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Beschleunigt Zellwachstum

Gezielte Sauerstoffanreicherung im Fermenter
Beschleunigt Zellwachstum

Die Anreicherung der Prozessluft durch Zusatz von reinem Sauerstoff kann bei vielen biotechnologischen Anwendungen Qualität, Effizienz und Produktivität steigern. Wirtschaftlichkeitsberechnungen sowie Computersimulationen von Linde belegen dabei Potenziale von bis zu 45 % an Effizienzverbesserung. Diese positiven Effekte lassen sich vor allem für aerobe Fermentationen nutzen.

Der Autor: Johann Kaltenegger Anwendungstechnik Chemie, Linde Gas

Aerobe Fermentationen durch Mikroorganismen kommen in zahlreichen Bereichen der pharmazeutischen und industriellen Biotechnologie zum Einsatz. Neben großvolumigen Bausteinen für Arzneimittel wie Antibiotika zählen hierzu beispielsweise organische Säuren wie Zitronensäure, Futtermitteladditive wie die Aminosäure Lysin, aber auch Biopolymere. Das eingesetzte Zellmaterial – Bakterienstämme wie Escherichia coli, speziell gezüchtete tierische Zellkulturen oder auch spezielle Pilzkulturen – findet in Fermentationsreaktoren ideale Bedingungen: Die Behälter zumeist aus Edelstahl sind mit einer wässrigen Nährstofflösung befüllt. Sie können sowohl beheizt als auch gekühlt werden. Außerdem lässt sich der Inhalt differenziert begasen und rühren. Bei 30 bis 40 °C vermehren sich die meisten der gegenwärtig kommerziell genutzten Zellen besonders rasch. Neben zuckerhaltigem Nährstoff benötigt das Zellmaterial zur Erzeugung der gewünschten Produkte vor allem auch Sauerstoff (O2).
Erhöhung des Sauerstoffgehalts
Der für die aerobe Fermentation benötigte Sauerstoff wird klassisch bereitgestellt, indem Umgebungsluft dem Fermenter zugeführt und darin effektiv verteilt wird. Der O2-Gehalt von Luft ist mit knapp 21 Vol.-% jedoch vielfach zu gering, um über alle Phasen des Fermentationsvorgangs eine genügend hohe Konzentration gelöster und damit für die eingesetzten Zellen verwertbarer Sauerstoffmoleküle bereitzustellen. Das gilt insbesondere, wenn hohe Wachstumsraten, hohe Zelldichten sowie hochviskose oder sehr hochwertige Produkte verlangt werden.
Die möglichen Gründe für eine derartige Limitation sind vielfältig: So können die charakteristischen Eigenschaften der jeweiligen Fermenterbrühe, z. B. ein besonders hoher Bedarf an Sauerstoff oder steigende Viskosität des Produkts, zu Sauerstoffmangel in der wässrigen Phase beitragen. Darüber hinaus sind Engpässe bei der Bereitstellung der Luft oder apparativ bedingte Limitationen beim Fermenterbetrieb wie eine begrenzte Rührerdrehzahl besonders in der großtechnischen Produktion nicht selten.
Eine naheliegende Maßnahme zur Erhöhung des gelösten Sauerstoffs in der Brühe ist die Erhöhung des O2-Partialdrucks in der Brutluft. Unter Normalbedingungen liegt dieser wenig über 0,21 bar. Er lässt sich jedoch durch Zugabe von technischem Sauerstoff flexibel erhöhen – und damit den Erfordernissen der jeweiligen Fermentationsphase anpassen. Im Extremfall kann die Prozessintensivierung bis hin zur ausschließlichen Anwendung von reinem Sauerstoff reichen.
Vorteile von technischem Sauerstoff
