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Auf die richtige Dichtung kommt es an

Optimale Performance von Pumpen und Ventilen
Auf die richtige Dichtung kommt es an

Elastomerdichtungen stellen ein einfaches, aber effektives Diagnosewerkzeug für die Leistungsfähigkeit von Pumpen und Ventilen dar. Während der Sichtprüfung der Dichtungen im Rahmen von Instandhaltungsarbeiten an Pumpen können verschiedene Symptome wie Überhitzung oder Quellung erkannt werden. Wird dann sofort reagiert, lässt sich ein Störfall im Prozess noch vermeiden.

Der Autor: Marc Sellschopp Business Manager Deutschland & Benelux, Precision Polymer Engineering

Elastomerdichtungen sind in der chemischen Prozesstechnik überall anzutreffen. Gummi unterscheidet sich durch seine Elastizität von allen anderen Dichtungswerkstoffen für Pumpen und Ventile. Wirkt auf das Elastomer eine verformende Kraft ein, wird es komprimiert und schließt seine Umgebung gas- und flüssigkeitsdicht ab. Nach Wegfall der Kraft kehrt der Werkstoff in seine ursprüngliche Form zurück. Genau diese Eigenschaft der Formstabilität ist es, die die Dichtkraft einer Elastomerdichtung in Pumpen und Ventilen ausmacht.
Bei der Auswahl des für einen Prozess geeigneten Dichtungswerkstoffs müssen eine Reihe von Faktoren berücksichtigt werden: die Verträglichkeit des Elastomerwerkstoffs mit den Prozess- und Reinigungschemikalien (z. B. auch Lösemitteln), die Temperatur des Prozesses, die Viskosität anwesender Flüssigkeiten und außerdem die Reinigungsverfahren. Die auf die Dichtung wirkenden mechanischen Spannungen müssen bekannt sein: Druck, Querbewegungen bei Ventildichtungen, dynamische Drehkräfte bei Pumpendichtungen. Eine schlecht sitzende Dichtung ist den mechanischen Spannungen verstärkt ausgesetzt; dies gilt insbesondere für Pumpendichtungen, die Kontakt mit Prozesschemikalien haben. Wird eine Dichtung beim Einbau gewaltsam verformt, steigt das Risiko eines spannungsinduzierten chemischen Angriffs. Dieser entsteht aus Spannungen im Werkstoff, die die Polymerketten bei Kontakt mit Chemikalien schwächen. Dies alles kann dazu führen, dass eine Dichtung bereits bei Spannungen versagt, die noch erheblich unter der erwarteten Zugfestigkeit des Werkstoffs bei der gegebenen Prozesstemperatur liegen.
Probleme mit Ventilen und Pumpen ergeben sich häufig nach Änderungen am Prozess. Dies kann ein neues Lösemittel sein oder eine andere Prozesstemperatur und vielleicht eine Verlängerung der Prozessdauer.
Ventildichtungen
Für den Chemieingenieur ist das Ventil zwischen zwei Anlagenteilen nicht selten eine Quelle von Verfahrensproblemen. Ein ungestörter Fluss von Flüssigkeiten oder Pulvern/Schüttgütern zwischen den einzelnen Anlagenteilen ist unverzichtbar. Zu Strömungsproblemen kommt es oft durch fehlerhafte Dichtungen aufgrund von Unverträglichkeiten mit Chemikalien oder Wasserdampf. Ein frühes Warnzeichen für chemische Unverträglichkeit ist eine Quellung der Dichtung, durch die das Ventil schwergängig wird. Dann kommt es zu Lecks und zu Dichtungsabrieb, der das Produkt kontaminiert. Eine Erweichung der Dichtung kann außerdem Durchflussprobleme bei schlecht sitzender Dichtung verursachen.
Die unerwünschte Quellung einer Elastomerdichtung entsteht hauptsächlich durch die Absorption von Flüssigkeiten. Die oft zitierte Weisheit „Gleiches löst Gleiches auf“ bietet da einen wichtigen Anhaltspunkt. Ein Ethylen-Propylen-Kautschuk (EPDM) beispielsweise ist ein „unpolares“ Elastomer und darf daher nicht zur Abdichtung gegen unpolare Lösemittel wie Hexan eingesetzt werden. Bei polaren Flüssigkeiten wie Wasser ist EPDM dagegen geeignet.
Chemische Zersetzung
Verhärtung oder Erweichung sind Zeichen einer Beschädigung durch Chemikalien. In Extremfällen werden durch Einwirkung der Chemikalien die Weichmacher und andere im Elastomer enthaltene Hilfsstoffe ausgelaugt, womit ein merklicher Volumen- und Flexibilitätsverlust der Dichtung einhergeht.
Die chemikalienbedingte Verhärtung oder Erweichung einer Dichtung erfolgt durch die Einwirkung der Chemikalien auf die Quervernetzung (Vulkanisierung) des Polymers. Diese verstärkt sich entweder immer weiter, wodurch die Dichtung steifer wird, oder sie wird aufgelöst, wodurch die Dichtung weicher wird. Letzteres ist bei manchen Fluorpolymeren (FPM) der Fall. Häufig verwendete FPM-Werkstoffe sind die bekannten A- und B-Typen.
