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Scale-up von Wasserstoffanlagen

Grünen Wasserstoff im Großmaßstab erzeugen
Digital Twin für den Scale-up

Im Zuge der Dekarbonisierung der Industrie spielt Wasserstoff eine große Rolle. Große Mengen an sogenanntem grünem Wasserstoff durch Elektrolyse zu gewinnen ist das Ziel. Auch Emerson befasst sich mit dem Thema Nachhaltigkeit. Wir sprachen mit Arthur Gosling, Director Strategic Sales & Sustainability bei Emerson, über Lösungen für eine wirtschaftlichen Wasserstofferzeugung im Großmaßstab.

Herr Gosling, welche Rolle wird Wasserstoff aus Ihrer Sicht als Energiequelle in naher Zukunft spielen?

Arthur Gosling: Wasserstoff ist ein Dekarbonisierungsvektor mit großem Potenzial, der schon heute einen Weg, Emissionen zu reduzieren oder zu vermieden, bietet. Der Hauptunterschied zwischen Wasserstoff und Elektrizität besteht darin, dass Wasserstoff ein chemischer Energieträger ist, ein Molekül, das gespeichert und transportiert werden kann, im Gegensatz zu Elektrizität, die verbraucht oder umgewandelt werden muss. Dieser Unterschied ist einer der Gründe, warum Wasserstoff in bestimmten Anwendungsfällen die Elektrizität ergänzt und nicht mit ihr konkurriert. Im Dekarbonisierungswerkzeugkasten ist er jedoch nur einer von mehreren Werkzeugen und er sollte primär für die emissionsintensivsten Marktteile genutzt werden. Um klimaneutral zu sein, müssen wir sicherstellen, dass erneuerbare Energien zur Herstellung erneuerbaren Wasserstoffs verwendet werden. Erneuerbare Energien sollten jedoch in erster Linie als Strom genutzt werden. Dort, wo erneuerbarer Strom aufgrund fehlender Infrastrukturkapazität sein Ziel nicht erreichen kann, oder bei temporärer Überproduktion kann Wasserstoff als Energiespeicher- und -transportmedium dienen.

Wo kann das Medium Wasserstoff seine Stärken ausspielen?

Gosling: Erneuerbarer Wasserstoff bring die Flexibilität eines Gases mit sich. Wenn es nun darum geht, Wasserstoffprojekte zu entwickeln, sehen wir diese primär effektiv für Anwendungen, bei denen wir einen molekularen Energiebedarf oder einen chemischen Prozess haben. Die industriellen Abnahmemengen für Wasserstoff, der bisher fossil hergestellt wurde, sind bekannt, neu ist die Art und Weise, wie der Wasserstoff hergestellt wird und werden soll. Wasserstoff kann auch der Dekarbonisierung der am Erdgasnetz angehängten Verbraucher dienen. Das Erdgasnetz hat in Deutschland eine höhere Energietransportkapazität von Nord nach Süd als das Stromnetz. Wasserstoff kann zu dem Erdgas zugespeist und über das Leitungsnetz transportiert werden.

Wie kann eine wirtschaftliche Wasserstofferzeugung gelingen?

