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Auf dem Weg zu Industrie 4.0

ABB-Technologietag 2014
Auf dem Weg zu Industrie 4.0

In der Politik wird das Schlagwort „Industrie 4.0“ vielfach verwendet, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie geht. Doch was versteht man eigentlich unter Industrie 4.0? Als Mitglied des des Vorstandskreises und des Lenkungreises der „Plattform Industrie 4.0“, versuchte ABB im Forschungszentrum Ladenburg einige Antworten auf diese Frage zu geben. Die „Plattform Industrie 4.0“ ist ein gemeinsames Projekt der drei Industrieverbände Bitkom, VDMA und ZVEI.

Unter dem Motto „Auf dem Weg zu Industrie 4.0“ erklärte Dr. Jan-Henning Fabian, Leiter ABB Forschungszentrums Deutschland, in Ladenburg, wie sich ABB diesem komplexen Thema nähert. ABB investierte im abgelaufenen Geschäftsjahr 2013 über 1,5 Mrd. US-Dollar in Forschung und Entwicklung. Schwerpunktthemen sind Automatisierungslösungen für die Prozess- und Fertigungsindustrie, aber auch für Versorgungsunternehmen. „Internettechnologien werden in Zukunft im großen Umfang in den Fabriken und Kraftwerken Einzug halten – mit dem Potenzial, die Automatisierung zu revolutionieren. Mit Industrie 4.0 eröffnet sich eine völlig neue Welt von Innovationsmöglichkeiten, die heute noch gar nicht vollständig zu überblicken sind“, erklärte Dr. Fabian. „Die dynamische Vernetzung von Produkten, Geräten und Anlagen ermögliche neue Formen der Flexibilität in der zukünftigen Industrie-4.0-Welt.“