Fluorelastomere vom Typ A werden meist in einer Kondensationsreaktion vulkanisiert; bei dieser fällt Wasser als Reaktionsprodukt an. Bei Kontakt mit Wasserdampf kann sich dieser Vernetzungsprozess umkehren, wodurch die Vernetzung des Werkstoffs aufgebrochen wird und die Dichtung versagt. Ein Frühzeichen für diese Unverträglichkeit des FPM sind Oberflächenrisse. Dies kann zunächst so aussehen, als sei die Dichtung versprödet. Die Oberflächenrisse entstehen jedoch nicht durch Aushärtung, sondern durch verringerte Zugfestigkeit des Elastomers. Bei Anwendungen, in denen die Dichtungen Wasserdampf ausgesetzt sein können, sollte man daher lieber ein peroxidvernetztes Fluorelastomer einsetzen.
Verhalten bei großer Wärme
Die thermische Zersetzung eines Elastomers kann sich auf die verschiedensten Arten äußern. Thermisch angegriffene Silikonkautschukdichtungen beispielsweise fühlen sich klebrig an. Andere Elastomere nehmen an Härte und Steifigkeit zu und zeigen eine bleibende Druckverformung, die sich darin äußert, dass die Dichtung nach dem Ausbau aus dem Sitz nicht mehr in ihre ursprüngliche Form zurückkehrt.
Thermische Probleme gibt es aber nicht nur bei hohen Temperaturen. Dieselben Probleme treten mitunter auch bei tiefen Temperaturen auf. Die Tieftemperaturbeständigkeit eines Elastomers wird durch den Glasumwandlungspunkt Tg des Werkstoffes beschrieben. Hierbei handelt es sich um die Temperatur, bei der das Elastomer vom gummiartigen in den spröden Zustand übergeht. An die Tieftemperaturbeständigkeit eines Elastomers wird beim Auftreten von Dichtungsproblemen oftmals nicht gedacht. Eine kurze Fallstudie eines Wärmetauschers mag dies illustrieren. Ein Unternehmen hatte den Betriebstemperaturbereich seines Wärmetauschers von 0 bis 150 °C auf -20 bis +180 °C erweitert. Beim Auftreten von Ventilleckagen wurden als erstes die Fluorelastomerdichtungen durch gekapselte Dichtungen ersetzt. Doch diese versagten. In der Annahme, dass die Probleme auf die Temperaturerhöhung zurückzuführen seien, wurden sie durch Perfluorelastomerdichtungen ersetzt. Aber auch diese versagten. Nach sechs Monaten und über 300 000 Euro Produktionsausfall stellte sich heraus, dass nicht die hohen Temperaturen, sondern die tiefen für das Problem verantwortlich waren. Durch Verwendung eines Tieftemperaturfluorelastomers mit einem Betriebstemperaturbereich von -51 bis +200 °C konnte das Problem gelöst werden.
Pumpendichtungen
Die Beschädigung durch Wärme ist eine häufige Ursache des Versagens von Pumpendichtungen. Allgemein gilt: Die Temperaturbeständigkeit der verschiedenen Elastomere bewegt sich zwischen den Extremen +90 °C (Naturkautschuk, NR) und +325 °C (Perfluorelastomere, FFPM). Bei Dauerbetrieb einer Kreiselpumpe oder eines Kompressors unter anspruchsvollen Bedingungen werden sowohl Pumpe als auch Dichtungen stark wärmebelastet.
Obwohl Pumpen im Allgemeinen mit ausreichender Kühlung konzipiert werden sollten, kann die Wärmedurchdringung beim Ausschalten die Dichtung beschädigen oder zumindest ihre Lebensdauer beeinträchtigen. Es sollte also beachtet werden, dass die reine Prozesstemperatur nicht notwendigerweise die ausschließliche Belastung für die Dichtung darstellt. Letztere könnte je nach Einbauort der Dichtung und nach Leistung des Kühlsystems auch geringer oder aber höher ausfallen. Es sollte außerdem beachtet werden, dass die physikalischen Eigenschaften von Elastomeren temperaturabhängig sind. Ein Werkstoff, der beispielsweise bei Umgebungstemperatur eine Zugfestigkeit von 10 MPa hat, besitzt bei +200 °C eine wesentlich geringere Festigkeit.
Wo Dichtungen ständig hohen Temperaturen ausgesetzt sind, muss in der Einbaunut ausreichend Spiel für die Wärmeausdehnung der Dichtung vorgesehen werden. Der Wärmedehnungskoeffizient eines Elastomers beträgt typischerweise das 100-fache von dem seiner metallischen Nut. Wird die Ausdehnung des Elastomers nicht berücksichtigt, kommt es zur Extrusion, also zum Heraustreten des Werkstoffs aus der Nut. In Extremfällen, wenn eine Extrusion nicht möglich ist, führen die vom Elastomer erzeugten Kräfte zur Zerstörung der Pumpe. Wenn Extrusion auftritt, sucht man sich für die Neugestaltung der Nut oder/und des Elastomerprofils am besten professionelle Unterstützung.
prozesstechnik-online.de/cav0911468
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