, das Redoxpotenzial abgesenkt und die Passivschicht negativ beeinflusst.
Die überwiegend in Pharmawasser-Aufbereitungssystemen eingesetzten Edelstahlwerkstoffe 1.4404, 1.4435 (AISI 316 L) zeigen Rougingverhalten. Auch teurere, noch höher legierte Werkstoffe wie 1.4539 sind zwar etwas beständiger gegen Rouging, aber nicht frei davon und zudem extrem teuer und wenig verfügbar. Genauso ist die Begrenzung des Delta-Ferrit-Gehaltes z. B. von 1.4435 BN 2 (Baseler Norm) auf 0,5 % bisher den Nachweis der Rougingfreiheit oder der längerfristigen Verzögerung schuldig geblieben. Auch die praktikablen Werte eines Delta-Ferrit-Gehaltes von 3 bis 5 % verteuern die Anlagen und können nicht vor Rouging schützen.
Produktberührte Oberflächen werden üblicherweise in einer Oberflächenqualität zwischen Ra 0,4 und 0,8 µm spezifiziert, was durch Schleifen und Polieren erzielbar ist. Es gibt bisher keine eindeutigen Hinweise, dass eine geringere Rautiefe auch eine Verbesserung im Rougingverhalten ergibt. Elektropolierte Oberflächen können ebenfalls Rouging nicht verhindern, sondern allenfalls verzögern. Wenn Schweißnähte fachgerecht verarbeitet sind, also keine Chromverarmung eingetreten ist, müssen diese, obwohl eine höhere Rauigkeit vorhanden ist, kein Rougingpotenzial darstellen.
Von den Behörden wird im Rahmen der Projektplanung auch zum Thema Rouging eine Risikoanalyse erwartet. Erstes Ziel der Risikoanalyse ist, die Einflussfaktoren auf das Produkt zu untersuchen und zu bewerten. Ergebnisse der Risikoanalyse sollten dann sein:
  • Klare Spezifikation von Werkstoff und Oberfläche (obwohl die Einflüsse auf das Rouging als wenig reproduzierbar bekannt sind).
  • Verfahrensparameter sollten so definiert sein, dass mit möglichst geringen Prozesstemperaturen gearbeitet wird.
  • Im Design kann an unnötigen Oberflächen bei Schikanen und Zyklonen zur Tröpfchenabscheidung gespart werden, ohne dass der Wirkungsgrad nachlässt. Demister gehören inzwischen der Vergangenheit an.
  • Der CO2-Gehalt sollte limitiert und überwacht werden.
  • Stickstoffüberlagerung ist zu vermeiden.
  • In der Wartung ist ein Kontroll- und Maßnahmenplan zur Aufdeckung und Behandlung von Rouging-Ereignissen festzuschreiben.
Unterschiedlich anfällig
Rouging-kritische Verfahren sind vor allem Mehrstufendestillationssysteme und Reinstdampfanlagen. Diese werden, um ökonomisch sinnvoll arbeiten zu können, bei möglichst hohen Temperaturen im Bereich von 165 bis 175 °C gefahren. Die Temperaturen beispielsweise auf 140 bis 150 °C zu reduzieren, um das Rouging zu minimieren, ist wirtschaftlich kontraproduktiv, zumal der Nachweis einer signifikanten Verringerung des Rougingverhaltens nicht bewiesen ist. Auch sind belegbare Unterschiede zwischen Fall-Film- und Naturumlaufverfahren nicht zu erkennen. Die Reinstdampferzeuger – in den überwiegenden Fällen handelt es sich hier um Naturumlaufverfahren – sind bekanntermaßen besonders anfällig. Ein weniger kritisches Rougingverhalten zeigen Thermokompressionsanlagen zur WFI-Erzeugung. Die Thermokompression vereinigt die relativ niedrigen Temperaturen zwischen 100 und 140 °C mit wirtschaftlicher Betriebsweise. Jahrzehntelanger praktische Erfahrung belegen die geringe Rouginganfälligkeit. Die Thermokompressionsanlagen erreichen durch das Verdichterprinzip schon auf niedrigem Temperaturniveau höchste Energieeffizienz. Sie können WFI wahlweise mit 30 oder 80 °C produzieren und sind vor allem bei Kaltentnahme von WFI wirtschaftlich besonders vorteilhaft.
Wollte man Mehrstufendruckkolonnenanlagen z. B. bis maximal 140 °C mit vergleichbarer Energiebilanz betreiben, müsste man diese mit deutlich größeren Wärmetauscherflächen ausstatten. Das verteuert die Anlagen erheblich und der Platzbedarf vergrößert sich ebenfalls,
De-Rougingmaßnahmen sollten bereits in der Risikoanalyse betrachtet werden und die Anlagen auf die Möglichkeiten der Reinigung mit Chemikalien hin bewertet und spezifiziert werden. Meistens lassen sich Destillationsanlagen und Reinstdampferzeuger mit Chemikalien durch einfache Anflanschmaßnahmen gut durchspülen. De-Rougingmaßnahmen sollte man spezialisierten Firmen übertragen, die auch die Zulassung für ein entsprechendes Chemikalienhandling vorweisen können. Inzwischen ist ein neues Reinigungsmittel auf neutraler Basis auf dem Markt, das eine wirtschaftliche Reinigung von Edelstahlanlagen bei geringem Gefährdungspotenzial für die Mitarbeiter und die Umwelt vorweisen kann. Darüber hinaus entfallen die Kosten für die Neutralisation.
Halle 4.1, Stand O11
Online-Info www.cav.de/0509 575
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