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Namur-Fokustag MTP war ein voller Erfolg

Spannender Ritt durch die Welt der modularen Anlagen
Namur-Fokustag MTP war ein voller Erfolg

Der erste Namur-Fokustag MTP war ein spannender Ritt durch die Welt der Automatisierung modularer Anlagen. Rund 200 Teilnehmer folgten fast fünf Stunden lang den Ausführungen der Referenten in einer Zoom-Konferenz. Neben aktuellen Berichten aus den Namur-Arbeitskreisen standen vor allem die Themen Diagnose & Maintenance sowie Safety & Security im Fokus. Zwei Beispiele aus der Praxis bei BASF und Merck rundeten schließlich das Programm ab.

Eigentlich hätte das Thema MTP ein Baustein der letzten Namur-Sitzung im Herbst sein sollen. Die Verantwortlichen waren allerdings der Meinung, dass MTP zu wichtig sei, um es parallel zu anderen Themen in der Online-Konferenz laufen zu lassen und bescherten so MTP einen eigenen Fokustag. Namur-Vorstand Dr. Felix Hanisch: „Die Auskoppelung aus der Hauptsitzung war eine gute Entscheidung. Die hohe Teilnahme spricht klar für das separate Format.“

MTP ist ein Gemeinschaftsprojekt von Namur und Profibus Nutzerorganisation (PNO). Während in den Arbeitskreisen der Namur und des ZVEI die technischen Spezifikationen erarbeitet werden, übernimmt die PNO vor allem Marketingaufgaben. Sie steuert unter anderem die Internationalisierung, Standardisierung, Zertifizierung und bietet Trainings an. Karsten Schneider von der PNO: „Wir wollen das alles in Partnerschaft machen. Wir werden in enger Abstimmung mit den Arbeitskreisen MTP offen und gemeinsam entwickeln. Mit unseren 1600 Mitgliedern weltweit sind wir gut aufgestellt, um MTP in die Welt zu tragen.“

Die Zusammenarbeit mit der PNO soll die Blockade lösen, die derzeit existiert, geht doch vor allem die internationale Standardisierung nicht richtig voran.

Um das Thema Orchestrierung weiter zu bearbeiten, hat die Namur einen neuen Arbeitskreis gegründet. Der AK 2.12 soll sich um den Process Orchestration Layer (POL) kümmern. Die POL dirigiert die einzelnen Module wie ein Dirigent sein Orchester. Der Arbeitskreis 2.4.1 hat bereits zahlreiche Ideen gesammelt, die der AK 2.12 jetzt verfolgen kann. Das Ziel könnte eine Namur-Empfehlung „Modulare POL“ sein. Aktuell liegen zwei Namur-Empfehlungen zum Thema in den letzten Zügen: Die NE 185 „Die Anforderungen an die Qualifizierung der PLT modularer Anlagen“ durchläuft gerade den Freigabezyklus, die NE 187 „POL Anforderungen/Plug & Unplug“ soll noch dieses Quartal fertig werden.

Aufkommende Märkte für MTP

„MTP ist nicht nur für die Prozesstechnik interessant, sondern auch für andere Märkte wie Wasserstoff-Elektrolyseure, die produktionsnahe Logistik, die Prozessanalysentechnik, hybride Anlagen und das Energiemanagement“, sagte Henry Bloch, Geschäftsführer und Mitgründer von Semodia. Besonders interessant ist hierbei die Wasserstoffproduktion mit modularen Elektrolyseuren. Ansätze hierzu gibt es bereits im von der Bundesregierung geförderten Projekt H2Giga. Großes Potenzial sieht Bloch in der produktionsnahen Logistik. Mit MTP können hier Produktion und Logistik verschmelzen, wie ein Projekt von Beumer gezeigt hat. Ein dritter, aussichtreicher Kandidat ist die Prozessanalysentechnik (PAT). Der Namur-AK 3.6 hat in seiner ‧Roadmap 2027+ bereits klare Vorstellungen für den zukünftigen Einsatz von PAT formuliert. Szenarien, wie das Nutzen eines Spektrometers in mehreren Prozessen, ließen sich über die MTP-Schnittstelle realisieren.

Verfahrenstechnik und Automatisierung gemeinsam denken

Bei modularen Anlagen wurden lange Zeit die verfahrens- und automatisierungstechnischen Aspekte parallel entwickelt. Dies zeigt sich daran, dass es zu den Themengebieten separate Standardisierungsaktivitäten gibt: VDI 2776 zur Verfahrens- und Anlagentechnik und VDI/VDE/Namur 2658 zur Automatisierungstechnik. Christian Bramsiepe, Experte für modulare Anlagen bei der Evonik, präsentierte die Vorstellungen der neuen VDI-Handlungsempfehlung für modulare Anlagen.

Die Handlungsempfehlung beschreibt die Verbindung der Verfahrens- und Automatisierungstechnik im Kontext der Modularisierung. Sie gibt eine methodische Hilfestellung, wie verfahrenstechnische Grundoperationen in ihre einzelnen Bestandteile aufgeteilt oder aus einzelnen Bestandteilen zusammengesetzt werden können, sodass alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis für Funktionalitäten und Eigenschaften modularer Anlagen entwickeln können.

„Wir haben uns eine zweistufige Vorgehensweise vorgestellt, die aus dem Auswahlprozess und dem Abgleichprozess besteht. Beim Auswahlprozess findet eine funktionale und apparative Eignungsprüfung für modulare Prozess-/Funktionseinheiten (PEA/FEAs) hinsichtlich einer zuvor festgelegten verfahrenstechnischen Aufgabe statt. Der Abgleichprozess beschreibt anschließend, wie nach der erfolgten PEA/FEA-Auswahl ein Abgleich zwischen prozesstechnischer Funktion und automatisierungstechnischen Diensten erfolgen kann“, erläutert Bramsiepe.

