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Bioplastik in bester Form

Bindemittelsystem für Polymere aus nachwachsenden Rohstoffen
Bioplastik in bester Form

Bislang eigneten sich biobasierte Kunststoffe nicht für die breite Masse – zu groß waren die Nachteile gegenüber herkömmlichen Thermoplasten. Mit dem Bindemittelsystem Vinnex lassen sich Polymere aus nachwachsenden Rohstoffen nun wie handelsübliche Thermoplaste verarbeiten. Das System verbessert die physikalischen Eigenschaften der Biokunststoffe und macht die Materialien auch untereinander kompatibel. cav sprach mit Dr. Marcus Pfaadt, Projektleiter Bioplastics bei Wacker Biosolutions, über die Zukunft der Biokunststoffe.

Autorin Daniela Held Redakteurin

cav: Dr. Pfaadt, wie schätzen Sie die Entwicklung des Markts für Biokunststoffe ein?
Dr. Pfaadt: Der Markt für Biokunststoffe wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren mehr als verfünffachen, so eine aktuelle Prognose des Branchenverbands European Bioplastics. Noch besteht der größte Anteil aus sogenannten Drop-in-Lösungen, also aus Materialien, die teilweise auf nachwachsenden Rohstoffen basieren, aber chemisch identisch zu konventionellen Kunststoffen sind. Ein Beispiel dafür ist Bio-PET 30. Doch wir erwarten, dass in Zukunft auch biologisch abbaubare Biopolyester wie beispielsweise Polymilchsäure (PLA) und Polyhydroxyalkanoate (PHA) mehr und mehr an Bedeutung gewinnen.
cav: Welche Vorrausetzungen müssen geschaffen werden, um Biokunststoffe schnell zukunftsfähig zu machen?
Dr. Pfaadt: Am Erfolg versprechendsten sind Anwendungen, bei denen Biokunststoffe einen direkten Mehrwert gegenüber konventionellen Kunststoffen bieten. Beispielsweise ist die hohe Wasserdampfdurchlässigkeit von Polymilchsäure (PLA) ideal für Brot- und Gemüseverpackungen, denn durch die hohe Atmungsaktivität bleibt die Ware länger frisch. Auch die biologische Abbaubarkeit bringt direkte Vorteile für Anwender: So können Großgärtnereien ihre Pflanzcontainer, Tomatenclips, Mulchfolien und Ähnliches zusammen mit den Pflanzenabfällen direkt vor Ort industriell kompostieren. Für den breiten Einsatz von Biokunststoffen müssen die Material- und Verarbeitungseigenschaften jedoch vergleichbar sein mit konventionellen Kunststoffen. Sowohl Forschungsinstitute als auch die Industrie arbeiten derzeit sehr erfolgreich an neuen Materialien und Verbesserungen des Leistungsspektrums. Entscheidend für die Akzeptanz der Biokunststoffe ist weiter eine erfolgreiche Integration in bestehende Kunststoffrecyclingsysteme. Entsprechend muss für biologisch abbaubare Kunststoffe die Verwertung in geeigneten Kompostieranlagen gewährleistet werden.
cav: Wie sehen Sie die Marktverteilung zwischen biobasierten und biologisch abbaubaren Kunststoffen?
Dr. Pfaadt: Der Fokus wird auch in den nächsten Jahren auf biobasierten Kunststoffen liegen. Dabei spielen Drop-in-Lösungen kurz- und mittelfristig die größte Rolle. Bei dieser Art von Kunststoffen sind die Materialeigenschaften identisch zu konventionellen Kunststoffen, und bestehende Verarbeitungs- und Recyclingsysteme können weiterverwendet werden. Branchengrößen wie Coca Cola und Danone setzen diese Lösungen bereits heute ein. Biologisch abbaubare Kunststoffe, wie zum Beispiel die Biopolyester Polymilchsäure (PLA), Polybutylensuccinat (PBS) und Polyhydroxyalkanoate (PHA) werden in den nächsten Jahren voraussichtlich an Stellenwert gewinnen. Im Vordergrund stehen dabei Anwendungen, bei denen die biologische Abbaubarkeit einen direkten Vorteil für den Anwender bringt. Deshalb sind Anwendungen wie etwa Kompostbeutel interessant, aber auch neue Wege beim Food-Catering: Etwa die Option, das gebrauchte Bioplastikgeschirr gleich mit den Essensresten industriell zu kompostieren.
cav: Welche Ziele standen bei der Entwicklung des Bindemittels Vinnex im Vordergrund?