Durch die Anreicherung der Brutluft mit reinem Sauerstoff lässt sich die Effizienz aerober Fermentationsprozesse steigern. Bei mikrobiellen Prozessen bedeutet das: Die Prozessdauer kann verkürzt werden. Raum und Zeit werden optimal ausgenutzt. Hohe Zelldichten lassen sich so realisieren. Da insgesamt eine geringere Gasmenge im Fermenter benötigt wird, reduzieren sich Energiebedarf und Abgasstrom. Zusätzlich wird die Sauerstoffversorgung bei niedrigerer Begasungsrate verbessert. Und die Gelöstsauerstoffkonzentration (Dissolved Oxygen, DO) ist einfach und sicher steuerbar. Zellkulturprozesse profitieren darüber hinaus durch eine Verminderung der Schädigung von Zellen durch Scherkräfte. Zudem gewährleistet die gleichbleibend gesicherte Gasqualität stabilere Prozesse. Versuche im Labor haben bereits gezeigt, dass aerobe Fermentationen von mehr Sauerstoff deutlich profitieren.
Um die Vorteile für Biotechprozesse im Produktionsmaßstab zu untermauern, hat Linde neben Wirtschaftlichkeitsberechnungen auch Computersimulationen durchgeführt, letztere in enger Zusammenarbeit mit den im Anlagenbau tätigen Kollegen von Linde Engineering. Die Basis bildete das Bakterium Escherichia coli in einem 50 m³ großen Fermenter – ein gängiges System in der Biotechnologie zum Beispiel zur Insulinherstellung. Mithilfe der Simulationsmodelle konnte genau untersucht werden, wie viel Biomasse sich bei normaler Luftbegasung und bei Sauerstoffanreicherung über die Zeit bildet.
Die Ergebnisse sprechen für sich: Wird der O2-Gehalt auf 30 % erhöht, haben sich durch die damit erzielbare hohe Wachstumsrate bereits nach 15 h 50 g Biomasse pro Liter gebildet. Zum Vergleich: Bei Zugabe reiner Umgebungsluft in den Fermenter, sind nach 60 h erst 30 g Biomasse pro Liter entstanden. Zudem lassen sich durch mehr Sauerstoff im Reaktionsgefäß auch höhere Zelldichten, also mehr Mikroorganismen pro Volumen, kultivieren. Bei kürzerer Reaktionsdauer sinkt ferner die aufgrund des Energiestoffwechsels der Mikroorganismen benötigte Substratmenge merklich ab. Eine bessere Substratausnutzung hinsichtlich der gewünschten Produkte ist die Folge. Ein weiterer Vorteil: Es bildet sich oft weniger Schaum im Bioreaktor.
Anlagentechnische Voraussetzungen
Die Voraussetzung zur Erschließung der genannten Vorteile bildet eine geeignete Hardware zur Sauerstoffversorgung. Um lokal begrenzte, sehr hohe DO-Konzentrationen zu vermeiden, empfiehlt sich häufig eine Anreicherung der Zuluft vor dem Eintritt in den Fermenter. Die Injektion des zusätzlichen Sauerstoffs in das bestehende Versorgungssystem erfolgt beispielsweise über Oxymix, einen speziellen Gasmischer. Sein Düsensystem ist in einem Lochkreis angeordnet und so ausgelegt, dass das Gas entgegen der Luftströmung in die Leitung eingebracht wird. Dadurch werden die beiden Komponenten innerhalb kürzester Zeit vollständig vermischt.
Die kompakt konstruierte Komponente kann über einen Flanschanschluss ohne großen technischen oder finanziellen Aufwand in eine bestehende Luftleitung eingebaut werden, beispielsweise während eines Routinestillstands der Anlage. Eine moderne Mess- und Regelstrecke wie der Flowtrain ermöglicht die punktgenaue Sauerstoffanreicherung per Touchpanel: Über eine SPS dosiert das System gasförmigen Sauerstoff exakt bis zur gewünschten Konzentration in die Brutluft. Dabei regelt Flowtrain den genauen Grad der Sauerstoffanreicherung in Abhängigkeit von der Brutluftmenge.
prozesstechnik-online.de/cav0713443
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