Diagnose und Maintenance

Auch die Diagnose und die Wartung von modularen Anlagen müssen via Rollenkonzept anders gedacht werden. Die NE 184 sieht für Produktionsteam, Wartungsteam sowie Hersteller der PEA unterschiedliche Zugriffsrechte vor und bezieht die NOA-Welt mit ein. Im sogenannten Monitoring & Optimization Layer (MOL) werden Informationen von MTP und NOA verknüpft. So wird aus der funktionalorientierten Diagnose innerhalb der Prozesseinheit eine systemorientierte Diagnose. Der Informationsfluss zwischen POL und MOL erfolgt dabei über einen NOA-Kanal, zwischen PEAs und MOL über einen NOA-Kanal und einen Read-only-MTP-Kanal.

Fabian Spaethe von Siemens fasst die NE 184 zusammen: „Der Hauptfokus der NE 184 liegt auf der Beschreibung der Diagnosekonzepte und der Einführung des MOL. Wir schaffen einen ganzheitlichen Ansatz zur Verknüpfung von MTP und NOA und liefern Diagnoseprofile für den einfachen Einstieg.“

Safety & Security

Die modulare Automation strebt die effiziente Errichtung sowie den flexiblen Umbau von Prozessanlagen an. Um diese Vorteile behalten und trotzdem eine sichere Anlage planen zu können, sind die herkömmlichen Prozesse zur funktionalen Sicherheit entsprechend anzupassen. Industriepartner haben zusammen mit dem P2O-Lab der TU Dresden einen Demonstrator gebaut, der die Machbarkeit der sicheren modularen Automation veranschaulicht. Dr. Alexander Horch, Hima, sowie Anselm Klose und Florian Pelzer, beide TU Dresden, stellten ihr Sicherheitskonzept live aus dem P2O-Lab vor. Einen ausführlichen Bericht dazu lesen Sie im Artikel „Modulare Automation sicher gestalten“.

Modulare Anlagen müssen wie jede andere Anlage auch gegen unerlaubte Eingriffe geschützt werden. Erwin Kruschitz, Anapur, zeigte ein mögliches Konzept zur Abwehr von Hackern auf. Neben dem Komponentenhersteller, dem Systemintegrator und dem Anlagenbetreiber tritt jetzt mit dem Modulhersteller ein vierter Player auf. Grundsätzlich rät der Experte, möglichst auf überflüssige Software zu verzichten. Ansonsten gelten für modulare Anlagen die gleichen Regeln wie für monolithische Anlage. Allerdings gibt es einen Unterschied: Während der Operations-Phase kann man den Zugriff auf ein Minimum beschränken. Ist die PEA in der Wartung, kann man den Zugang weiter öffnen, um alle notwendigen Diagnosen am Modul durchführen zu können.

Das MES als POL nutzen

Zum Schluss der Veranstaltung gab es sehr praxisnahe Einblicke in laufende Projekte. Mit Manufacturing Orchestration stellte die BASF ihre Vision von MTP für die Prozessindustrie vor. Einen Demonstrator, den die BASF schon früher nutzte, wurde auf MTP umgestellt und zu einem vollständig modularisierten Prozessanlagenmodell mit vier Modulen. Jedes Modul ist eine zusammenhängende Gruppe von Sensoren und Aktoren und besitzt eine eigene Steuerung (DCN). Die Programmierung entspricht dem MTP-Standard und enthält eine Engineering-Datei (MTP-file) sowie Dienste und Zustandsautomaten. Als POL dient das MES ABB Ability MOM. Es erlaubt die zustandsbasierte Steuerung und startet die Dienste in der richtigen Reihenfolge. Voraussetzung ist allerdings, dass das MES auch mit dem MTP-Standard umgehen kann. Die Kommunikation läuft über OPC UA und ist damit ideal für das MES. Prinzipiell könnte jede Workflowmaschine die Abarbeitung der MTP-Dienste übernehmen. Und auch der Bediener kann in die Abläufe eingebunden werden, beispielsweise für die manuelle Zugabe von Kleinmengen in einen Reaktor.

Nils Richter von der BASF sieht vor allem zwei wichtige Punkte: „Zum einen ist das nahtlose Zusammenspiel von Automatisierung, IT-Systemen und Bedienern durch das MES als POL ein großer Vorteil. Zum anderen ist das effiziente Engineering mittel MTP zur Umsetzung von Plug & Produce mit bis zu 70 % Zeitersparnis beim Einbinden der Units ein Wettbewerbsvorteil.“

Wie zertifiziert man modulare Anlagen?

Den Abschluss des spannenden Fokustages MTP bildete das zweite Beispiel aus der Praxis. Es kam von der Firma Merck in Kooperation mit Siemens. Hier wird PCS neo als POL genutzt. Bei Merck gibt es bereits einen Modulkatalog von über 100 Modulen, die man zu einem Prozess verbinden kann. Gerade für kleine Wirkstoffchargen ist der modulare Anlagenansatz äußerst attraktiv. Sebastian Härtner sieht allerdings ein ganz anderes Problem: „Wir können innerhalb kürzester Zeit aus unseren Modulen eine Anlage zur Wirkstoffproduktion aufbauen, doch wie genehmigen wir modulare Anlagen im derzeitigen rechtlichen Rahmen durch die Behörden?“ An dieser Stelle gibt es aktuell noch keine Klarheit. Verschiedene Modelle scheinen möglich. Ein Ansatz wäre jedes Modul für sich zu qualifizieren und bestimmte Modulkombinationen durch die Behörden genehmigen lassen.

Namur MTP


Dr. Bernd Rademacher

Redakteur

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