Dr. Pfaadt: Bei der Entwicklung unseres Bindemittels Vinnex standen die Bedürfnisse unserer Kunden im Vordergrund. Verarbeitungsnachteile gegenüber herkömmlichen Thermoplasten verhinderten bisher einen breiteren Einsatz von Biokunststoffen. Mit Vinnex lassen sich Biopolymere nun wie konventionelle Kunststoffe verarbeiten – Spritzgießen, Extrudieren, Vakuum- oder Thermoformen oder auch Kalandrieren. Das System verbessert die physikalischen Eigenschaften und macht die Materialien auch untereinander kompatibel. Dadurch lassen sich einerseits maßgeschneiderte Mischungen herstellen, andererseits aber auch ganz neue Anwendungsgebiete erschließen.
cav: Wie lange hat die Entwicklung der Vinnex-Produkte gedauert?
Dr. Pfaadt: Bereits im Jahr 2010 hat Wacker die ersten Vinnex-Produkte für biobasierte Kunststoffe herausgebracht. Inzwischen haben wir das System jedoch weiterentwickelt und verbessert, sodass sich die Biopolymere nun wie handelsübliche Thermoplaste verarbeiten lassen. Und natürlich entwickeln wir kontinuierlich neue Produkte der Vinnex-Reihe, um unseren Kunden weitere innovative Lösungen anbieten zu können.
cav: Sind Vinnex-Polymerblends auch biologisch abbaubar? Wenn ja welche?
Dr. Pfaadt: Die biologische Abbaubarkeit hängt, wie bei allen Biokunststoffen, von der individuellen Formulierung ab. Wir haben bereits einige Blends von Biopolymeren und Vinnex mit unseren Partnern erfolgreich getestet. Beispielsweise konnte in einer Mischung aus PLA, Stärke und 30 % Vinnex gezeigt werden, dass die biologische Abbaubarkeit unter industriellen Bedingungen innerhalb von 65 Tagen die erforderliche 90-%-Marke erreicht (ISO-Norm 14855).
cav: Wie verhalten sich die Biopolymere mit Vinnex gegenüber aggressiven und oxidativen Chemikalien oder organischen Lösemitteln?
Dr. Pfaadt: Der Kontakt mit diesen Stoffklassen erfordert sehr spezielle Materialeigenschaften. Polymerblends auf Basis von Biopolyestern und Vinnex sind nicht für diesen Einsatz geeignet.
cav: Wo sehen Sie den größten Markt für Vinnex-Polymere?
Dr. Pfaadt: Derzeit sehen wir den größten Markt für Vinnex-Polymerblends bei Lebensmittelverpackungen und im Food-Catering-Bereich. Obwohl PLA ein sehr steifer Werkstoff ist, lassen sich mithilfe von 20 bis 30 % Vinnex-Anteil problemlos sehr dünne, hochtransparente Folien herstellen. Diese Folien lassen sich auch deutlich besser verschweißen und sind so beispielsweise für Display- und Schrumpffolien geeignet. Da PLA mithilfe von Vinnex deutlich besser auf Papier haftet, ergeben sich so auch neue Möglichkeiten im Bereich der Hochgeschwindigkeits-Extrusionsbeschichtung, etwa für beschichtete Papierbecher und Ablageschalen. Aus Mischungen aus PBS, PLA und Vinnex lassen sich zudem Behälter für Heißabfüllungen (Kaffeebecher, Suppenbehälter) durch Tiefziehen herstellen.
cav: Lassen sich die Kunststoffe auch für Anwendungen in der chemischen Industrie einsetzen?
Dr. Pfaadt: Kurzfristig ist der Einsatz von Biokunststoffen bei Verpackungen ohne direkten Produktkontakt realisierbar, beispielsweise Verpackungsfolien, die eine Palette umhüllen. Der Einsatz von Drop-in-Lösungen, wie Bio-PET, ist natürlich auch in der chemischen Industrie ohne größeren Aufwand möglich.
cav: Welche weiteren Entwicklungen aus dem Hause Wacker werden zukünftig den Markt für Biokunststoffe bereichern?
Dr. Pfaadt: Dank unserer erfahrenen Anwendungstechnik und der Zusammenarbeit mit langjährigen Partnern entwickeln wir kontinuierlich neue Lösungen für den Biokunststoffbereich. Dabei stehen wir in engem Kontakt mit Rohstofflieferanten, Kompoundierern und Kunststoffverarbeitern. Unsere kürzlich vorgestellten Lösungen für die Verbesserung von transparenten PLA-Folien stoßen beispielsweise derzeit auf reges Interesse im Markt. Auch in Zukunft werden wir unsere Expertise im Bereich Polymerchemie nutzen, um durch innovative Lösungen den Biokunststoffmarkt weiter voranzubringen.
prozesstechnik-online.de/cav0414400