Zweite Identität
Ein wichtiger technischer Aspekt von Industrie 4.0 ist, dass jedem physikalischem Objekt, z. B. einem Messgerät oder einem Anlagenteil, in einer Produktionsanlage ein Model im Netz, eine virtuelle Beschreibung, zugeordnet wird. Reale und virtuelle Objekte Kommunizieren dann in Informationsnetzen. „Cyber Physical System“ ist hier das Schlagwort. Ziel ist es, durch die intelligente Nutzung der Daten, die Produktivität und gleichermaßen auch die Individualität der Produkte zu steigern.
Über ihre zweite Identität im Netz sind die Geräte herstellerübergreifend auffindbar. Dies ist äußerst nützlich für Engineering, Betrieb, Wartung und Service. Systeme können virtuell integriert, ausprobiert, optimiert oder getestet werden. Digitale Fabrik und virtuelle Inbetriebnahme werden übergreifend zugänglich. Algorithmen für die autonome Optimierung könnten die Produktionsplanung revolutionieren. Verbundene Geräte könnten ihre Zusammenarbeit miteinander verhandeln.
„Auf dem Weg zur vierten industriellen Revolution mit Industrie 4.0 hört die kontinuierliche Weiterentwicklung der Automatisierung jedoch keineswegs auf, erklärte Dr. Fabian die Rolle von ABB. „Natürlich gibt es heute schon Produkte von ABB, die moderne Kommunikations- und Internettechnologien nutzen. Ähnlich wie der Trend zu Elektroautos wird die Automobilindustrie weiterhin von Verbrennungsmotoren dominiert, bis elementare Themen wie Batterielaufzeit, Ladeinfrastruktur usw. umfassend gelöst sind. Analog dazu fokussiert ABB trotz aller Industrie-4.0-Euphorie weiterhin auf die großen Themen der Digitalisierung in der Automatisierung und auf viele neue Innovationen in der heutigen Anlagenwelt, ohne diese gleich als Industrie 4.0 bezeichnen zu wollen, aber die klar den Weg in die Richtung Industrie 4.0 vorzeichnen werden.“ Für die einfache Integration der einzelnen Geräte in ein Gesamtsystem ist eine Standardisierung der Industrie-4.0-Integrationstopologie erforderlich, welche ABB als aktives Mitglied der Plattform Industrie 4.0 intensiv vorantreibt.
Von der Idee zur Umsetzung
„Neben all dem Machbaren darf das Sinnvolle nicht aus den Augen verloren werden“, betonte Dr. Rainer Draht, bei seinem Vortrag im Forschungszentrum in Ladenburg. Voraussetzung für die Akzeptanz der neuen Technologie durch die Anlagenbetreiber sind fundamentale Anforderungen:
  • Investitionsschutz: Industrie 4.0 muss schrittweise in bestehende Anlagen einführbar sein.
  • Stabilität: Industrie-4.0-Dienste dürfen zu keinem Zeitpunkt die Produktion gefährden, weder durch Ausfall, Störung, noch durch unabgestimmten Eingriff. Produktionssysteme stellen erhöhte Anforderungen an nichtfunktionale Eigenschaften wie Verfügbarkeit und Echtzeit. Diese müssen erhalten bleiben.
  • Steuerbarkeit: Datenflüsse müssen kontrollierbar und steuerbar sein. Vor allem Schreibzugriffe auf produktionsrelevante Geräte, Maschinen oder Anlagen erfordern eine über die Security hinausgehende Prüfinstanz.
  • Security: Nichtautorisierter Zugriff auf Daten/Dienste ist zu verhindern.
Zur Berücksichtigung dieser Anforderungen entwickelte ABB eine Integrationstopologie. Diese gilt gleichermaßen für die Fertigungsindustrie, Prozessindustrie und andere Industrien. Diese Topologie führt das Industrie-4.0-Netzwerk als separates Netzwerk ein, das unabhängig vom traditionellen Netz arbeitet. Die Anbindung an eine private Cloud schafft eine sinnvolle Infrastruktur zur Einführung von CPS-Systemen. Neu ist dabei nicht das Netz, nicht die Cloud, sondern die Wertschöpfung durch neue Softwaredienste, die das Engineering, den Betrieb, die Wartung, den Service und die Produktionslogistik erheblich vereinfachen können. „Industrie 4.0 ist ein Phänomen, das als Trend auf uns zutreibt, ob wir es wollen oder nicht“, ist die Meinung von Dr. Draht. Analog zur Consumer-Welt, die Anfang der 1990er Jahre mit dem Internet konfrontiert wurde, woraus sich in schneller Abfolge Online-Shops, Auktionen, Internetbanking, Online-Brokerage, Facebook, E-Mail, Video-Streaming und App-Stores entwickelten, seien auch heute die Möglichkeiten von Industrie 4.0 fast unbegrenzt.
Modularisierung in der Prozessindustrie
Um dem hohen und zunehmend globalen Wettbewerbsdruck in der Prozessindustrie zu begegnen, sind Schnelligkeit und Flexibilität wichtige Erfolgsfaktoren geworden. So muss zum Beispiel die Zeitspanne von der Forschung und Entwicklung bis zur Produktionsanlage reduziert werden (Time to Market), und der Produktionsdurchsatz mit der Nachfrageentwicklung Schritt halten (Numbering-up statt Scale-up). Als Reaktion auf diese Anforderungen hat die Chemische Industrie unterschiedliche Initiativen gestartet. Eines dieser Programme war das von der EU geförderte Projekt „F³ Factory“ (2009 bis 2013), das zum Ziel hatte, kontinuierlich arbeitende Produktionsanlagen zu modularisieren. Chemische Prozesse werden dabei in kleinen flexiblen Modulen abgewickelt, die einfach skalierbar und flexibel in der Kombinierbarkeit sind. Dabei müssen die Funktionen der Modulsteuerungen und des übergeordneten Leitsystem sinnvoll aufgeteilt werden. Über Module mit einer eigenen SPS und einer Ankoppelung durch Verwendung des Kommunikationstandards OPC UA zwischen Steuerungsebene und Leitebene hat ABB eine entsprechende Technologie entwickelt, die die effiziente Einbindung von einzelnen Modulen in ein modernes Leitsystem wie 800xA ermöglichen.
Dies bringt auch für die Automatisierung neue Herausforderungen, die die Namur in der NE 148 aus Sicht der Anlagenbetreiber beschrieben hat. Der ZVEI hat hierzu ein Spiegelgremium gebildet, das Umsetzungsvorschläge aus Sicht der Lieferanten ausarbeitet. In der aktuellen Diskussion um die Einwicklung von „Industrie 4.0“ stellt jedes Modul ein Cyber Physical System dar, das in einem heterogenen Netzwerk mit anderen Modulen die Produktionsanlage abbildet. In der NE 148 sollen einzelne Module, die einen verfahrenstechnischen Schritt oder produktionsrelevante Equipments darstellen, in ein übergeordnetes Leitsystem integriert werden. Dabei unterscheidet man aus Automatisierungssicht zwei Arten von Modulen: Das Modul ist mit eigener Steuerung ausgestattet und Intelligenz und das Modul, das lediglich I/O-Baugruppen zur Anbindung an das übergeordnete System besitzt.
Die eigentlichen Herausforderungen treten allerdings erst bei der Implementierung der Anforderungen im Detail ans Tageslicht. So müssen Module, die unterschiedliche Voraussetzungen in Bezug auf Hardware, Schnittstellen und Beschreibung haben, bereits in der Engineering-Phase in ein übergeordnetes Leitsystem implementiert werden.
Obwohl die modularisierte Prozessanlage in der Chemischen Industrie schon seit Jahren hohe Aufmerksamkeit erhält, ist die Automatisierung einige Antworten und fertige Lösungen noch schuldig. Dabei ist es vor allem notwendig, systemneutrale Standards zu definieren und voranzutreiben. Die Modul-Lieferanten müssen hier Anforderungen miteinbringen und eine einfache Integration der Module unterstützen. Schließlich müssen die Anlagenbauer und Anlagenbetreiber von Firmenstandards Abstand nehmen und ihr Informationsverlangen einschränken, ohne an der Produktivität der Anlage Abstriche zu machen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Industrie 4.0 die Vision einer zukünftigen Automatisierung sehr gut beschreibt, der Einzug von Internettechnologien in die Fabriken und Kraftwerke wird stattfinden und die Flexibilität einzelner Anlagen signifikant erhöhen. Das virtuelle Modell lässt sich auch dafür nutzen, die Effizienz der realen Anlage über den Lebenszyklus zu optimieren. Beispielsweise können Änderungen der Produktionsparameter in das Modell zurückgespielt werden, um Hinweise auf den Austausch von Geräten zur Anlagenoptimierung zu bekommen. Ziel einer solchen Optimierung könnte die Reduzierung von Durchlaufzeiten oder des Energieverbrauchs sein.
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