Gosling: Auf der Angebotsseite kann Wasserstoff aus den meisten Primärenergiequellen hergestellt werden, seien es fossile oder erneuerbare bzw. kohlenstoffarme. Diese Vielfalt der Versorgungsquellen ist einer der Hauptgründe, warum Wasserstoff ein so vielversprechender Weg ist. Wasserstoff auf der Basis fossiler Brennstoffe wird derzeit am häufigsten durch Methandampfreformierung oder Kohlevergasung gewonnen. Die Nutzung kohlenstoffarmer Energiequellen, z. B. Wind-, Solar-, Kern- und Wasserkraft, in Verbindung mit der Elektrolyse steht im Mittelpunkt der derzeitigen Politik und steht unter dem Druck, kostengünstig, aber produktionsstark zu skalieren, um Endabnehmern Versorgungssicherheit zu gewährleisten und Wettbewerbsfähigkeit zu ermöglichen. Obwohl es subventionsunabhängige Erfolgsgeschichten und Use-Cases gibt, bedarf es, um dieses Ideal einer Wasserstoffwirtschaft zu erreichen, viel weitergehender politischer Unterstützung. Diese erscheinen in Form interessanter Methoden wie des CCFD (Carbon Contracts for Difference) und CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) oder der von der EU geförderten IPCEI-Projekte (Important Projects of Common European Interest).
Auf der Nachfrageseite hat Wasserstoff in vielen etablierten Endverbrauchssektoren bekannte Abnahmemengen und gewinnt durch neue Anwendungen zusätzlich Verbraucher. Das erhöht den Bedarf. In seiner molekularen Form ist er ein Industrierohstoff oder dient als Energieträger. Er kann auch mit anderen Molekülen kombiniert werden, um wasserstoffbasierte Brenn- und Einsatzstoffe herzustellen. Wenn er nicht als Ausgangsstoff für chemische Prozesse verwendet wird, kann Wasserstoff auf verschiedene Weise als Wärmeenergie- oder Stromquelle dienen, z. B. in Gasturbinen, Gasnetzmischungen, Heizkesseln und in Brennstoffzellen. Für eine wirtschaftliche Produktion ist vor allem folgende Frage zu klären: Wie können die Produktionskosten mit dem richtigen Design und der richtigen Automatisierung schnell genug und in großem Maßstab gesenkt werden?

Welche Herausforderungen gibt es beim Scale-up der Anlagen?

Gosling: Derzeit sind PEM- und alkalische Elektrolyseure noch zu teuer – sowohl aus der CAPEX- als auch aus der OPEX-Perspektive – im Vergleich zur Wasserstoffproduktion auf Basis fossiler Brennstoffe. Die Entwickler wollen kosteneffiziente Lösungen anbieten und die Endnutzer wollen die beste Betriebsleistung. Ein Thema ist dabei die Verringerung der Komplexität im Maßstab: Wenn Sie mehrere
1- bis 10-MW-Elektrolyseur-Module zu einer schlüsselfertigen 20/50-MW-Lösung integrieren oder sogar 100- bis 200-MW-Anlagen konzipieren, bedeutet das im intelligent skalierten Fall nicht, dass Sie für die Automatisierungsausrüstung und die Steuerungskomplexität ebenfalls einen Faktor von 5x/20x einsetzen müssen. Es gilt also, Größenvorteile zu nutzen. Die Regierungen finanzieren die ersten Großprojekte, um die Stückkosten zu senken. Zudem sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: Welche anderen Vorschriften, Protokolle und Normen müssen diese skalierten P2X-Systeme am Standort des Endbenutzers, an dem sie installiert, in Betrieb genommen und betrieben werden sollen, erfüllen? Gibt es explosionsgeschützte Umgebungen oder Redundanz- und Sicherheitsstufen bei der Prozesssteuerung, die berücksichtigt werden müssen, um eine erfolgreiche Inbetriebnahme und einen erfolgreichen Betrieb an den Standorten zu gewährleisten? Wie können wir die Gasreinheit und die genaue Dosierung sicherstellen, wenn die Netze Wasserstoff als Teil der Sektorkopplung transportieren sollen?

Welche Lösungen bietet Emerson für die Planung und
das Scale-up entsprechender Elektrolyseanlagen?