Bindemittelsystem für Biokunststoffe

Daten & Fakten

Vinnex ist ein auf Vinylacetat basierendes polymeres Bindemittelsystem, mit dem sich leistungsfähige Mischungen aus Biokunststoffen entwickeln lassen. Dies Polymere köönnen dann auch auf herkömmlichen Maschinen verarbeitet werden, ohne dass diese modifiziert werden müssen. Spritzgießen, Extrudieren, Vakuum- oder Thermoformen sowie Kalandrieren ist mithilfe von Vinnex wesentlich einfacher.
Das Bindemittel verträgt sich mit vielen Biopolymeren. Dem Prinzip eines Baukastens folgend können verschiedene Vinnex-Typen mit einzelnen oder mehreren Biopolyestern und Füllstoffen kombiniert werden. Je nach Anwendung lassen sich beispielsweise aus Polymilchsäure (PLA), Polyhydroxylalkanoat (PHA), Polybutylensuccinat (PBS) oder Stärke verschiedene Polymerblends erzeugen. Die physikalischen Eigenschaften der sonst schwer zu verarbeitenden Biopolymere verbessern sich dadurch. Abhängig von der Zusammensetzung und dem Vinnex-Anteil sind die Polymerblends schlagzäher, schmelzstabiler oder flexibler als herkömmliche Biopolymere.
Erste Anwendungstests, beispielsweise mit PLA, sprechen für sich: Obwohl Polymilchsäure ein sehr steifer Werkstoff ist, lassen sich mit innex dünnste Folien herstellen und zudem noch besser verschweißen. Die Folien bleiben auch nach Zugabe des Bindemittels hochtransparent. Weiterer Vorteil: Mit Vinnex können auch weniger kompatible Biopolymere wie PLA und PBS miteinander verarbeitet werden. Das Composit besitzt die Vorteile beider Komponenten.
Vinnex erlaubt es auch, Biokunststoffe, die für Heißabfüllungen gedacht sind, durch thermisches Tiefziehen herzustellen. Das Bindemittel könnte also schon bald als Rohstoff für Kaffeebecher oder Suppenbehälter dienen. Die dafür erforderliche Lebensmittelzulassung der EU und der US-amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde FDA besitzt Wacker bereits für ausgewählte Vinnex-Typen.
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