Unter dem Begriff „Rotating Equipment“ werden in der Prozesstechnik die Betriebsmittel zusammengefasst, die sich – meist von einem Elektromotor angetrieben – drehen. Dazu gehören Pumpen, Kompressoren, Rührer und Lüfter ebenso wie Extruder. Fällt ein solches Betriebsmittel aus, entstehen häufig lange Stillstandzeiten, weil entweder der Motor oder das angetriebene Element ausgetauscht werden muss. Bei beiden handelt es sich oftmals um größere mechanische Einheiten. Betrifft die Störung einen großen Motor oder eine komplexe Maschine, ist eine noch längere Standzeit einzukalkulieren, denn kaum ein Anwender legt sich einen kostspieligen 500-kW-Motor auf das Lager. Im Fall von speziell angefertigten Maschinen kann es zudem durchaus vorkommen, dass der Hersteller kein entsprechendes Ersatzteil vorrätig hat. In derartigen Szenarien sieht sich der Anwender mit einem hohen finanziellen Verlust konfrontiert.
In Elektromotoren gibt es nur wenige Bauteile, bei denen ein Defekt auftreten könnte. Dazu zählen zum einen die Wicklungen, deren Isolierung Schaden nehmen kann. Grund dafür ist entweder eine mindere Qualität der Isolierung oder eine länger andauernde Überhitzung. Beides lässt sich in der Planungsphase eliminieren. Die Lager unterliegen jedoch einem stetigen Verschleiß, der lediglich durch eine kontinuierliche Prüfung erkannt und durch einen rechtzeitigen Austausch behoben werden kann. Doch wann genau ist der richtige Zeitpunkt dafür? Wird das Lager zu früh ausgewechselt, verschenkt der Anwender wertvolle Produktionszeit. Erfolgt der Austausch zu spät, riskiert er den Ausfall des Motors, da das Lager möglicherweise gebrochen ist und dadurch weitere Elemente des Motors beschädigt werden können.
Motor als Sensor
Um das geschilderte Problem frühzeitig zu erkennen, ist ein zuverlässiger Indikator notwendig, der den aktuellen Verschleiß anzeigt, sodass sich die Wartung zum optimalen Zeitpunkt durchführen lässt.
Perfekt wäre es, wenn der Indikator die fällige Überholung im Voraus signalisiert, damit der Anwender sie längerfristig einplanen kann. In dem Fall ist die im Rahmen von Industrie 4.0 allseits propagierte „Predictive Maintenance“ in die Praxis umgesetzt.
Aber was könnte ein geeigneter Indikator sein? Auf der einen Seite gibt es die Sensorik, die auf Basis der Überwachung der Vibrationen einen klaren Rückschluss auf den Zustand des Lagers ermöglicht. Die DIN ISO 10816 legt in ihren einzelnen Teilen konkrete Grenzwerte der Vibrationen beispielsweise für Kreiselpumpen fest, die sich mit einem am Motor angebrachten Vibrationssensor präzise und zuverlässig ermitteln lassen.
Eine andere Methode, die sich etwa zur Überwachung eines Rührers empfiehlt, stellt die aufgenommene Leistung des Motors dar. Das gilt insbesondere, sofern nicht nur der Strom betrachtet wird, sondern auch die Wirkleistung und der Cosinus Phi. Fungiert der Motor als Sensor, muss kein zusätzliches Gerät erworben und installiert werden. Die erfassten Daten sind genau und lassen sich – abhängig von der Messung – über den gesamten Lastbereich linear aufnehmen und entsprechend auswerten.
Änderung der Wirkleistung
Bei Cosinus Phi handelt es sich um den in der Elektrotechnik gebräuchlichsten Faktor über das Verhältnis des Betrags der Wirkleistung zur Scheinleistung, der allgemein als Wirkleistungsfaktor zur Anwendung kommt. Ein Motor oder Antrieb, der im unteren Lastbereich genutzt wird, lässt sich mit einem Cosinus-Phi-Wächter optimal auf Über- oder Unterlast überwachen, weil sich dieser Parameter in einem solchen Lastbereich erheblich ändert. Zur Kontrolle des oberen Lastbereichs erweist sich die Beobachtung des Motorstroms als sinnvoll, da der Motor oder Antrieb mit einem optimalen Cosinus Phi betrieben wird und sich in diesem Bereich wenig verändert. Denn er sollte idealerweise für den oberen Lastbereich ausgelegt sein.