Gosling: Mithilfe eines digitalen Zwillings können die verschiedenen Elemente und Bauteile einer solchen Elektrolyseanlage zur Wasserstoffproduktion aufeinander abgestimmt werden. So kommen in einem Wasserstoffprojekt verschiedene Anlagen verschiedener Anbieter zusammen, die trotzdem miteinander kommunizieren und ein übergeordnetes Sicherheitskonzept verfolgen müssen. Emerson bietet diese sogenannte Digital-Twin an. Dieses Modell kann auf die umfassendsten und komplexesten Betriebsabläufe skaliert und in Echtzeit durchgeführt werden, um die potenziellen Auswirkungen auf den vollen Betrieb von Anlagen zu ermitteln. Mit dem digitalen Zwilling besteht zudem die Möglichkeit, bereits vor dem Bau der Anlage verschiedene Szenarien durchzuspielen, und er kann helfen, Störungen rechtzeitig zu erkennen. So ist es beispielsweise bei der Wasserelektrolyse sehr wichtig, dass das Wasser sehr rein ist. Auch kleine ungeplante Schäden in der Wasseraufbereitung können zu einer dauerhaften Schädigung des Stacks und einer reduzierten Lebensdauer der Anlage führen. Operatoren können simulieren, wie sich verschiedene Prozessschritte auf andere Anlagenbereiche auswirken würden. Auch die Anlageneffizienz kann simuliert werden, indem verschiedene Variablen wie Temperatur oder Druck variiert werden. Wenn die Inbetriebnahme der Anlage schon vorher einmal simuliert wurde, kann bei der echten Inbetriebnahme viel Zeit gespart werden. Dank weiterer Technologien wie Mustererkennung, Pervasive Sensing (allgegenwärtige Sensorik) und Analysetools steht Kunden der neueste Satz an Ressourcen zur Verfügung, um das höchstmögliche Leistungsniveau erreichen zu können.

Kommen weitere Emerson-Technologien in den Wasserstofferzeugungsanlagen zum Einsatz?

Gosling: Emerson bietet eine breite Palette an Messinstrumenten, Regelarmaturen, Steuerungstechnologie sowie Leitsystemtechnik für die Wasserstoffbranche. Unsere Produkte finden bereits mannigfachen Einsatz in vielen global verteilten Wasserstoffprojekten. Dabei kann Emerson als Main-Automation-Partner agieren, der die gesamte Automatisierung vornimmt. Für die Instrumentierung, beispielweise im Elektrolyseur, werden Druck-, Temperatur-, Füllstand-, Durchfluss- (Coriolis) und Analysenmesstechnik der Marke Rosemount sowie Regelventile der Marke Fischer und Magnetventile der Marke Asco eingesetzt. Gesamtanlagen inklusive Elektrolyseur, Salzwasseraufbereitung, Gasnachbereitung und alles notwendige weitere Equipment können durch die Steuerungsplattform Delta V gesteuert werden. Besonders wichtig im Bereich Sicherheit ist, dass Sicherheit-I/Os’ nochmals in einzelnem Kreislauf aufgesetzt werden, um an das Sicherheitskonzept (die Anlage) des Betreibers angebunden werden zu können. Darüber hinaus bieten wir Asset-Management für Anlagen, Energie- und Emissionsmanagement, und Wasserstofftankstellenmanagement auf Flottenbasis. Um das Ganze auch erfolgreich umsetzen zu können, bieten wir auch Project Certainty Workshops an.

Gibt es erfolgreich abgeschlossene Projekte für die Wasserstofferzeugung im Großmaßstab?

Gosling: Das bis vor Kurzem größte PEM-das Elektrolyseprojekt der Welt, mit einer elektrischen Leistung von 20 MW, in der Wasserstoffproduktionsanlage von Air Liquide in Bécancour, Quebec, wird mit Emerson-Sicherheitssystem an die Bestandsanlage einer Chemiefabrik angehängt. Derzeit kann das Elektrolyseursystem von Cummins, jährlich fast 3000 t Wasserstoff mit sauberer Wasserkraft produzieren. Die Elektrolyseure sind mit Instrumentierung und Ventilen von Emerson ausgestattet. Die Erfahrungen aus dem Betrieb zeigen uns, dass unsere Standardgeräte und adaptierten -Lösungen für den Wasserstoffmarkt bestens geeignet sind.
Außerdem verlässt sich einer der global größten Hersteller von alkalinen Elektrolyseuren für die kommenden Jahre auf Druckmesstechnik von Emerson. Der Hersteller der alkalinen Elektrolyseure plant, in den nächsten zwei Jahren eine Elektrolyseleistung von insgesamt 2 GW in Verkehr zu bringen. Dies bedeutet eine Vielzahl von kleineren Modulen mit ca. 20 MW elektrischer Leistung in verschiedenen Regionen der Welt. Die kommenden Projekte im Bereich von 100 MW+ werden global verortet sein.

Emerson Automation Solutions, Langenfeld


Das Interview führte für Sie: Daniela Held

Redakteurin

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