80 % aller Motoren oder Antriebe arbeiten allerdings im mittleren Bereich, in dem kaum eine Strom- oder Cosinus-Phi-Änderung auftritt. Hier lässt sich eine Über- oder Unterlast lediglich über die Änderung der erfassten Wirkleistung zuverlässig erkennen. Im Gegensatz zu einer Strom- oder Cosinus-Phi-Messung umfasst die Wirkleistung sämtliche relevanten elektrischen Größen. In diesem Umfeld erlaubt der Motormanager von Phoenix Contact die Überwachung und Diagnose von Motoren auf Über- und Unterlast, Funktion, Verschmutzung und Verschleiß. Das Gerät detektiert also alle kritischen Lastzustände und schützt Pumpen, Stellantriebe, Lüfter oder Kompressoren auf diese Weise dauerhaft.
Anbindung an Bussysteme
Realisiert wird die Überwachung durch frei parametrierbare Meldeschwellen, die der Motormanager per Signal ausgeben kann. Die Schwellen für beide Drehrichtungen lassen sich dabei identisch oder separat einstellen. Zur Parametrierung wird die aufgenommene Wirkleistung herangezogen, die sich aus drei Strömen, Spannungen und dem Phasenwinkel berechnet. Unabhängig von Spannungsschwankungen und der Belastung der Antriebsmaschine bietet die Wirkleistung damit eine wesentlich präzisere Grundlage als die reine Strombetrachtung oder Cosinus-Phi-Messung. Die Parametrierung der Motormanager erfolgt über die Software IFS-CONF von Phoenix Contact.
Das Portfolio der Motormanager-Produktfamilie beinhaltet unter anderem verschiedene Mess- und Kommunikationsmodule. Das Messmodul kann Werte bis zu einer Stromstärke von 5 A direkt erfassen. Verwendet der Anwender ein Messmodul in Kombination mit einem Stromwandler, lässt sich der Messbereich beliebig anpassen. Speziell klappbare Stromwandler vereinfachen den Einsatz, weil nicht in die vorhandene Installation eingegriffen werden muss. Physikalisch bedingt machen derartige Klappwandler aufgrund des höheren magnetischen Widerstands – auch Reluktanz genannt – nur bei größeren Motoren mit entsprechend höheren Strömen Sinn. Zur Anbindung an Feldbussysteme stehen Kommunikationsmodule für sämtliche gängigen Standards wie Profinet, Profibus oder Modbus TCP zur Verfügung. Die Konfiguration geschieht ebenfalls über die Systemsoftware IFS-CONF, die einen praktischen Simulationsmodus zum Testen des Systems umfasst.
Auswertung
Für die einfachste Form der Überwachung lassen sich im Motormanager Schaltschwellen einstellen, die bei Über- oder Unterschreitung eines Wertes ein Signal über das Feldbussystem oder die Hardwareausgänge des Moduls ausgeben. Anwender, die die Überwachung etwas umfangreicher gestalten möchten, leiten die gesamten Messdaten über den Feldbus weiter und werten sie in einem Programmteil des Leitsystems aus. Die Analyse kann auch in einer separaten Steuerung stattfinden, die in das Feldbussystem eingebunden ist. Gemäß den neuen Entwicklungen in der Prozessindustrie lassen sich die Daten zudem gemäß NOA-Konzept (Namur Open Architecture) über einen Seitenkanal der Automatisierungspyramide in eine Cloud übertragen. Dort stehen sie dann für die Nutzer bereit, die sie analysieren möchten und eine Berechtigung dazu haben.
Als smart erweist sich der Motormanager, da er nachträglich installiert werden kann, wobei nicht oder lediglich minimal in das bestehende System eingegriffen werden muss. Das Gerät stellt somit die ideale Lösung für die Nachrüstung einer vorausschauenden Wartung im Rotating Equipment von Brownfield-Anlagen dar.
Suchwort: cav0919phoenix
Autor: Thilo Glas
Senior Specialist Engineering im Industry Management Process,
Phoenix Contact Electronics
Hier finden Sie mehr über: